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1714 Großbritannien. Ein berliner Blatt schreibt: DaS unwürdige Verfahren deS lon doner Schachturniercomitc gegen den Sieger Hrn. Anderssen, dem statt der von» Comite für den ersten Preis in Aussicht gestellten 500 Pf. St. noch nicht 200 Pf. St. auSgezahlt wurden, scheint auch unter den unparteiischen Engländern allgemeine Indignation erregt zu haben. Um den Sieger für den ihm vor jener miSgünstigen Schmäle rung seines Gewinns erwachsenen Verlust einigermaßen zu entschädigen, hatte der Londonclub (zu unterscheiden von dem St.-GeorgS-Schachclub, dessen HeroS, Hr. Staunton, der besiegte Rival Anderssen'S ist) ein neues Schachturnier angeordnet, daS am 28. Juli beginnen, und in dem der Sieger einen großen silbernen Pocal im Werth von 100 Guineen er halten sollte. Die Kämpfer sollten sein: Anderssen, Deacon, Harrwitz, Horwitz, Kling, Löwenthal, Lowe, Meierhofer, Sabo. Von diesen neun Kämpfern sollte jeder mit jedem eine Partie spielen und, wer zuletzt die meisten Partien gewonnen* den Preis erhalten. Nach Briefen autz Lon don wäre dieser neue Kampf bereits, wie man vorausgesetzt hatte, zu Gunsten Anderssen'S entschieden worden. Staunton, der Anderssen be kanntlich zu einem neuen Kampfe von 21 Partien um einen Einsatz von 100 Pf. St. herauSgefodert hat, beabsichtigt jetzt, wie man hört, den Kampf erst in drei bis vier Monaten zu beginnen und Hamburg als den Ort deS Zusammentreffens vorznschlagen. Königreich Sachsen. Dem „Zweiten öffentlichen Berichte über das Landeöwaisen- huuS zu Großhennersdorf während deS Zeitraums von 1846—50 und beziehentlich von 1838 — 50" entnimmt die Leipziger Zeitung fol gende Angaben und Mittheilungen: Die Anstalt wurde 1838 gegrün det. Seit ihrem zwölfjährigen Bestehen sanden 191 Waisenknaben in derselben Aufnahme, 106 wurden confirmirt, nur 1 starb und 110 wurden entlassen. Auf die vier KreiSdirectionen unserö Vaterlandes vertheilen sich die 191 aufgenommenen Kinder, deren größerer Theil vom Lande, folgendermaßen: Dresden 48, Leipzig 22, Zwickau 49, Budissin 72. Von diesen Waisenknaben, deren Aeltern in überwiegender Zahl dem Tagelöhner- und Handwerkerstand« angehörten, waren 148 in der Ehe und 43 außer der Ehe geboren. Bei ihrem Abgänge aus der Anstalt gingen von den Zöglingen unmittelbar 44 zu Handwerkern oder Künst lern in die Lehre, 5 in Dienst überhaupt, 32 in landwirthschaftliche Dienste insbesondere, 4 als Gartenarbeiter, 2 zum Bergbau, 3 in an dere Anstalten und 20 in ihre Heimat zurück. Die ErztehungSresultate waren im Allgemeinen sehr zufriedenstellend. „Die meisten unserer Kin der", sagt der verdienstvolle Director Nikolai, „haben hier drei Stadien zu durchlaufen: daS erste ist die Periode des kindischen oder böswilligen Ungehorsams, das zweite die Periode der erzwungenen Gesetzmäßigkeit und das dritte die der freien Moralität, welche letztere zuweilen oft sehr spät ihren Anfang nimmt, ja bei Einigen dem Einflüsse deS Berufs lebens und den Einwirkungen des Geistes 'GotteS überlassen bleiben mußte." Nach einer annähernden Berechnung befinden sich in unserm Vaterlande ungefähr 20,000 verwaiste und verwahrloste Kinder unter 14 Jahren, wovon mindestens ein Drittel einer bessern Versorgung und Erziehung dringend bedürftig ist. Von diesen 7000 unglücklichen Kin dern sind dermalen nur 700 in den 15 geschlossenen Anstalten Sach sens und etwa 300 in offenen bei Pflegeältern und sonst gut unter gebracht; mithin müssen noch circa 6000 dieser hülfSbedürftigen Geschö pfe der öffentlichen und Privatmildthätigkeit recht angelegentlich empfoh len werden. Wiff-nschaft «nd «Kunst. * Dresden, 10. Aug. Seit meinem letzten Berichte (Nr. 408) hat sich die Kunstausstellung allmälig um manche neue erfreuliche Zierde vermehrt. Je schwächer das historische Fach vertreten ist, desto mehr darf ein von Röting (einem Dresdener, jetzt in Düsseldorf) eingcsendctcS Bild: „Columbus vor seinen Richtern in Salamanca", unsere Aufmerksamkeit beanspruchen, obgleich sein Hauptvorzug, daß eS sehr schön gemalt ist, eine tiefere Auffassung des Stoffes zu wünschen übrig läßt. Der Kopf deS Columbus ist etwas äußerlich und modern gehalten. Wie wir hören, ist das Gemälde von einem Theile der Ausstellungsgelder, die in diesem Jahre zum ersten male zu Ankäufen verwendet word'en sind, erworben wor den. Den Rest hat man an eine Himmelfahrt von Peschel gewendet. Eine Mi norität ^der Commission hatte mit Rücksicht darauf, daß schon aus dem Lindcnau- ftiftungsfonds und vom Kunstverein Historisches von jünger» Künstlern gekauft worden, vergebens dazu gerathen, eins der großen Bilder des Prof. Dahl, das ihn gerade in würdigster Weise repräsentirt, zu gewinnen, damit er auf der Ge mäldegalerie mit einem ausgezeichneten Bilde vertreten sein möchte, was bei einem altern Meister, wenn man sich nicht bei Zeiten vorsieht, mit jedem Jahre schwerer wird. Ein warnendes Beispiel ist bereits ein Bild von Friedrich auf der Galerie, das wahrlich nicht zeigen kann, was dieser Meister, gewesen, der so entzückend schöne Sachen geschaffen. Wartet man bis zum Alter oder gar zum Tode eines Künstlers, muß man in der Regel mit dem Schwächsten vorlieb nehmen, da daS in voller Kraft Geschaffene nicht mehr zu haben ist. Besucht ein Fremder unsere Gemäldegalerie, so muß man vor der Frage nach den Werken der dresdener Künst ler aus neuerer Zeit erröthcn. Es ist dringend nothwendig, daß so bald al« mög lich eine würdige Fortsetzung der Gemäldegalerie, die doch nicht bloS ein Bild äl terer Zeiten geben soll, in Obacht genommen und daß vor allem ein Fonds dazu herbeigeschafft werde. Hierzu könnte durch öffentliche Concertc, Theatervorstellun gen, Vorlesungen u. dzl. viel gcthan werden. Das beiläufig; wir fahren jetzt in unserm Berichte fort. Unter den Neuangekommenen Landschaften dürfen wir eine vom Grafen v. Kalckreuth nicht unerwähnt lassen, ein trefflich gemaltes Stück Natur von prä- ciser Zeichnung, ehe wir zur Betrachtung der Lhierbilder übergehen, unter denen un» eint von Guido Hammer alt bedeutend und ansprechend «ntgegentritt. Wir sehen bat Innere einet Gewölbet, in welchem theilt auf einem Tische, theil« von der Wand herabhängend, geschossene» Geflügel und Jagdgeräthschaften, Waf fen rc. aufgehäuft sind. Den Mittelpunkt bildet ein großer Reiher. In »ine« Nebengemach hängt au-gebrochene« Wild an der Wand vor einer Schlachtbank. Im Vordergründe beugt sich «in großer Jagdhund, der bat Ganze behütet, nach dem Lisch zurück. Die Gegenstände sind vortrefflich arrangirt, außerordentlich genau im Einzelnen studirt, gut in Stimmung und wahr in Farbe. Ein sehr angenehm wirkendes Genrebild hat det jüngere Dahl geliefert; ein Jagdhund, mit dem Kopf aut seiner Hütte schauend (leider weiß man nicht recht, wie er hineingekommen), sieht treuherzig überrascht einer Gesellschaft von Spatzen zu, welche sich an seinen Speiseresten gütlich thut. Auch «in paar Kaninchen an einem Krautkorbe sind so nett, daß man nicht begreift, wie derselbe Künstler dazu gekommen, ein Genrebild zu malen, da» seinen Namen trägt, wenigsten» et aut- zustellen. Wegener bringt Unterschiedliches, eine Scene in einer Menagerie, ein Genrebild mit Lhieren, die ein „Lhiermaler" besser malen sollte, und ein paar Aquarellen, die doch allzuflüchtig und unbedeutend sind, um nicht gerügt zu werden. Wegener hat weit Bessere« gemalt al« daS Beste, wat er dies mal autgestellt, und wir zweifeln nicht, daß er die Scharte auf das erfreulichste autwetzen werde; et fehlt ihm dazu nicht an Talent — möge eS ihm nicht an Strenge gegen sich fehlen. Ein mit einem Löwen kämpfender Beduine von Wolff hat gut studirte Einzeln» heitcn; daS Ganze ist unzulänglich und verfehlt in der Zeichnung. Vorzüglich ist ein Viehstück (Kühe) von Koeckoeck, sehr lvbcnSwerth ein änderet (Schafe) von Eberle, und ein drittes von Faber. Hierher möchte auch noch eine norwegische Landschaft mit Vieh, von Dunzer, zu rechnen sein. Die Viehstücke hören freilich nachgerade auf zu interessiren, wenn sic nicht aus dem allzu harmlosen Gtilleben auf ein lebendigeres Genrcterrain hinübergeführt werden. Dies thut z. B. Bürkel sehr glücklich (auf der Alm), mit noch mehr Frische Friedrich, der Sohn deS be kannten Meister«, auf seinen beiden trefflichen Bildchen: Morgen und Abend. Da wir hier wieder beim Genre angelangt sind, so haben wir Mehre« als sehr tüchtig zu bezeichnen. Ein rührendes Bild ist „Eine Andächtige mit ihrem schlafenden (leider unschön blinzelnden) Kinde" von Petzl. Ausnehmend warm in Farbe und harmonisch in Stimmung ist der „Beduine" von CretiuS. Ebenso rühmlich lassen sich die „Schlafenden Erntemädchcn" von Scholz hervorheben. An sprechend und gut gemalt, besonders in der interessanten Beleuchtung gelungen, ist „Der Verrath" von Köhler. Außerdem nennen wir noch eine „Scene in der Campagna" von Hase, ein gutes, aber doch nicht recht erwärmendes Bild, viel leicht weil uns derartige Gegenstände, in dieser Weise behandelt, schon zu ver traut sind; „Luther verkleidet in der Herberge" und ein angenehm wirkendes Bild chen von E. Seidel. ,, Von biblischen Gegenständen fesselt unsere Aufmerksamkeit eine „Ha gar mit ihrem Sohne JSmael" (der Kopf der Hagar ist sehr gelungen) von Si monson; eine Madonna von Plattner in Rom, die nicht ohne Eigenthümlichkcit ist, aber etwas zu sehr das Studium der italienischen Schule zeigt; „Die Flucht der Aeltern des Heilands" von Walther (den Stempel wahrer Innigkeit tragend) ; eine „Heilige Familie" von Schönherr, welcher nicht dieselbe künstlerische Gläubig keit inne zu wohnen scheint (Peschel'S Bild haben wir bereits oben erwähnt), und zwei hierher gehörige Zeichnungen von Genelli (die „Ruhe auf der Flucht" und die „Heilige Familie auf der Flucht"), die in der gewohnten genialen Manier ge macht sind, die ihm freilich neuerdings etwas zu bewußt zu werden scheint. Vor derhand bleibt uns nun noch übrig, über die plastischen Erscheinungen zu sprechen und vielleicht einige« Nachträgliche hinzuzufügen. Ueber jene in einem der näch sten Berichte. Handel «ad *Äer1in, 6. Aug. Die heutige Sitzung deS hiesigen Vereins zur Cen- tralisation deutscher Auswanderun und Colonisation begann mit dem Geschäftsberichte des Vorsitzenden, RegierungSrath vr. Gaeblfr. Man erfuhr dar aus, daß die Staatsregierung dem Vereine die Geldmittel zur Fortführung deS zur unentgeltlichen Rath - und Auskunftscrtheilung bestimmten offenen Bureau in einem reichlichen Maße zur Disposition gestellt hat. Die Wirksamkeit diese« Bu reau gewinnt täglich an Ausdehnung, ist aber dem großen Publicum noch immer nicht bekannt genug, um überall den Nachthcilen zu begegnen, welche durch ge wissenlose, daS Publicum durch die lügenhaftesten Vorspiegelungen zur Auswande rung verleitende Agenten hervorgerufen werden. Der Vorsitzende berichtete au ßerdem über ColonisationSprojecte, die dem Vereine vorgclegt sind, namentlich über daS deS Hrn. Castro in TejaS. Der VcrwaltungSrath kann die Lage und Frucht barkeit des dem Hrn. Castro gehörigen unweit San-Antonio belegenen Grants nicht in Abrede stellen, wird sich aber erst auf officiellem Wege die Ueberzeugung zu verschaffen suchen, ob auch die Besitztitelverhältniffe dieses Grant«, die früher nicht ganz klar gewesen, gegenwärtig regulirt seien. Hierauf hielt vr. Heising einen längcrn Vortrag über Südaustralien, welcher sich im Allgemeinen über die Zukunft der Colonisation von Südaustralien aussprach und derselben im Ganzen ein günstige« Prognostiken stellte. Derselbe gab jedoch zu, daß im Allgemeinen von Seiten der Engländer gegen die Deutschen ein ungerechtes und beinahe feind seliges Verfahren beobachtet und dadurch die Stellung der Deutschen gewisserma ßen eine gedrückte werde. Hr. Dahmenhau«, der Director des Hamburger Ver- ein« zum Schutze deutscher Einwanderer, sprach hierauf über von der peruanischen Regierung und dem Bevollmächtigten Hrn. Rodulfo gemachte Offerten. Er machte auf einige Punkte aufmerksam, welche dringend zur Vorsicht auffoderten, und seine Bemerkungen gaben zu einer längern Debatte Veranlassung, deren Resultat war, daß man allseitig anerkannte, wie die Anerbietungen der peruanischen Regierung, wenn ihnen die nöthigen Garantien der Verwirklichung gegeben würden, sehrvor- theilhaft für mittellose Auswanderer seien und daß von Seiten dieser Regierung ein sehr praktischer Weg cingeschlagen worden sei, um Einwanderer in das Land zu ziehen, man aber eben bei der Prüfung der zu federnden Garantien mit der äußersten Vorsicht zu Werke gehen müsse, und daß namentlich der Verein sich jeder B«fürwortung enthalten werde, bevor nicht von Seiten unser« Ministerium« der auswärtigen Angelegenheiten eine vollkommen zufriedenstellende Antwort eingegan gen sei. RegierungSrath Gäbler gab schließlich den zweiten Theil einer Beleuch tung des bereits in der vorigen Sitzung besprochenen Werks über deutsche Colo nisation in Mcjico von vr. B. v. Boguslawsky, und entwickelte nun auch die Hin dernisse, welche einer solchen zur Zeit noch entgcgenstehcn, und die hauptsächlich in den religiösen Zuständen, den mangelhaften Rechtsverhältnissen und schlechten Communicationsmitteln des Landes ^üMchen^sind. - Verantwortlicher Rcdacteur: Heinrich Brockhaus. — Druck und Verlag von U. -t, Brochhaus in Leipzig.