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ausübender Musiker, Lehrer, Organisator, Kri tiker und Propagandist zustande gebracht hat. So führte er als einer der bedeutendsten Pia nisten seiner Zeit und als angesehener Diri gent zahlreiche neue und unbekannte ältere Werke auf. Als Lehrer bildete er ganze Pia nistengenerationen aus. Daneben gab er vor bildliche kritische Ausgaben der Werke Vival- dis, D. Scarlattis, Bachs, Beethovens, Mozarts und Chopins heraus. Leistete Casella auf all diesen Gebieten zweifellos Außerordentliches, so ging doch die stärkste Ausstrahlung von seiner machtvollen schöpferischen Persönlich keit aus. ^^r am 25. Juni 1883 in Turin Geborene stu- in Paris bei Gabriel Faure, wirkte von 1915 bis 1923 als Klavierlehrer am Konserva torium Santa Cecilia in Rom und bis zu sei nem Tode als Professor für Klavier an dem gleichen Institut. Er genoß gleichermaßen ho hes internationales Ansehen als Komponist, Pianist, Cembalist, Kritiker und Schriftsteller. Zunächst beeinflußten ihn auf kompositorisch stilistischem Gebiet Mahler, Strauss, Debussy, Ravel und Strawinsky. Dann griff er auf For men und Meister der italienischen Musik des 17. und 18. Jahrhunderts, auf Komponisten wie Monteverdi, Scarlatti, Vivaldi u. a. zurück. Während des ersten Weltkrieges drang er bis zur Schwelle der Atonalität Arnold Schönbergs vor. Alle Anregungen, die Casella aus der Musik der Vergangenheit und Gegenwart empfing, gingen jedoch immer durch den Fil ter seiner persönlichen Sensibilität. So ent standen beispielsweise instrumentale Meister werke wie die „Scarlattiana" und „Paganinia- na“. Fünfzigjährig wandte er sich auch dem Musiktheater zu. Seine Oper „Frau Schlange", 1930 geschrieben, wurzelt in den Traditionen der italienischen Oper des 17. Jahrhunderts. &ein vielseitiges musikalisches Schaffen, das Hie Gattungen der Instrumental- und Vokal musik umfaßt, ist stilistisch unterschiedlich orientiert an der barocken, klassischen und impressionistischen Formen- und Ausdruckswelt. Es ist kein Zufall, daß eines seiner erfolgreich sten Werke jener Schaffensperiode entstammt, in der er sich mit der italienischen Volksmusik beschäftigte: die einaktige choreographische Komödie „Der große Krug" („La giara"), die 1926 in Dresden ihre deutsche Erstaufführung erlebte. Die Einflüsse der Volksmusik seiner Heimat halfen Casella in erster Linie, seinen künstle rischen Weg zu finden. In der Beschäftigung mit der Folklore Süditaliens, vor allem mit den rhythmisch bestimmten Formen der Tarantella und der Siciliano, fand er das musikalische Material, das seiner Musik nicht nur eine Bestimmtheit des Ausdrucks, sondern auch eine formale Klarheit und Festigkeit verleiht. Der Gestus süditalienischen Musikantentums spiegelt sich auch deutlich in dem 1926 ent standenen Concerto Romano für Orgel und Orchester op. 43 wi der. Die langsame Einleitung des 1. Satzes, Sinfonia, ist dem Orchester übertragen, das, nur mit Streichern, Blechbläsern und Pauken besetzt, die Holzbläser ausspart. Der lebhafte Allegro-vivace-Teil gibt sich virtuos-verspielt und setzt die beteiligten Instrumente mit kon- trapunktischer Durchsichtigkeit ein. Während sich die Orgel anfangs noch zurückhält, tritt sie im weiteren Verlauf in ein reizvolles Wech selspiel mit den begleitenden instrumentalen Partnern ein. Eine temperamentvolle Steige rung führt zum fulminanten Beschluß des Sat zes. Die Thematik des langsamen Mittelsatzes ist klassischen Vorbildern verpflichtet. Zart und verhalten konzertiert hier die Orgel mit den Streichern und dem meist zurückhaltend gedämpften Blech. In stetig ruhigem Fluß ver läuft die schöne melodische Linie, die am Ende in einem Orgel-Pedalsolo verhauchend aus klingt. In der Cadenza des letzten Satzes wer fen sich Streicher und Orgel im Frage- und Antwortspiel zunächst virtuos die Bälle zu, bis das Soloinstrument im rasanten Lauf das ge samte Orchester mitreißt, doch aber immer die Oberhand behält. Allmählich ebbt der Sturm der Kadenz ab und geht über in die hämmernde Motorik der Toccata. Diese fegt geschwind, aber vorerst noch dynamisch ver halten dahin, bis ein markantes Bläsermotiv, fugiert von den Streichern, das musikalische Geschehen anfeuert. Neuerlich verändert zeigt sich die Toccata kurz darauf mit einem derb einsetzenden Fugenthema im Dreiertakt, in den Streichern beginnend, übernommen von den Blechbläsern, von der Orgel sekun diert. Es bildet das thematische Material für den letzten Teil des Satzes, der alle musika lischen Energien anspannt, sich steigernd in Tempo und Dynamik, und in einem Allegro maestoso e trionfale zum grandiosen Ab schluß des Konzertes führt. Ludwig van Beethovens 8. Sin fonie F-Dur op. 93 folgte unmittelbar auf die 7. Sinfonie. Das Werk entstand wäh rend eines Kuraufenthaltes in den böhmi schen Bädern im Sommer 1812 und wurde nach einer handschriftlichen Bemerkung des Meisters auf der Partitur („Sinfonia Lintz in Monath October 1812") in Linz, wo er nach der Kur für einige Wochen seinen Bruder Jo hann besuchte, vollendet. Die erste Auffüh rung fand in einem eigenen Konzert Beetho vens am 27. Februar 1814 in Wien statt, zu sammen mit der „Siebenten" und der Pro grammsinfonie „Wellingtons Sieg oder die Schlacht bei Vittoria". Bei den Zeitgenossen fand die „Achte" zunächst wenig Anklang. „Das Werk machte keine Furore", hieß es in einer kritischen Stimme nach der Urauffüh rung. Beethoven zeigte sich darüber recht ver ärgert, er meinte, seine „Kleine Sinfonie" (so nannte er sie im Vergleich mit der „Großen" A-Dur-Sinfonie) habe den Hörern wohl des halb nicht gefallen, „eben weil sie viel besser ist". Der Grund für diesen Mangel an Ver ständnis lag nicht etwa in der besonderen Schwierigkeit des Werkes. Im Gegenteil, man hatte wohl nach den vorangegangenen Schöp fungen neue Steigerungen erwartet und war nun enttäuscht durch eine scheinbare Zurück wendung auf Vergangenes, die aber hier durchaus keinen Rückschritt, sondern eher einen Rückblick von einer höheren Stufe aus darstellte. Heitere Scherzhaftigkeit, beschau liche Behaglichkeit, launiger Humor, kraftvol le Lebensbejahung und ausgelassene Freude charakterisieren das formal bemerkenswert geschlossene Werk, in dem, wie auch schon in der 7. Sinfonie, wieder dem rhythmischen Element eine große Bedeutung zukommt. Der ohne Einleitung sogleich mit dem fri schen, klar gegliederten Hauptthema begin nende 1. Satz (Allegro vivace e con brio) ist voller schalkhafter Einfälle und kontrapunkti- scher Neckereien. Er steigert sich nach fröh- lich-tumultuarischen Kämpfen bis zum gewalti gen Freudenausbruch der Coda, endet dann aber sehr graziös mit dem noch einmal leise aufklingenden Kopfmotiv des fröhlichen, tän zerischen Anfangsthemas. Auf einen langsamen Satz verzichtend, schrieb Beethoven als 2. Satz ein bezaubernd anmu tiges, leicht dahintändelndes Allegretto scher- zando, das satirisch anspielt auf des Wiener Mechanikers Johann Nepomuk Mälzeis Me tronom: die Sechzehntelakkorde der Bläser zu Beginn, die gleichsam das Ticken des mecha ¬ nischen Zeitmessers nachahmen, bestimmen die Bewegung des reizenden, scherzhaften Satzes. Der 3. Satz (Tempo di Menuetto) erinnert an einen derbkräftigen Volkstanz, im Trio er klingt über Stakkato-Triolon der Violoncelli in Hörnern und Klarinetten eine einschmei chelnde, ländlerartige Melodie. Das Finale, der weitaus umfangreichste Satz, in freier Rondoform gehalten, stellt den eigentlichen Höhepunkt des Werkes dar. übermütige Laune, „grimmiger" Humor äußern sich hier in mancherlei drastischen Einfällen, — so gleich zu Anfang in dem (auch später wiederkehrenden) überraschenden, dynamisch stark betonten tonartfremdei^Hs, nach dem zuerst im Pianissimo im schnellsten Zeitmaß vorüberhuschenden F-Dur-Rondothe- ma, das dann im Fortissimo-Tutti gebracht wird. Das kontrastierende zweite Thema er klingt als lyrische Kantilene der Violinen. Mit größter kontrapunktischer Meisterschaft und bewundernswerter Erfindungsgabe, immer neuen geistvollen Wendungen und Kombina tionen bei der Wiederholung der Themen ist dieser Satz, der trotz des dominierenden Hu mors auch ernstere Gegenströmungen, schrof fe Einwürfe aufweist, gestaltet. Durch einen jubelnden, wirbelnden Freudentanz wird das Finale abgeschlossen. VORANKÜNDIGUNGEN: Sonnabend, den 25. Oktober 1986, 19.30 Uhr (Freiverk.) Sonntag, den 26. Oktober 1986, 19.30 Uhr (AK/J) Festsaal des Kulturpalastes Dresden 2. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Gastspiel der Prager Sinfoniker Dirigent: Petr Altrichter, CSSR Solist: Boris Krajny, CSSR, Klavier Werke von Ivan Parik und Antonin Dvorak Freitag, den 31. Oktober 1986, 19.30 Uhr (Anrecht A 2) Sonnabend, den 1. November 1986, 18 Uhr (Anrecht A 1) Festsaal des Kulturpalastes Dresden Keine Einführungsvorträge 3. PHILHARMONISCHES KONZERT Dirigent: Johannes Winkler, Leipzig Solist: Peter Rösel, Dresden, Klavier Werke von Matthus, Weber und Schumann Programmblätter der Dresdner Philharmonie Spielzeit 1986/87 Redaktion: Dipl.-Phil. Sabine Grosse Druck: GGV, BT Heidenau 111-25-16 2,85 JtG 009-57-86 Chefdirigent: Jörg-Peter Weigle Die Einführung zu Beethovens 8. Sinfonie schrieb Prof. Dr. habil. Dieter Härtwig EVP —.25 M 2 PHILHARMONISCHES KONZERT 1986/87