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I6ZL — Die Aattfleischessergesellschaft oder Veßvtül-ian Zovisl^, halte gestern in der FreemasonS' Tavern und unter dem Vorsitz des Par lamentsmitgliedes Brotherton ein Zweckessen. Die Speisekarte zeichnete sich vurch idyllische Einfachheit aus. Nach der Morning Post, welche den Verein mit dem Hohn eines aristokratischen Gourmand überschüttet, wa ren die Käsekuchen das genießbarste Gericht auf dem Tische; die Reis-, Sago- und Pilzpasteten, mit denen die Gäste ihren Magen füllten, er klärt sie für eine höchst abgeschmackte und modern sentimentale Neue rung. ES versteht sich, daß die Antifleischesser anch Wein und Spirl- 'tuosa in den Bann gethan haben (sie behaupten, daß geistige Getränke den Appetit auf Fleisch erregen); so wurde denn der Toast auf die Königin — koiribils cjietu!— in Milch, von Vielen gar in Wasser ge trunken. Der Verein zählt 718 Mitglieder und rühmt sich, darunter ei nen Alderman zu besitzen; alle Zeitungen berichtigen diese Angabe des VereinSsecretairS dahin, daß besagter Alderman gar kein rechter Alder man, nämlich kein londoner Alderman sei; er wäre sonst längst gezwun gen worden, seine von Schildkrötensuppen und gebratenen Ochsen unzer trennliche Würde niederzulegen. Haiti. Man schreibt dem Courrier du Havre aus Haiti: Der Kaiser Soulouque schont seinen neuen Adel nicht und verfolgt sehr energisch Alles, was einer Verschwörung gegen seine Regierung ähnlich sieht; so sind der Iustizminister sowie mehre Offiziere erschossen worden. Man führte sie zum Tode mit Musik, zwei und zwei aneinander gebunden; sie wurden auch in dieser Lage von 30—40 Soldaten erschossen. Die Sonnenfinsterniß am 28. Juli. Interessant ist der Bericht über die Beobachtung der totalen Sonnenfin sternis auf der Redlauer Höhe bei Zoppot. Um 3 Uhr 20 Minuten mitt lerer danziger Zeit wurde die erste Lhermometerbeobachtung angestellt und gab im Schatten 16" k., in der Sonne aber vermittels einer mit messingenem Ge fäß bedeckten frei Hangenden Thermometerkugel 20° Der Einschnitt der Mondscheibe in die Sonne war vermittels eines FrauenhoferS von nahe 2 Fuß und eines Dollonds von 2'/, Fuß, beide mit 1'/völliger Objectivöffnung, um 3 Uhr 3t Minuten so weit zu unterscheiden, daß der Anfang der Finstcrniß etwa eine Minute vorher stattgefunden haben mußte. Die nächste Viertelstunde war etwas verwaschener Himmel, später aber bis zum Eintritt der Totalverfinsterung ganz klar. Um 3 U. 58 M. Lherm. in der Sonne t8°, und um 4 Uhr im Schatten 15'/,°- Schon um diese Zeit begann nach der Windstille ein sanfter, etwas kühler Wind von Nord-West; um 4 U. 10 M. aber war wieder völlige Windstille. Bei einer 6zölligen Verfinsterung um 4 U. 2 M. trat die erste Spur eines orangefarbigen Lichte» der irdischen Gegenstände ein; 10 M. später war eine für Jedermann merkliche Lichtschwächung cingetreten, in Oxhöfft schon in abendliche Dämmerung gehüllt; Schwalben flogen scheu durch die Lust. Um 4 U. 8 M. Lherm. in der Sonne 17°, im Schatten 15°. Die Kraft de« BrennglaseS, die bis dahin ungeschwächt gewirkt hatte, ließ um 4 U. 13 M. bedeutend nach und um 4 U. 15 M. stellte sich wieder der sanfte Nord westwind ein. Bei O'/zzölliger Verfinsterung um 4 U. 18 M. zeigte sich über Oxhöfft ein dunkclgraueS Licht. Um 4 U. 21 M. Lherm. in der Sonne 16°; um 4 U. 23 M. versagt das BrennglaS seine Wirkung. Um 4 U. 25 M. bei I1zöl- liger Verfinsterung entschieden orangefarbige Beleuchtung der irdischen Gegenstände; in den letzten Minuten vor der Totalität nahmen die menschlichen Gesichter eine weiß grünliche Färbung an. Der Kernschatten des Mondes war in seinem Erscheinen und Vorüberfliegen auf dem Lande und auf der See nicht scharf begrenzt; er hatte eine sehr düstere, schwarz-violett-braune Färbung und über dem Horizonte wölbte sich ein hügelähnlicher Nebel. Um 4 U. 28 M. Lherm. in der Sonne 15°. Der letzte Sonnenstrahl verschwand um 4 U. 30 M-, nachdem schon einige Secunden vorher die Lichtkrone (besser Strahlenkranz genannt) sich zu bilden angefangen hatte. Der Eintritt der Dunkelheit war mit dem Erlöschen deS Sonnenlichts plötzlich;' dieser Augenblick brachte, verbunden mit dem nun in glänzender Pracht aufblitzenden Strahlenkränze und dem Hervortreten der Sterne, einen Ausdruck des freudigen Erstaunens in der versammelten Menge hervor. Das zurückgebliebene Dämmer licht war etwa so hell wie das des Monde» im ersten und letzten Viertel, und man konnte auch feingedruckte Schrift lesen, desgleichen die menschlichen Gesichts züge unterscheiden, jedoch konnten die Secunden von dem an der Uhr Beobachten den nur bei größerer Annäherung der Uhr an das Auge angegeben werden. Der Strahlenkranz hatte bei sehr intensivem, aber nicht blendendem Lichtglanze die größte Aehnlichkeit mit einem Heiligenschein; er bildete einen weißglänzenden Ring von einer dem halben Mondhalbmesser gleichen Breite, aus welchem zwölf bis vierzehn unter gleichen Winkeln gegeneinander geneigte weiße Strahlen von der Größe deS ganzen MondhalbmesserS hervortraten; diese Strahlen schienen am obern Mondrande etwas größer als am untern zu sein; eine Veränderung oder Bewegung war an ihnen während der Drei-Minutendaucr der Totalfin sterniß nicht zu bemerken; auch verlor ihr Glanz wenig von seiner Wirkung, wenn man sie mit einem Fernrohre und daran angebrachtem hellgrünem Blend glase betrachtete. An der rechten Seite, etwas nach unten, zeigten sich, sowol mit bewaffnetem als mit unbewaffnetem Auge betrachtet, zwei strahlend rothe Lichtpunkte; der obere erschien zuerst und eine halbe Minute später der un tere, um einen Bogen von fast 45° von ihm entfernt. Von den meisten Be obachtenden wurden drei Sterne, Venus, Mercur und Jupiter, vorzüglich die erstere in schönem Lichte, von Einigen aber vier Sterne, der vierte im Osten mit Jupiter in gleicher Höhe, gesehen, und sie blieben in ihrem Glanze während der drei Minuten der Lotalfinsterniß ungeschwächt. Mehre Sterne zu unterschei den hinderte das nunmehr wieder eingetretene leichte Gewölk am südlichen Him mel, welches in einem imposanten Lichtglanze, in eigentümlicher, fast nie gese hener Färbung, nämlich bräunlich-violett, erschien. Ein kleines Wachtelhündchen kauerte sich zusammen und war auf dem Schoose seiner Herrin dem Einschlafen nahe; ein größerer Jagdhund ward etwas unruhig und unstät in seinen Bewe gungen; dagegen schien die Totalfinsterniß auf einen sehr lebhaften Pinscherhund gar keinen Eindruck zu machen, indem derselbe auf den Wink seines Herrn bei einem Steinwurfe, wie sonst gewohnt, aufmerkte. Am zoppoter Seestrande will man fünf Sterne gesehen haben. Die Pferde daselbst wurden während der Lo- talfinstrrniß ängstlich und drängten sich zusammen; die Hühner begaben sich in ihre Ställe, um die nächtliche Ruhe zu suchen; mit dem Wiedererscheinen de« er sten Lichtstrahl« aber fingen alle Hähne an zu krähen. Zwei Hunde waren wäh rend der totalen Finsternis eingeschlafen. Bei Schweinen ließ sich keine Verän derung wahrnehmen; die Vögel dagegen flatterten scheu hin und her. Die Tem peratur hart am Strande war empfindlich kühl; die Baumwipfel im Dorfe schie nen mit einem grünen Flor überzogen. Die Gesichter der Menschen nahmen da selbst eine Leichenfarbe an. In dem Augenblicke des Erscheinens deS ersten Licht strahl» eilte über die Sandflächen am MeereSgestande ein weißliche», wellenartig zitternde», magische» Licht, dem Auge schnell entschwindend. Da» Erscheinen deS eisten Lichtstrahl» um 4 U. 33 M., gleich einer plötzlich aufflackcrnden Leucht kugel in diamantenem Lichte, brachte in der ganzen Gesellschaft eine sehr behag liche, auf allen Gesichtern strahlende Freude hervor; diese Stimmung schien be günstigt zu werden durch die milde, einer schönen Sommernacht ähnliche Tempe ratur, welche während der totalen Verfinsterung geherrscht hatte. Es dauerte nur wenige Minuten, bi» die Erleuchtung den Eindruck des vollen Tageslichts auf das Auge machte; hierbei stieg da» Thermometer in folgender Weise: Im Schat ten um 4 U. 33 M. 13°, 4U. 37 M. 13'/,°. Um 4 Uhr 39 M. waren Mer cur und Venus noch mit unbewaffnetem Auge sichtbar; um 4 U. 44 M. zündet das Brennglas wieder, und die Sterne sind nicht mehr sichtbar; Thermometer in der Sonne um 4 U. 47 M. 14°, um 5 Uhr 15°. Um 5 U. 4 M. war die Verfinsterung noch etwa» über 4 Zoll; um 5 U. 7'/, M. Thermometer in der Sonne 16°, im Schatten 13°, 8; um 5 U. 12'/, M. Verfinsterung noch 2'/, Zoll, um 5 U. 17 M. 2 Zoll; Thermometer in der Sonne 17°. Um 5 U. 24 M. waren nur noch Zoll verfinstert; das Thermometer war in der Sonne 17° geblieben, im Schatten aber auf 14°, 1 gestiegen. Um 5 U. 31 M. gänz licher Austritt deS Mondes aus der Sonnenscheibe, worauf heiteres, schönes Wet ter bis zum Schluffe des Tages blieb. Königsberg, 28. Juli. Der heutige Nachmittag lockte einen großen Theil der Bevölkerung auf die hoch gelegenen Punkte der Stadt, namentlich auf die Kirchthürme und Wälle, um das Schauspiel der Totalfinsterniß zu beobachten. Dasselbe wurde durch einen ganz und gar wolkenleercn Horizont begünstigt; die totale Verfinsterung der Sonne, welche hier 3 Minuten I Secunde währte, brachte eine starke Abenddämmerung zuwege, während welcher Jupiter, Mars und Ve nus mit bloßem Auge sichtbar waren. Auf unserer Sternwarte observirten Astro nomen aus Bern, Bonn, Leipzig und Petersburg, während andere aus Paris, Wien, Palermo und andern Orten, theils in Danzig, theilS in der Umgegend die ser Stadt ihre Beobachtungen anstellten. — Aus Westpreußen wird berichtet, daß man unmittelbar nach dem Auf hören der Sonnenfinsterniß auf den Gewächsen Honigthau gefunden habe und ein feiner Regen gefallen war, der sich über ein Achtel einer Quadratmeile erstreckt haben mochte. — In Wien wurde während der Sonnenfinsterniß am 28. Juli von einem Beobachter die Bemerkung gemacht, daß sich die Ameisen kurz nach Beginn der Verfinsterung eiligst gegen die Haufen zogen und vor den vielen Ocffnungen der selben anhäuftcn, ohne selbst ins Innere zu dringen. Sekundenlang blieben die Lhiere wie verdutzt, spähten ängstlich mit ihren Fühlhörnern nach allen Seiten und schloffen sich endlich immer enger aneinander. Kurz vor dem Momente der größten Verfinsterung aber zuckte zugleich die ganze Masse drei bis vier mal so stark, als ob sie von einem elektrischen Schlage berührt worden wäre. — Der Kuryer Warszawski erzählt folgende wunderbare Wirkung der Sonnensinsterniß: Die Sonnenfinsterniß hat auch einen moralischen Einfluß auf die Menschen geübt. Es wird nämlich erzählt, daß ein Spitzbube einen Pfand brief von großem Werthe, den er vor mehren Jahren gestohlen, dem Eigenthümer zurückgestellt hat. — Die bedeutendern Sonnenfinsternisse, welche wir in unserm Jahrhundert zu erwarten haben, fallen auf den 15. März 1858, den 18. Juli 1860, den 6. März 1867, den 22. Dee. 1870 und den 19. Aug. 1887, welche letztere an einzelnen Plätzen beinahe total sein wird. Im folgenden Jahrhundert werden am 17. April 1912 und am 3. Febr. 1916 Sonnenfinsternisse eintreten, und letztere zwar als eine totale. Vor dem Jahre 2000, oder bis zum Ende des 20. Jahrhunderts, haben wir dann keine totale Sonnenfinsterniß mehr. Wissenschaft und «Kunst. ** Dresden, 3. Aug. Unsere dresdener Localpresse hat glücklich eine kleine Feuilletonrevolution überstanden, mit deren Errungenschaften unser Publi cum sich bereits sehr zufrieden erklärte. Die gewandte Zusammenstellung des Feuil leton im ehemaligen Siegel'schen Journale hatte bekanntlich selbst außerhalb Sach sen gerechte Anerkennung gefunden. Man durfte deshalb das neubcgründete Neue Dresdner Journal beglückwünschen, als es beim Umzug auf die Marienstraße die bewährten dresdener Kunstkritiker C. Banck und O. A. Banck für sich gewann. ES ist bekannt, wie kurz das Leben deS Siegel'schen Unternehmens war; das neue Journal ward verboten, seinen Feuilletonisten aber war das Verbot nur eine Logisverän- derung. Dieselben richteten sich in dem breiten Souterrain der Sächsischen Constitu- tioncllen Zeitung recht behäbig ein und die jahrelange Gewöhnung ließ das ihnen befreundet gewordene Publicum voll Interesse seine Lectüre mit den Novitäten un tern; Doppelstrich beginnen. Allein, ich weiß nicht, woran es gelegen, in derletz- tern Zeit ist diesem Interesse sehr karge Befriedigung geworden. Unser Publicum fo- dert andere Anregung, als sie ihm durch das ausschließliche Anstreichen einzelner Stellen aus neuen Büchern zum Abdruck geboten wird. Solche Abdrücke können wol ein Theil deS Feuilleton sein, sie dürfen dasselbe aber nicht vertreten. Am 1. August überraschte plötzlich die Sächsische Constitutionelle Zeitung durch eine piquante „Dresdener Wochen-Chronik", die an französische Vorbildeer erinnert, aus der Feder des PseudonymuS Leonhard Falck. Die folgende Nummer brachte eine Novelle von Schlönbach, die dem Vernehmen nach sich auf sechs Blätter ver theilen wird und hintenan schüttete ein Dreiecksmann einen ganzen Korb voll Kunstnotizen aus; gleichzeitig führten sich die Banck mit einer literarischen und einer Kunstbesprcchung im alten Dresdner Journal wieder ein. Befremden, Stau nen, Ueberraschung. Und die Lösung? Sie soll folgende sein: Infolge der Wahl Siegel'S zum Bürgermeister in Glauchau schien die Fortexistenz der Sächsischen Constitutionelle» Zeitung in Frage gestellt. Den HH. Banck, die in dem letztge dachten Blatte nicht eine politische, sondern nur eine Kunstrichtung vertreten, ,lag daran, sich die Möglichkeit fernerer Wirksamkeit in einem Gebiete zu erhalten, auf dem sic Jahre lange mit Ehren bestanden haben, und so knüpften sic die Un terhandlungen mit dem Dresdner Journal an. Die Ermattung der letzten Mo-