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eine kurze Largo-Episode mit schwebenden Geigenklängen eine feierliche, geheimnisvoll mystische Stimmung herauf — die motivische Andeutung von Gefahren, die dem Liebespaar fast zum Verhängnis werden. Nun entwickelt sich ein in den tiefen Streichern beginnendes Fugato, das allmählich wieder zu den Motiven des Anfangs überleitet. Mit der Wiederaufnah me und Vereinigung der beiden Themen der Einleitung wird in einem jubelnden, strahlen den Hymnus schließlich der Sieg des Guten gefeiert. „Mit dem .Lohengrin' nimmt die alte Opern welt ein Ende", sagte Franz Liszt über R i - chard Wagners viertes Bühnenwerk. Zwischen 1845 und 1848 in Marienbad — Grau pa - Dresden entstanden, ging es mit seinem Schöpfer nach dem Dresdner Maiaufstand in die Verbannung, bis sich Freund Liszt seiner annahm und es 1850 zur Goethe-Feier am Weimarer Hoftheater uraufführte. Nun trat die Oper ihren Siegeszug durch Deutschland und bald auch über die Landesgrenzen hinaus an, aber Wagner selbst war es erst 1861 in Wien vergönnt, sein Werk zu erleben. Den Sinn der „Lohengrin"-Handlung umreißt Wagner so: „Auf dem blauen Spiegel der Wo gen nahte ein Unbekannter von höchster An mut und reinster Tugend, der alles hinriß und jedes Herz durch unwiderstehlichsten Zauber gewann . . . Der Unbekannte verschwand und zog über die Meereswogen zurück, sobald nach seinem Wesen geforscht wurde ..." „Aus den .Mitteilungen an meine Freunde' weiß man, in welcher Stimmung sich der junge Dresdner Hofkapellmeister 1845 dem .Lohen grin' zuwandte. Wagner fühlte sich damals, ent täuscht über den Mißerfolg seines .Tannhäuser', als Unverstandener; er flüchtete sich in eine .schwärmerisch-sehnsüchtige' Stimmung und suchte nach einem .Verstandensein durch Lie be 1 . So gestaltete er letztendlich im romanti schen Schicksal des gottgesandten Gralsritters das eigene: seinen Traum vom Priestertum der Kunst und Heilsbringer der Gesellschaft, die Tragik des schöpferischen, von der Mitwelt ver kannten Genies. Wie Lohengrin sehnt sich der höhergeborene Künstler nach einer menschli chen Gemeinschaft, einer Liebe, die nicht be wundert, die nicht nach ,Nam‘ und Art' fragt, die ihn als Menschen umfängt." (Ernst Krause). Obwohl im „Lohengrin" wie in Webers „Eury- anthe" ein märchenhafter, idealistisch verklär ter Stoff gestaltet ist, auch hier die Sicht auf „gute" und „böse" Handlungsträger roman tisch eingegrenzt erscheint, nimmt dieser doch einen festen Platz in der deutschen National oper ein. Wagner tritt mit seinem Werk auf die Schwelle zum Musikdrama. Er musikalisiert Sprachrhythmus und Wortmelodie, umgibt die mystischen Gralsritter-Vorgänge auf der Bühne mit volkstümlich-beredter, großer, stark cha rakterisierender Musik. Richard Strauss sieht in der „Lohengrin"-Partitur die Anfänge der modernen Instrumentation. Das Thema des Grals, dem „kostbaren Gefäß, aus dem einst der Heiland den Seinen den letzten Scheide gruß zutrank und in welchem dann sein Blut . . . aufgefangen . . . wurde“, (Richard Wag ner), entwickelt eine bis dahin noch nicht ge- kannte Transparenz des Klanges. Es wird MB tragen von vielfach geteilten, schwebencSi Streicher- und Holzbläserklängen in hohen La gen. Das „Böse“ setzt sich dagegen ab durch düster-dämonischen Ausdruck in den tiefen Streichern und Bläsern. Damit ist zugleich der Beginn des — zuletzt komponierten — „Lo hengrin “-Vorspiels gekennzeichnet, der die musikalische Keimzelle des gesamten Werkes enthält: die Modulation vom hellen, zarten A-Dur Lohengrins zum schaurigen fis- Moll Ortruds. Die Musik steigert sich dann zu höchster Verzückung. Sie gipfelt in der weihe vollen Wiederkehr des Gralsthemas in Trom peten und Posaunen und verklingt leise, wie sie begann. Carl Maria von Weber war ein her vorragender Pianist. Der Würzburger Klavier virtuose Johann Franz Xaver Sterkel bezeich nete Weber 1815 als „den größten Klavierspie ler, den er gehört habe“. Der Berliner Zoologe Heinrich Lichtenstein, ein Freund des Kompo nisten, überlieferte in seinen „Erinnerungen" ein Bild des Klaviervirtuosen und Improvisators Weber: „Auf ein Lied von Haydn entwick^^ Weber eine dreistimmige Fuge im CharaHB in der poetischen Grundstimmung des Ge dichts, mit verwegensten Wendungen, Umkeh rungen und rhythmischen Verschiebungen. Sein Phantasieren in solchen Stimmungen unter schied sich sehr von allen ähnlichen Kunstlei stungen. Bei Weber war es, als ob er in die sen Augenblicken erst das Organ fände, seine innersten Empfindungen vertrauten Freunden zu enthüllen. Mit mutwilliger Keckheit in den glänzenden Passagen und mit hinreißendem Feuer im Fortschreiten vollgriffiger Akkorde steigerte er den Beifall . . .". So hat er seine zahlreichen Klavierwerke, darunter Variatio nen, Sonaten, die „Aufforderung zum Tanz", drei Klavierkonzerte, in erster Linie für seinen persönlichen Gebrauch geschrieben. Eine außerordentliche virtuose Brillanz, Läufe, Tril ler, Terz-, Oktav- und Dezimengriffe (Weber besaß eine ungewöhnlich weite Handspanne), prägen das anspruchsvolle technische Bild der Kompositionen. Während sich das dritte seiner Klavierkonzerte, das unter dem Namen „Kon zertstück“ bekannte in f-Moll op. 79 (1821), dauernd in hoher Gunst bei Interpreten und Publikum halten konnte, haben Aufführungen des 1. und 2. Klavierkonzertes (Es-Dur op. 32, 1812) heute Seltenheitswert. Dabei handelt es sich auch hierbei um liebenswürdige, geistvolle und musikantische Schöpfungen, in der Hal- vorwiegend chevaleresk, virtuos. 0s Klavierkonzert Nr. 1 C-Dur o p. 1 1 — in Mannheim und Darmstadt 1810, also im Alter von 24 Jahren komponiert und am 19. November 1810 in Mannheim erstmals als Ganzes aufgeführt — steht zwischen Haydn, Mozart und Beethoven. Trotz seines klassischen form- und stilgeschichtlichen Platzes kommt das „Romantische“ der Weberschen Sprache in der melodischen Gestik und in den harmo nischen Modulationen schon zur Geltung, be sonders in der tief empfundenen, schwärmeri schen Poesie des Adagios mit seinem Klang- und Stimmungszauber, den „Harfeneffekten" des Soloinstrumentes. Dennoch herrschen auch hier die Ideale klassischer Klarheit, die in fest lich-froher Stimmung, jugendlicher Elastizität und Freudigkeit mit glänzender Virtuosität und Brillanz vollends die beiden Ecksätze bestim men. Schon die gewählte Grundtonart C-Dur ist klar und hell, und die Melodien, die Weber zu Trägern seiner musikalischen Einfälle ge macht hat, sind klar geformt und übersichtlich gestaltet. Der kraftvoll bewegte erste Satz hat marschartigen Charakter, geprägt vor allem durch den punktierten Rhythmus des die Orche- «einleitung eröffnenden ersten Themas, mit 1 auch der Solist in das musikalische Ge- jhen eingreift. Der „militärische" Zug des Stückes läßt daran denken, daß es am Vor abend der Freiheitskriege entstand. Die Grundstimmung des letzten Satzes ist die eines brillanten Walzers, womit sich Weber volkstüm lichen Bereichen der Musik mit viel Glück nä herte. (Prof. Dr. Dieter Härtwig) Bei seinen Instrumentationsstudien mußte R i - chard Strauss über Wagner (siehe oben) natürlicherweise zu Weber gelangen. Schon in seinem frühen Hornkonzert erweist er dem „Freischütz"-Komponisten Reverenz. „Instru mentaldichter und Farbendeuter'' nennt er ihn, der „den Chor der Instrumente zu beseelten Gruppen und schließlich sprechenden Indivi duen zu entwickeln" vermochte. Die Studien der Weberschen Partituren haben sich bei Strauss im Orchesterklang deutlich niederge schlagen. „Man vergleiche den stürmischen Anlauf und die erregende Aufwärtsbewegung zu Beginn der Ouvertüre zu .Euryanthe' mit dem geschmeidig sich hochschnellenden Kopf thema des Straussschen ,Don Juan', Prototyp so vieler anderer Straussscher Motivprägun gen — es zeigt sich hier wie dort die gleiche oder doch ähnliche suggestive Gewalt, die schon in der ersten Ansprache mitreißt und überwältigt, eine Brillanz, die der jüngere Mei ster zwar in sich selbst gefunden, aber am Beispiel des älteren zurechtgeschliffen hat.“ (Karl Laux) Solcherart beeinflußt zeigt sich auch Strauss' Tondichtung o p. 3 0 „Also sprach Zarathustra." „Der junge Nietzscheaner hatte das Bedürf nis, die Stimmungen und Reflexe aus der Lek türe des .Zarathustra' in einem Stück Pro grammusik niederzulegen. Die zeternden Zeit genossen bekamen es schon bald zu spüren: mit .vertonter Philosophie' hatte das nichts zu tun. Was man in diesem neuen feuertrunkenen Tongedicht zu hören bekam, war weder das klangliche Porträt des frechen .Übermenschen' noch die tönende Widerspiegelung des patho logisch übersteigerten Weltbildes des Dichter- Philosophen. In Wahrheit hat Strauss hier nicht die Philosophie Nietzsches in Klänge übertra gen, sondern nur den lyrisch-hymnischen Ge halt des Zarathustra-Buches zum Ausgangs punkt seines Werkes genommen. Daß es letzt lich nur eine musikalische Volksausgabe Nietz sches wurde, gerade das Gegenteil einer in tellektuell scharfen, gedanklich klaren Kompo sition, muß in diesem Falle geradezu versöhn lich stimmen. Der große Prophet steigt vom Berge herab — aber so gründlich, daß er im Tiefland einer höchst unphilosophischen, ge sund-diesseitigen Stimmungsmusik anlangt. Und doch ist auch der Lebenshymnus .Zara thustra' ein gutes Stück Strauss. Man braucht nur die der sinnenhaft leuchtenden, spürbar südlich empfundenen Partitur mitgegebenen Nietzsche-Verse anzuführen: ,Zu lang hat die Musik geträumt; jetzt wollen wir wachen. Nachtwandler waren wir, Tagwandler wollen wir werden.' Der Widerspruch zwischen dem diesmal rein abstrakten Ideenprogramm des philosophie-