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MALCOLM FRAGER, 1935 geboren, stammt aus St. Louis. Mit 8 Jahren bereits gab er erste Konzerte und begann seine Studien als 14jähriger in New York. Sein Lehrer an der dortigen Columbia-Uni versität war Carl Friedberg, der letzte Schüler von Johannes Brahms. Seine internationale Karriere begann, als er als 1. Preisträger aus dem Leven tritt-Wettbewerb in New York und dem Königin- Elisabeth-Wettbewerb in Brüssel hervorging. Heute zählt der Künstler zu den besten Pianisten seiner Generation. In den USA, in Europa, wo er jährlich 3 Monate konzertiert, in Japan und Australien ist er in allen Musikzentren und bei den bedeutend sten Orchestern ein gefragter Solist. Von seinem weitgespannten Repertoire, das sowohl Konzert ais auch Solo- und Kammermusikliteratur umfaßt, zeugen auch zahlreiche Schallplattenaufnahmen. ZUR EINFÜHRUNG Zwischen dem kompositorischen Schaffen von Carl Maria von Weber und R i - c h a r d Wagner knüpfen sich unlösbare Fäden. Wagners Weg ist ohne Webers Vorbild in „Euryanthe" und „Oberon" nicht denkbar. Wagner vollendete die Idee vom einheitlich durchkomponierten Musikdrama, die vor ihm Weber theoretisch in seinen Schriften und prak tisch in seinen großen Opern verfochten hatte. Aber auch in der Biografie Wagners sind un mittelbare Bezüge zu Weber und zudem noch i^Dresden zu finden: Richard Wagner wurde M dem Probedirigat der „Euryanthe" Anfang ^843 Webers Nachfolger als Königlich sächsi scher Hofkapellmeister in Dresden. Bereits 1844 engagierte sich Wagner für die Überführung von Webers Sarg von London nach Dresden. Als Webers sterbliche Hülle am 14. Dezember in Dresden eintraf, wartete hier eine riesige Menschenmenge, die den verehr ten Toten zum Katholischen Friedhof in der Friedrichstadt geleitete. Die Trauermusik, ge spielt von 80 Bläsern und 20 Trommlern, hatte Wagner aus Motiven der „Euryanthe" arran giert. Wagner sprach auch selbst die Grab rede mit den berühmten Sätzen: „Nie hat ein deutscherer Musiker gelebt als du! . .. Sieh, nun läßt der Brite dir Gerechtigkeit widerfah ren, es bewundert dich der Franzose, aber lie ben kann dich nur der Deutsche . . .". Der 21jährige Wagner hatte noch wesentliche Vorbehalte gegenüber der „Euryanthe". Nach dem er aber die Partitur studiert und die Per spektiven erkannt hatte, die Webers Musik er öffneten, fand er die Grundwerte für sein eige nes Schaffen. Die wegweisende Funktion der „Euryanthe" charakterisierte Eduard Hanslick: ^An dieser Oper hat Wagner faktisch ange- ^Bpft, mit seinem dramatischen Prinzip sowohl cm auch mit tausend musikalischen Remi niszenzen. Das nachdrückliche Voranstellen der deklamatorischen Schärfe vor die rein musika lische Schönheit, das fortwährende charakte risierende Farbenmischen im Orchester, das Verflößen von Rezitativ und Kantilene, die bis her ungewohnten Begleitungsmassen: an die se Elemente konsequenter Dramatisierung der Musik knüpfte Wagner, der raffiniertere Musi ker, seine Reformen." Daß Weber damit be gann, das Rezitativ in die dramatische Gestal tung der geschlossenen Form einzubeziehen, war eine Voraussetzung für die Formulierung der Wagnerschen „unendlichen Melodie". Er- innerungs- oder Leitmotive, die sich schon in Spohrs „Faust"-Oper und vor allem im „Frei schütz" angekündigt hatten, führen als wich tiges musikdramatisches Charakterisierungs mittel ebenfalls von Weber zu Wagner, der sie zu einem System ausbaute. Es fällt nicht schwer, auch eine inhaltliche Beziehung zwi schen „Euryanthe" und „Lohengrin" herzustel len, gibt es doch dort eine ähnliche Konstella tion zwischen „gutem" Paar (Graf Adolar/ Euryanthe bzw. Lohengrin/EIsa) und „bösem", „dämonischem“ Paar (Graf Lysiart/Eglantine bzw. Telramund/Ortrud). Im Gegensatz zu ihrer musikhistorischen Be deutsamkeit blieb Carl Maria von Webers Oper „Euryanthe" auf der Bühne ein Stiefkind. Trotz anfänglichen Erfolges nach der Urauffüh rung am 25. Oktober 1823 in Wien, der wohl mehr der Person des durch seinen „Freischütz" bereits weltberühmt gewordenen Komponisten galt, konnte sich das Werk durch das unzuläng liche, verworrene Libretto der Dichterin Hel mine von Chezy (1783—1856) nicht im Reper toire der Musikbühnen halten. Einen erneuten Wiedererweckungsversuch unternimmt die Deut sche Staatsoper Berlin zu den Carl-Maria-von- Weber-Tagen der DDR am 15. November 1986. Ähnlich wie bei Webers letzter Oper „Oberon", die gleichfalls unter einem wenig bühnenwirk samen Textbuch leidet, sind von der herrlichen Musik des Komponisten bei beiden Werken eigentlich nur die Ouvertüren lebendig geblie ben, die als wirkungsvolle, glänzende Orchester stücke mit Recht zu den beliebtesten Schöpfun gen Webers gehören und häufig im Konzert saal begegnen. Wie in der Ouvertüre zum „Freischütz" wird auch in der „Euryanthe "-Ouvertüre der Grundgedanke der Oper zum Ausdruck gebracht: der Sieg des Guten über das Böse — die Überwindung feindlicher, böser Mächte durch die standhafte Liebe eines edlen jungen Paares. Der Oper entnommene Motive werden in diesem Sinne programmatisch miteinander verbunden, jedoch bedarf es zum Verständnis des äußerst plastisch gestalteten Werkes kei neswegs einer genauen Kenntnis der im ein zelnen nicht eben logischen, sehr verschlunge nen Handlung, die im mittelalterlich-ritterli chen Milieu spielt. Das heroisch-stolze Marsch thema zu Beginn der Ouvertüre gibt eine all gemeine Einstimmung in die Welt ritterlichen Glanzes. In einem gesangvollen Seitenthema erklingt die schwärmerische Liebesweise des Ritters Adolar, des Helden der Oper. Nach einem spannungsreichen Übergang beschwört