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1574 Ueber den RepublikanismnS der Municipalitäl geht der Präsident schwei gend hinweg. — Die Commission hat sich für Verlängerung deS Theaterpvli- zeigesetzeS auf ein Jahr erklärt. AuS den vom Minister vorgelegten Documenten ist ersichtlich, daß die.Theatercensurcommission binnen Jah resfrist von 366 Stücken 103 unverändert, 234 mehr oder weniger mo- dificirt angenommen und 29 verboten hat. — Faucher, verdutzt durch das kühle Benehmen seiner ehema ligen Freunde in der Versammlung seit dem letzten Tadelövotum, hat gestern dem Präsidenten abermals seine Entlassung angeboten. Der Präsident hörte ihn ruhig an und fragte ihn dann: „Wem, glanben Sie, hat das MontagSvotum gegolten, mir oder Ihnen?" Prinz, ant wortete der Minister, eS galt der Erecutivgewalt wie den Ministern. „Da nun ich trotz meiner Verantwortlichkeit nicht meine Entlassung gebe, — versetzte der Präsident — kann ich auch die Ihrige nicht annebmen." Paris, 25. Juli. Die herannahende Prorogation läßt eS alle Parteien fühlen, daß sie Alles aufbieten müssen, um für die ereigniß- reiche Epoche von 1852 vorbereitet zu sein. Man weiß, daß der Prä sident seinerseits Alles anwenden wird, nm der Legislativen durch den Druck von außen den Muth zu benehmen, einem zweiten Revisionsver- suche zu widerstehen. Die rein negative Haltung der gesetzgebenden Ver sammlung kann natürlich dem Lande gegenüber nicht genügen und die constitutionellen Parteien in der gesetzgebenden Versammlung sind also ans die Nothwendigkeit verwiesen, dem Lande einen constitutionellen Can didaten zu empfehle». Die Assemblee nationale hat zuerst in der Presse diesen Gedanken in Anregung gebracht und die Opinion publiqne hat sich beeilt, ihm beizustimmen. Doch diese beiden royalistischen Organe haben eben nicht auf einen großen Anhang zu zählen und es ist über dies bekannt, daß die Masse ihrer Partei am Ende wieder für Ludwig Bonaparte stimmen würde, wenn sich die republikanische Partei nicht in einen Candidaten vereinigt, welcher den Befürchtungen der sogenannten parlamentarischen Rechten nicht von vornherein begegnete. Die Mon tagne scheint dies zu fühlen und ihre Mitglieder haben beschlossen, nicht nur die gesammte Linke, sondern auch die Mitglieder der sogenannten TierSparti zusammenzuberufen, um sich über Aufstellung eines gemein schaftlichen Candidaten für die Präsidentur der Republik zu verstän digen. Hieraus ginge hervor, daß die äußerste Partei der Republik auch ihrerseits auf jede inconstitntivnelle Candidatur verzichte, und wenn diese Bemühungen von Erfolg gekrönt werden, erleidet Ludwig Bona- parte's Wiederwahl — selbst die inconstitutionelle — einen großen Stoß. Namentlich wenn die Verständigung der Oppositionspartei schon jetzt ge schieht und sie Zeit genug vor sich hat, für ihren Candidaten thätig zu sein. Die große Schwierigkeit für jeden andern Candidaten als Napo leon besteht nämlich eben darin, bis zum Landvolke zu dringen. Die Vertagung der Legislativen, welche die Parteithätigkeit unserer Politiker so sehr aufstachelt, dürfte schon nächste Woche ausgesprochen werden. Der Nrlaubsauöschuß, der über die diesfallsigen Anträge verhandelt hat, schlägt eine Vertagung vom 10. Aug. bis zum 20. Oct. vor. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird die Legislative den Vorschlag der genann ten Commission mit großer Mehrheit genehmigen. Großbritannien. London, 25. Juli. Das Unterhaus tagte gestern zum ersten male in diesem Jahre im neuen Hause. Den architektonischen Verzierungen des außerordentlich geräumigen Saales (er saßt ohne Seitengemächer, AbstimmungScorri- dore rc« 712 Personen) wurde wenig Aufmerksamkeit geschenkt. In aku stischer Beziehung ist das HauS ebenso zweckmäßig wie das alte, doch dürften während der Parlamentsferien noch einige Aenderungen vorge nommen werden, denn sowol Fremde als Mitglieder fanden, daß die gemalten Fenster, das eichene Getäfel und die dunkelgrünen Ledersitze dem Ganzen eine gewisse kirchlich-duftete Färbung geben. Alles rief nach einem Hellern Fußteppich. In der Abcndsitzung verschob Lord I. Russell die Fortsetzung der Parlamentseiddebatte auf den 28. Juli und Sir B. Hall erklärte, morgen eine Petition der Wähler von Greenwich überreichen zu wol len; am 28. Juli werde er beantragen, daß dieselben Erlaubniß erhal ten, durch einen Rechtsbeistand vor der Schranke des Hauses zu plai- diren. — Ueber die Schiffahrtsgesetze entspann sich dann ein lange und lebhafte Debatte, in welcher das neue protektionistische Mitglied für Scarborough, Hr. Uoung, eine Rolle spielte. Zur dritten Lesung der Customs(Zoll-)-Bill stellte nämlich Hr. Herries das Amendement, eine Adresse an die Königin zu richten und zu ersuchen, daß, laut gewisser Klauseln in der neuen Navigationsacte, Repressalien gegen solche fremde Staaten zu üben seien, welche in ihrer Schiffahrtsgesetzgebung die er wartete und gebührende Reciprocität verweigern. Die britische Schiffahrt werde von den Ausländern geradezu vom Markt vertrieben. Frachten seien um 30 Proc. gefallen. Zwischen 1819 und 1850 habe der bri tische Tönnengehalt 184,000 Tons verloren, der ausländische um 364,000 gewonnen. Hr. Herries berief sich dabei auf eine Masse Petitionen und andere Documente und schloß mit der Bemerkung, er verlange nicht den Widerruf, sondern nur die Ausführung der Navigationsacte; die selbe versprach ausdrücklich die vorgeschlagenen Maßregeln, im Fall fremde Nationen das britische System nicht annehmen würden. Fremde Staaten aber — besonders Nordamerika — hüteten sich, das Beispiel Eng- ! lands nachzuahmen und benutzten vielmehr seine Thorheit zu ihrem eige nen Vortheil. Hr. Laboucherc gab zu, daß die erwähnten Petitionen eine reifliche Prüfung der Frage fodern, allein den klagenden Zuschriften ständen andere von entgegengesetztem Ton gegenüber. Die Wohlfeilheit der Frachten datire von lange her und sei ein Vortheil für die Ge- sammtheit. Die kleine Abnahme im Tonnengehalt rühre davon her, daß sich der britischen Schiffahrt neue HandelSwege eröffneten. Im Schiffbau habe nie größere Thätigkeit geherrscht als jetzt. Im Jahre 1848 wurden in London 10, 1849 17, 1850 30 Schiffe gebaut. Kurz er schlug Ziffern durch Ziffern. Auch er vindicire der Krone daS Recht zu Repressalien, allein biSjetzr habe kein fremder Staat dazu Veranlas sung gegeben. Mit Belgien, Frankreich und Spanien seien Unterhand lungen im Gange, welche daS Beste erwarten lassen. Hr. G. F. Uoung leugnete frischweg alle Angaben des HandelsministerS (Labouchere) und entwarf ein schaudererregendes Gemälde von dem Verfall, den der Frei handel über den Ackerbau, die Colonien, die Manufaktur und die Schif fahrt Englands gebracht habe(l). Im Osten namentlich schlügen die amerikanischen Kauffahrteiflotten aus Californien die britische Con- cnrrenz mausetodt; die wohlfeilen Frachten verschlängen dort daS ganze Capital deS RhederS (!). Hr. I. Wilson muß darauf Hinweisen, wie Hrn. Uoung'S Rede der Motion von Hrn. HerrieS in den Weg laufe; sie verdamme die Reciprocität, Hr. HerrieS dagegen will sie streng durch führen. Uebrigens nähmen am amerikanischen Seehandel mehr Aus länder Theil als am britischen; von den 8 Mill, amerikanischen» Ton- nengehaltS seien 3,500,000, vyn den 12 Mill, des englischen Tonnenge halts nur 3,900,000 Tonnen ausländisch. Hr, D'JSraeli bestand darauf, daß die britische Schiffahrt sich in mislichen Umständen befinde, welche sich erklären, aber nicht wegteugnen ließen. Wenn die Regierung den Krebsschaden weiterfreffen lasse, lade sie eine schwere Verantwortung auf sich, allein in Anbetracht der angeblich schwebenden Unterhandlungen rathe er dem Antragsteller keine Abstimmung zu fodern. Nachdem noch Lord I. Russell erklärt hatte, daß er daS Wohinaus der Motion nicht begreifen könne, denn von Amerika, Holland, Preußen und den nordi schen Mächten habe man bereits die Reciprocität erlangt, und eS sei daher widersinnig, die Unterhandlungen mit andern Staaten zu stören — )og Hr. HerrieS sein Amendement zurück und die Zollbill kam zur drit ten Lesung Eine Reihe anderer Bills von localem Charakter hielt daS Haus bis 2'/« Uhr nach Mitternacht beisammen. — Amerika hat einen Triumph über Altengland errungen. Be kanntlich ist England stolz auf seine Schlösser, Patenischlösser meinen wir, und auf der Ausstellung gab eS manchen Streit darüber, ob es möglich sei, eins von Hrn. Chubb'S New-Patent-Schlöfsern ohne Schlüs sel zu öffnen. Nun hat ein amerianischer Aussteller, Hr. Hobbs, in Ge genwart mehrer Gentleman mit zwei, drei ganz einfachen Werkzeugen auf unerklärliche Weise ein Chubb'sches Schloß geöffnet, mit welchem man früher eines der Gewölbe im Staatspapieramte zu verschließen pflegte. DaS Oeffnen dauerte 25 Minuten. Er schloß eS aber wieder in zehn Minuten, und so, daß keine Spur deS Einbruchs und kein Scha den am Schlosse zu bemerken wär. Hr. HobbS, hört man, wird seine Kunst an dem berühmten Brahma'schen Schlosse erproben, auf dessen Oeffnung ein Preis von 200 Pf. St. gesetzt ist. Er selbst aber hat ein Schloß ausgestellt und ebenfalls 200 Pf St. Demjenigen bestimmt, der eS entweder aufbricht oder einen falschen Schlüssel dazu fabriciren kagn. — Den Ultraprotestanten in England gießt die Taktlosigkeit der offi- ciellen römischen Presse fortwährend Wasser auf die Mühle. Mor- ning Post, Morning Herald, Standard rc. übersetzen fleißig den Offer- vatore romano Wort für Wort, und mit fetter Schrift bringen sie einen Leitartikel dieses Blattes, worin eS heißt, daß der Protestantismus in England „am letztem Athemzuge" sei, und daß PiuS' IX. unablässiges Streben sei, der „ehebrecherisch erzeugten Reformation, einer Geburt des hosfährtigen 16. Jahrhunderts, den Gnadenstoß zu geben". Dasselbe rö mische Aktenstück spricht nebenbei viel von Glaubensfreiheit, Toleranz rc. ^London, 25. Juli. In der dritten Sitzung des Friedenscon aresses beginnt die Verhandlung mit der Einführung einer Deputation, bestehend aus 15 französischen Arbeitern verschiedener Gewerbe. Hr. Henry Vincent, welcher dieselben einführt, bemerkt dabei, daß ihre Reise kosten gemeinschaftlich durch die HH. Lamartine, Victor Hugo, Emil Girardin und Andere gedeckt worden seien. Der Vicepräsident Hindley spricht im Allgemeinen über die erhabenen Zwecke deS CongresseS, und wie derselbe durchaus keine utopistischen Gesichtspunkte im Auge habe. Beweis dafür sei die Theilnahme, welche von Jahr zu Jahr im Stei gen begriffen sei. Pierre Vinsard, einer der französischen Arbeiter, setzte in einer gut vorgetragenen Rede auseinander, daß die Uebel deö Kriegs am härtesten den Stand der Arbeiter treffen, und daß eS daher folge recht unter diesen die meisten Apostel des Friedens geben sollte. Vr. Crcizenach aus Frankfurt versicherte, daß die Tendenzen deS Friedens in Deutschland rasche Fortschritte machen, und daß der bessere Theil der deutschen Masse sie kräftig befürworte. Zu bedauern sei aber, daß von der Kanzel herab die Sache deS Friedens nicht, so warm vertreten werde, wie es zu wünschen, wie dies in England und Amerika der Fall sei; jedoch sei auch in diesem Punkte Alles von der Zukunft zu erwarten. Hr. Char les Gilpin beantragt hierauf folgende Resolution: „Indem diese Ver sammlung das Anleihesystem zum Zwecke der Kriegführung, oder zur Er haltung stehender Heere für ebenso unmoralisch im Princip als unheil-