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15W blickt und Ansicht,« dieser Natur fanden Anklang mitten im Schoose der Regierung: das ist ein öffentliches Gehelmniß, dessen Bestätigung durch Waldheim eS kaum bedarf. Nicht minder ist eS bekannt, auf welcher Selt« Radowitz stand. Wenn er in seinen „Neuen Gesprächen" jetzt Ein zelheiten über seine Plane in der entscheidenden Krists bekennt, so spricht er damit daS Revolutionairste auS, waS el» Staatsmann heute unter dem Regime deS Bundestage- nur schreiben kann! Ich verzichte dar auf, eS hier zusammenzustellen. Radowitz schwärmt noch für den Gedanken eines mitteleuropäischen Bundes. WaS er von seiner Nothwendigkeit sagt, überzeugt und rührt zugleich. Zwei Dinge stehen für ihn fest: der Zug der deutschen Nation nach staatlicher Einheit und der Zug der österreichischen Lande nach cen- tralistrter Monarchie. Für ihn gibt eS nur die eine Alternative: Errei chung deS Zieles durch beide große Körper oder — ihren Untergang. Er glaubt, daß ein wahrhaft deutsches Staatswesen Oesterreich nicht einschließen, sich aber auch nicht von ihm loösagen könne. Oesterreich soll nicht die Stellung zu dem reindeutschen Staate etnnehmen wie Würt temberg, aber auch nicht wie Frankreich. Beides hält er für unmög lich, einen Versuch dazu aber für verderblich. Nahe genug liegt hier die Frage über den Gesammteintritt Oesterreichs in den Deutschen Bund. Radowitz beantwortet sie alternativ. Wahrte Preußen seine doppelte Pflicht: die der wirklichen Sachlage entsprechende völlige Gleichstellung mit Oesterreich zu sichern und die der deutschen Sache treugebliebenen kleinern Staaten gegen jede auch noch so verkappte Herabsetzung zu schir men, stand also, um bestimmter zu reden, „in dem neu-alten Bunde Preußen da mit ganzer ungebrochener Kraft, mit durchgängiger Gleich heit, mit der Unionsverfassung in der Hand", dann — „aber auch nur dann!" — würde Radowitz den Eintritt Gesammtösterreichö in den Bund für einen Vortheil halten. Ohne diese Bedingungen aber nennt er das Einwerfen der 28 Millionen Nichtdeutschen in den Deutschen Bund den Untergang der Nation. Waldheim-Radowitz wird von dem Gothaner Büchner so hart zu Erklärungen auf praktischem Gebiete gedrängt, daß er auch den Fragen nach Hessen und Holstein nicht auSweichen kann. Hessen und Holstein beschleunigten beide die Katastrophe in Deutschland, „jedoch nicht in glei cher Weise", versichert Waldheim. „Der Schmerz bei beiden ist gleich, aber nicht die Art der Einwirkung auf die allgemeine deutsche Frage. Die Vertheidigung deS guten Rechtö der Herzogthümer, der gerechtesten und deutschen Sache, hat Preußen leider einen unsäglichen Schaden zu gefügt, seine ganze Stellung zu Europa verrückt und nach einer langen Reihe schwerster Opfer doch keinen Segen zu bringen vermocht." Ra dowitz verweist auf die unleugbar europäische Seite der Holsteinischen Frage. Trat Preußen, meint er, im Vollbesitze seiner eigenen, morali schen und materiellen Macht in eine europäische Versammlung ein, nahm es sich dort das Recht und die Interessen Deutschlands und der Herzogthümer zum festen Ziele, so konnte noch auf eine Erledigung gezählt werden, die wenigstens die Ehre und vor allem auch die Zukunft rettete. Mit Hessen stand es anders. Waldheim-Radowitz ist nie in Zweifel gewesen, wo in Hessen das Recht und das Unrecht lag. Er weiß vielmehr, daß Recht und Unrecht selten auf Erden so deutlich und gemeinverständlich auseknan- dertraten, wie es in Hessen geschah. „Preußen kann und darf nicht dulden, daß österreichische und bairische Truppen Hessen besetzen, weil eS die Behörde verwirft, die hierzu den Befehl gegeben, weil in einem Rechtsstreite eine brntale Execution dem unparteiischen Urtheile nicht vorhergehen darf und weil eine fremde Occupation dieses Landes mit den militairischen und po litischen Lebeusbedingungen Preußens unverträglich ist. Dies war das Programm, das dem Ministerium abgefodert wurde." Anfänglich schien es auch, als würde nach diesem Programm verfahren, trotz der bregenzer Allianz, trotz der von Warschau herüberschallenden Klänge. Die letzte Entscheidung aber fiel anders aus. Hessen ist das gewollte und vorbe dachte Theater gewesen, ruft Büchner voll Schmerz, auf welchem das Trauerspiel der Contrerevolution, die auch eine Revolution ist, aufge führt werden sollte. Dazu ist der Mann mit dem unheilbringenden Na men hingesandt worden. Waldheim versagt in Hinblick auf eine letzte Entscheidung die Stimme, und wie jener römische Historiker, angelangt an den Grenzen, jenseits welcher er seine Darstellung nicht auSdehnen kann, sagt: „DaS Weitere lasse ich, wie unbekannt, so unentschieden", so wiederholt dies Waldheim auS umgekehrtem Anlaß und — schweigt! Ja, die Geschicke haben ihren Weg gefunden, „der Nest ist Schweigen". D-utfchland. Berlin, 18. Juli. Die Krisis, in der das Ministerium liegt, bleibt fortdauernd eine innerliche und gewissermaßen geheimnißvolle, nnd auch die nach außen hin spielenden Symptome derselben sind schwer ver ständlich. Unter diesen Symptomen nimmt die Unmöglichkeit, in diesem Augenblick einen neuen Finanzminister zu Stande zu bringen, noch im mer die am meisten charakteristische Stelle ein. ES handelt sich aber nicht minder um die Stellung deS Ministerpräsidenten, Hrn. v. Man teuffel, wie sehr auch die Organe oder Schreibfedern desselben seit eini gen Tagen versichern, daß in seiner Position keine Veränderung einge treten oder bevorstehe. Hr. v. Manteuffel hielt sich seit Jahr und Tag nur als Instrument der Kreuzzeitungspolitik, aber er ist weder der Held noch der AuSerwählte dieser Partei, die auch bereits hinlänglich zeigt, daß sie ihn an dem verhängnißvollen Scheidewege, an dem jetzt die preußischen Zustände stehen, aufgegeben hat. Hr. v. Manteuffel war zwar der Novemberminister von 1850, er war aber auch nicht minder der Novemberminister von 1848, der eine demokratische, auf dem allge meinen Stimmrechte beruhende Verfassung octroyiren half. Die im Sep tember zusammentretenden Provinztallandtage werden zugleich den ent scheidenden Moment abgeben, in dem sich alle Zweifel über die fernere Verwendbarkeit des gegenwärtige» Ministeriums lösen müssen. Bis da hin wird man Hrn. v. Manteuffel noch mit seiner Person und seinen Stellungen erperimentiren lassen, so viel eS ihm möglich sein wird. ES möchte besonders darauf ankommen, ob er sich entschließen wird, daS neue Wahlgesetz für die II. Kammer, welches die preußische Verfassung bisjetzt offen gelassen, bei den Provinzlallandtagen zur Begutachtung ein zubringen. Man legt auf diesen Weg, über den man sich im StaatS- ministerium noch nicht hat verständigen können, in gewissen Regionen ein bedeutendes Gewicht. ES scheint, als wollte man eine Erleichterung darin finden, daß die beabsichtigte Zurückführung der ständischen Ele mente in das Wahlgesetz der II. Kammer gewissermaßen durch einen An trag der (als berechtigt und bestehend anerkannten) Provinzialstände ge schehe. DaS Betreten dieses WegS würde aber an sich schon eine Ver- faffungSwidrigkeit in sich schließen nnd ein durchaus nicht loyales Prä judiz für die Kammerbeschlüsse selbst sein. Köln, 17. Juli. Der Gemeinderath hat in seiner heutigen Sitzung eine Zuschrift an den Oberprästdenten v. Auerswald zu richten be schlossen, in der es heißt: „Auch wir empfinden aufs tiefste daS Be dauern, womit die Rhelnprovinz Ihr Scheiden auS dem Amte begleitet; die freudigen Hoffnungen, die wir an Ihre amtliche Wirksamkeit knüpf ten, werden uns damit aufs schmerzlichste geraubt. Nicht minder thei- len wir die Empfindungen, die über Anlaß und Motive des ConflictS, der in der höchsten Verwaltungsstelle der Provinz einen Wechsel herbel- geführt, allerwärtö sich äußern." -f- Weimar, 18. Juli. Durch eine Bekanntmachung deS großherzog lichen Staatöministeriumö vom 15. Juli ist der Termin zu den neu vor zunehmenden Wahlen der Landtagsabgeordneten sür das ganze Land auf den 7. Aug. ausgeschrieben worden. Die in mehre Blätter übergegangene Nachricht von einer im Großherzogthum beabsichtigten ver fassungswidrigen Restauration vergangener Zustände findet hierdurch ihre beste Widerlegung. — In den letzten drei Wochen hat in Rudolstadt die dritte diesjährige Sitzung deS dem Großherzogthum und den beiden schwarzbnrgischen.Fürstenthümern gemeinschaftlichen Geschwore nengerichts stattgefunden. Arolsen, 15. Juli. Durch ein heute publicirtes Ausschreiben sind „höchstem Befehle zufolge die Abgeordneten für Waldeck und Pyrmont auf den 21. Juli zu einem außerordentlichen Landtage einberufen, um wegen der Revision des Wahlgesetzes vom 23. Mai 1849 sowie wegen einiger andern denselben zu machenden Vorlagen in Berathung zu treten." ' Krankre ich. Paris, 16. Juli. DaS Urtheil der heutigen Blätter über die gestrige Sitzung stellen wir in folgendem Artikel zusammen: L'UniverS sieht, daß eS sich bei der laufend?» Debatte weit weniger um Revision oder Nichtreviston, denn um Wahl und .Wiederwahl Ludwig Bonaparte'S handle. Von den Rednern gibt eS Hrn. Michel (de BourgeS) Recht, wenn er Alle, die an 1789 festhalten, Revolntionaire nennt, und gibt Hrn. Fallour zu ver stehen, seine vorgestrige dieöfällige Erklärung sei ein Fehltritt gewesen. Le PayS gesteht, eS habe für daS Auftreten Michel'S (ve BourgeS) ge fürchtet, da seine gewöhnliche Angriffsweise sonst heftig und nicht sehr höf lich sei. Aber seine Haltung machte alle Befürchtungen zunichte, er übertraf sich selbst. Doch hofft das Blatt, daß der Redner in seiner heutigen Fortsetzung Jene, welche die Republik vertheidigt haben, von Denen, welche sie mit Blut befleckten, trennen werde. Der National fragt, warum die Vertheidiger deS Königthumö und Verräther der Republik so lange auf sich warten lassen, da ihnen jetzt ein weites Feld eröffnet sei. Oder soll Hr. Fallour als Vertreter der Legitimität, Hr. Mornay deS OrleaniömuS gelten? Er bedauert, daß Hr. Grevy seine Rede, welche zuerst die Debatte auf ihren wahren Boden versetzte, indem sie die Nevision als einen Angriff auf die Republik bezeichnete, nicht voll enden konnte. Er spricht die Hoffnung auS, Hr. Grevy werde seine Rede vollenden. Hr. Michel (de Bourges) hat die Republik auf eine solche Höhe gestellt, daß sie jetzt ihre beredtesten Feinde herauSfodern kann, denn er hat zuerst die Nothwendlgkeit der Republik begründet. DaS Fusions blatt Assemblee Nationale kann seinen Verdruß über den Gang der Debatte nicht verbergen und meint, die vorgestrige Sitzung habe bewie sen, wie die Republikaner nur durch die Spaltung der Royalisten eri- stirten. DaS Journal deS DebatS bemerkt, der mit Kunst und Me thode zusammengestellte erste Theil der Rede Hrn. Grevy's lasse bedauern, daß ein Unwohlsein des Redners die Versammlung um den zweiten Theil gebracht habe. Der Rede des Hrn. Coquerel, welche die Tugen,den des Hauses Orleans pries und darum von den leaitimistischen Journalen bitter angefeindet wird, zollt das Journal des DebatS alles Lob. ES sieht nicht mit Hrn. Coquerel die Unvermeidlichkeit der Wiederwahl deS Präsidenten ein, weist keinS seiner Amumente zurück, will aber bis 1852 seine Freiheit in Beziehung auf Persönlichkeiten bewahren. AuS der Orakelsprache deS Journal deö DebatS ins gewöhnliche Deutsch über-