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1482 bürg zum Mitglied« der I. Kammer gewählt worden. Die Preußische Zeitung nennt diese Wahl eine Demonstration. Erfurt, 13. Juli. Der Rector des hiesigen Martinsstift? Hr. Reinthaler war bekanntlich unterm 14. Febr. wegen widerrechtlicher Beraubung der Freiheit eines Menschen zu einem Jahr Festung verur- theilt worden. Reinthaler hatte den RecurS ergriffen, und gestern ist in dieser Sache vor dem AppellationSgerichte zu Raumburg der Termin abgehalten worden. Der Vertheidiger wies nach, daß, wenn auch die neuen strafrechtlichen Bestimmnngen nicht Platz griffen, nach dem alten Strafrecht sogar eine Freisprechung erfolgen müsse, da nach Theil U, Tit. 19 desselben der vorliegende Fall keine widerrechtliche Freiheitsberaubung involvire. Der Oberstaatsanwalt Büchtemann, obgleich, den Ansichten deS VercheldigerS nicht in allen Theilen beitretend, trug dennoch selbst auf vollständige Freisprechung deS Angeklagten an, die dann auch sei« tenS deS Gerichtshofs erfolgte. Posen, 12. Juli. Gestern fand hier unter großem Andrange des Publicumö der Proceß wegen deS Gymnasiastenduells statt. Ein 17jäh,iger Tertianer deS hiesigen Gymnasiums, C. v. Brodnicki, hatte (wie seiner Zeit berichtet) einen Mitschüler, den 13jährigen Anselm Ziemkowitz, tin Duell. durch den Schuß eines mit Rehposten ge ladenen TerzerolS getödtet. Die Cartelträger uyd Secundanten, Kna ben zwischen 14 und 15 Jahren, wurden freigesprochen, der C.v. Brod nicki zu lömonatlicher Einschließung verurtheilt. Mainz, 11. Juli. Heute früh wurde der ehemalige Redacteur der Mainzer Zeitung, Hr. Johann Kilian Suder, auf Anstehen deS GeneralprocuratorS verhaftet und inS Justizhauö dahier abgeliefert, weil in der Mainzer Zeitung zwei Leitartikel: „Die nächste Revolution" und „Monarchie und Republik", daS Verbrechen der Vorbereitung zum Hoch- verrath und das Verbrechen der Majestätsbeleidigung enthalten. — Der Lieutenant im großherzoglich hessischen 2. Infanterieregiment W. v. PlönnieS erklärt aus Darmstadt vom 12. Juli die Nachricht der Nassauischen Allgemeinen Zeitung, daß seine Mutter, Frau Luise v. PlönnieS, mit ihrer Familie zur katholischen Kirche übergetreten, für eine Erfindung. Wiesbaden, 12. Juli. Die Freie Zeitung wurde vor einiger Zeit von drei Ligorianernin Bornhofen verklagt wegen einer vom Rhein datirten Correspondenz: „Die wahre Länge unserS Herrn Jesu Christi." Die Patres Ligorianer behaupteten, „der Herausgeber der Freien Zei tung habe sie fälschlicherweise deS Verkaufs eines abergläubischen Flug blatts: «Die heilige Länge», beschuldigt und sie durch die Vorwürfe der Herrschsucht und der Absicht, daS Volk verdummen zu wollen, ver leumdet". DaS hiesige Justizamt, bei welchem die Anklage anhängig gemacht worden, erkannte auf drei Wochen Gefängnißstrafe und Tra gung der Untersuchungskosten. Auf die hiergegen eingelegte Appellation an daS herzogliche Hof- und AppellationSgericht erfolgte jedoch gestern die Freisprechung und Niederschlagung der NntersuchungSkosten beider Instanzen. (Frkf. J>) < Hanau, 14. Juli. Gestern Abend um 9 Uhr, als es dunkel zu werden begann, brach abermals ein starker Brand in hiesiger Stadt aus, welcher in kurzer Zeit fünf aneinanderstoßende Häuser in Asche legte und 23 — 24 arme Familien obdachlos machte. Das Feuer war in derselben Straße nächst der Französischen Allee auSgebrochen, in wel cher der letzte große Brand zum Ausbruche kam, und erfaßte die dieser ersten Brandstätte gegenüberstehende Häuserreihe. Allgemein ist der Ver dacht und die Entrüstung darüber, daß, angelockt durch die reichliche Beisteuer des In- und Auslandes für die letzthin Abgebrannten, dies mal eine absichtliche Brandlegung angenommen werden könne. Die ein geleitete Untersuchung wird die Wahrheit oder Unwahrheit dieser An nahme herausstellen. Einer der Besitzer der abgebrannten Häuser wurde schon während des Brandes gefänglich eingezogen. (O.-P.-A.-Z.) — Die Regentin des Fürstenthumö Waldeck hat den RegierungS- rath Winterberg zum StaatSrath und Vorsitzenden der Staatsregierung sowie zum Dirigenten der Abtheilungen für die Angelegenheiten deö fürstli- chenHauseS, der Justiz und deS Aeußern ernannt; den Staatsanwalt Klapp zum ersten Regierungsrath und Dirigenten der Abtheilungen des Innern und für Militairsachen; den RegierungSaffeffor Severin zum zweiten Re- gierungSrath und Dirigenten der Abtheilungen für Finanzen und des Konsistoriums; den Advocaten Albert Cuntze zum Regierungsassessor und Vortragenden in der Staatsregierung; den RegierungSrath Gleiöner zum Staatsanwalt. — Man schreibt der Neuen Preußischen Zeitung aus Wien: Was die Preßbestimmungen betrifft, so wird dieStrenge derselben nur in so weit selbst von den gouvernementalen Blättern in Schutz genommen, als sie eben provisorisch sind. Alle Welt ist darüber einig, daß diese Verordnungen ein Werk des Ministers deS Innern sind. Wenn in Zu kunft die Staatsanwaltschaft die Sache der polizeilichen Behörde vertre ten muß, ohne mit derselben einverstanden zu sein, so bleibt dem Mini ster der Justiz der Vorwurf der Unterlassungssünde: gegen die falsche Stellung, in welche die Staatsanwaltschaft gebracht wird, nicht prote- stirt zu haben. Zugleich ist die Fassung deS Patents eine solche, daß die Preßangelegenheiten einer rein diScretionairen Gewalt anheimfallen. Es wird nicht schwer sein, mit diesem Werk alle Journale, außer viel leicht die Oesterreichische Correspondenz, welche während deS Belage rungszustandes erschienen, zu unterdrücken. Wir wollen eine starke Re gierung und geben ihr daS Recht, die strengsten Gesetze zu erkassen. Nur muß man eben Gesetze geben und deren Handhabung jenen Organen zutheilen, welche Ihrer Natur nach dazu bestimmt sind. So bahnt mA» schwerlich den normalen Zustand an, so hebt man schwerlich den „soge nannten" Ausnahmezustand. — Durch die Gnade deS Kaisers sind die politischen ungarischen Fe- stungSsträflinge Zarköczy und GalläSz gänzlich begnadigt, den Sträflingen Motesicky und Bezodedy dagegen ist die Hälfte der Straf zeit nachgelassen worden. Schweiz. Der politische Theil deS diesmal in Genf abgehaltenen eidge nössischen Freischießenö ist durch das Hereintreten deS bernerischen Elements bedeutend aufgeregt worden. Der weiße Bär hat unstreitig die Mehrheit für sich und die Wahl der HH. Stämpfli und Misty zu Präsidenten der Bundesgesetzgebung, die von Hrn. James Fazy von der Tribune verkündet worden, ist mit anßerordentlichem Beifall aufgenom men worden. Als neue Gedanken in den Festreden tauchten auf: er stens die Ansicht des Hrn. Fazy, daß die Präsidentenwahl in Bern eine politische Demonstration gewesen. Dann die Erinnerung de- glar- ner Redners, Schönenberg, an die frühern Dienste, die Genf dir Frei heit leistete, wobei auch General Dufour nicht vergessen und von der Demokratie gesagt wurde: Sie gründet und erhält die Republik, aber sie erkennt als ihr Volk nur dasjenige, daS da betet und arbeitet. In seiner Antwort an GlaruS sagte Hr. Tourte: GlaruS ist klein, laber brav, wie auch Genf klein und brav ist; nicht die Größe, der Muth gibt die Kraft. Hr. Isaak von Luzern brachte ein Hoch der Eintracht und wies auf den Spruch in der Tellenkapelle bei Küßnacht hin. Die baseler und Kieler Fahnen wurden von vr. Brenner übergehen, der auf die innere Verwandtschaft der Städte Genf und Basel hindeutete. Spanien. Madrid, 12. Juli. (Tel. Dep.) DaS Schuldreglement iss mit einer Majorität von 102 Stimmen angenommen worden. — Nach Berichten aus Barcelona hat dort die meuchlerische Er mordung eines progressistischen Parteiführers eine große Aufregung er zeugt. Einer der Mörder soll bereits verhaftet sein. Frankreich. Paris, 13. Juli. In der gestrigen Sitzung der Nationalversammlung wird der Gesetzvorschlag von Baze zur gänzlichen Unterdrückung des Verkaufs der Journale aller Farben in den Straßen und in öffentlichen Localen, auf die Bemerkung des Ministers deS Innern, daß er sich demselben einst weilen nicht widersetze, ohne Debatte in erster Berathung genehmigt. — Die Repräsentanten des Berges haben gestern folgende Rei henfolge für ihre Redner in der Revisionsfrage fesigestellt: Grevy, Mi chel (de BourgeS), P. Duprat, Victor Hugo, Jules Favre, CharraS, E. Arago. — Der Moniteur enthält ein „Mitgetheilt", dem zufolge in Zukunft was bisher nicht der Fall war, alle Journale, die Aktenstücke in der Art wie daS 12. Bulletin, in einer „guten Absicht" veröffentlichen, ge richtlich verfolgt werden sollen wegen Verbreitung und Wiederholung schuldvoller und gefährlicher Schriften. — Hr. Pravie hat zu seinem im Januar eingebrachten Antrag« über Verantwortlichkeit der Regierung das Amendement gestellt, eS solle als Hochverrath von Selten deö Präsidenten, Miöhrauch der Amts gewalt von Seiten der Minister gelten, wenn sie mit ihrer Autorisation WahlcomiteS oder Versammlungen zum Zwecke einer verfassungswidrigen Kandidatur bilden ließen oder die ohne Ermächtigung gebildeten nicht sofort auflösten. DaS gleiche Verbrechen wird begangen, wenn sie Cir culare, Stimmzettel und Druckschriften zu diesem Zwecke verbreiten lie ßen oder Journale, die eine verfassungswidrige Candidatur aufstellten, nicht gerichtlich belangten. Der Constitutionnel ist gezvaltig darüber er bost und meint, früher hätte man doch wenigstens die eigene Handschrift einer Zeile verlangt, um einen Menschen hängen zu lassen, Pradie be gnüge sich zu demselben Zwecke sogar mit der Handschrift Anderer. Mit einem Stück Journalartikel könnte man dann Präsidenten und Minister nach Vincennes bringen. , . — Wir haben schon mitgetheilt, daß der Constitutionnel ebenfalls zu 500 Fr. wegen Contravention gegen daS Unterschriftsgesetz vekurtheilt worden. Der Vertheidlger, Hr. Cauvin, hob hervor, daß daS Journal nur auf Denunciation E. de Girardin'ö citirt sei. DaS Factum ist rich tig, und hat Hr. de Girardin Recht; denn es war eine Schande, wie daS Parquet mit seinen beinahe lächerlichen Foderungen wegen deS Un terzeichnens nur die Oppositionsjournale .verfolgte und die Regierungs journale in Ruhe ließ. — Die zuChatellerault verhafteten Personen sind sämmtlich freige lassen worden; der Ruf: „Nieder mit NapoleonI" soll-dort gar nicht auögestoßen worden sein. — Neulich Abends empörten sich in der größten hiesigen Taub stummenanstalt 110 Zöglinge, mishandelten die Direktoren, Lehrer und das Dienstpersonal, und konnte» erst durch das herbeigeholte Mili- tair gebändigt werden; die Untersuchung ist eingeleitet und 20 Einsper rungen sind vorläufig erfolgt.