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ZUR EINFÜHRUNG trügerischen Maestoso der Einleitung bis zu dieser tollen Entfesselung des Humors eine einzige Stufensteigerung. Im Unterschied zu den Sinfonien Nr. 1 und 2 sind die übrigen Jugendsinfonien Franz Schuberts nicht mehr für das Schüleror chester im Wiener Stadtkonvikt geschrieben. Wir dürfen es sogar weitgehend seiner eige nen Initiative zuschreiben, wenn aus den wö chentlichen Quartett-Übungen in seinem Va terhaus ein Liebhaber-Orchester zustande kam, das unter Leitung eines erfahrenen Mitglieds des Burgtheater-Orchesters erst im Hause eines Kaufmanns, dann im bekannten Schot tenhof seine Übungen aufnahm. Hier dirigierte Schubert zwar nicht, sondern verstärkte die Bratschen. Vor allem aber belieferte er sein Orchester mit Ouvertüren und Sinfonien. Wie rasch dabei seine Feder übers Papier fliegen konnte, beweist die Sinfonie Nr. 3 D - D u r. Bis auf ihre ersten 47 Takte ist sie in der unwahrscheinlich kurzen Zeit von acht Tagen im Juli 1815 geschrieben worden. Das wäre selbst für einen Schubert ein Ding der Unmög lichkeit gewesen, hätte ihn nicht eine feste Konzeption geleitet, die sein Genie und sein damals schon gefestigtes Können in sichere Bahnen lenkte. Tatsächlich erscheint die Sin fonie wie aus einem Guß, jeder Satz dieselbe Werkidee von anderer Seite aufrollend. Bereits die Einleitung (Adagio maestoso) hält die Grundhaltung des ganzen Werkes, den erzählerischen Humor, von den ersten Takten an fest. Kein Zufall darum, daß ihre Grund gestalt, ein aufschnellender Skalenlauf, auch im folgenden Allegro-Satz eine wichtige Tutti- Rolle spielt. Derselbe gutgelaunte Erzählerton beherrscht auch die pointierte, feinziselierte Arbeit dieses Satzes, sowohl in der Führung der Themen als auch besonders in der drama tisch geschürten Durchführung, die immer wei ter in die Moll-Region hineinreicht, ehe sie wieder zu ihrem freundlich-launigen Anfang zurückkehrt. Nach dem Allegretto-Satz mit sei nem vergnüglich-schunkelnden Seitenthema (Holzbläser!) geht es im Menuett vivace wei ter, nur durch ein bestrickend freundliches Blä sertrio unterbrochen, und im Finale wird das selbe Vivace zum verhexten Presto gesteigert. Zu den melodischen und rhythmischen Pointen kommen gewagteste harmonische Rückungen und Wendungen. Die alles überbietende Koda nimmt dabei schon die instrumentale Anlage und Technik im bekannten Finale der großen C-Dur-Sinfonie voraus. Wahrhaftig, von dem Als Nationalpreisträger Prof. Dr. sc. Sieg fried Köhler, einer der prominentesten Komponisten und Musikwissenschaftler unseres Landes, am 14. Juli 1984 im Alter von 57 Jah ren nach kurzer schwerer Krankheit in Berlin verstarb, würdigte der Verband der Kompo nisten und Musikwissenschaftler der DDR sein Lebenswerk in einem Nachruf: Als Komponist hat Siegfried Köhler durch sein vielfältiges, umfangreiches Schaffen die Geschichte der neuen Musik unseres Landes wesentlich mit geschrieben. Seine Lieder (es sei hier nur^oL „Heut ist ein wunderschöner Tag" erinnHV seine vokalsinfonischen Werke, seine fünf Sin fonien, seine Konzerte und seine zahlreichen Chor- und Instrumentalkompositionen waren stets geprägt vom Bemühen um künstlerisches Gestalten der großen gesellschaftlichen Verän derungen unserer Tage, um das Befördern so zialistischer Einsichten und Haltungen beim Hörer. Während der Dresdner Musikfestspiele 1984 errang Siegfried Köhler mit der Urauf führung seiner V. Sinfonie „Pro Pace“ (durch die Dresdner Philharmonie) in diesem Sinne einen besonders schönen und nachhaltigen Er folg. Dieses Werk steht nun am Ende eines viel zu kurzen schöpferischen Weges, der gekennzeich net war vom Ringen des sensiblen, begabten und kenntnisreichen Künstlers um Werke, die von parteilich-sozialistischen Positionen aus den Weg zu den Hörern suchten, die sich als Angebot verstanden zu tieferem Erleben, zu genauerem Begreifen der Welt. Der am 2. März 1927 in Meißen Geborene er warb in Dresden und an der Leipziger Karl- Marx-Universität seine kompositorische und musikwissenschaftliche Ausbildung. über ^30 Jahre galt ein Großteil seines umfasseri^N kulturpolitischen Wirkens der Arbeit im CT band der Komponisten und Musikwissenschaft ler der DDR. 1952 bis 1957 war er Vorsitzender im Bezirksverband Leipzig; 1955 wissenschaft licher Mitarbeiter des zentralen Verbandsse kretariats. Von 1957 bis 1963 leitete er die In ternationale Musikbibliothek Berlin. In dieser Funktion war er 1959 bis 1963 auch Präsident der Ländergruppe DDR in der UNESCO-Or- ganisation AIBM. Von 1963 bis 1968 wirkte Siegfried Köhler als Direktor für künstlerische Produktion im VEB Deutsche Schallplatten. 1968 folgte die Berufung zum Rektor der Hoch- GUSTAV SCHMAHL, 1929 in Herford geboren, begann bereits in frühester Kindheit mit dem Geigenspiel. Er war Schüler von Max Strub in Detmold, von Gustav Ha- vemann in Berlin und von David Oistrach in Moskau. 1953 bis 1970 war er 1. Konzertmeister des Rundfunk sinfonieorchesters Berlin. Neben seiner regen solisti- schen Tätigkeit, auch für Rundfunk, Fernsehen und Schallplatte, wirkte er seit 1962 außerdem als Dozent an der Musikhochschule Dresden, wo er 1971 zum Professor ernannt wurde. 1973 bis 1985 leitete er als Rektor die Leipziger Musikhochschule, an der er — wie auch an der Dresdner Musikhochschule — seit 1973 als Ordentlicher Professor eine Meisterklasse für Violine übernommen hat. Für seine hervorragenden künstlerischen Leistungen, insbesondere für seine Ver dienste um die Pflege zeitgenössischer Violinliteratur, wurde Gustav Schmahl 1959 mit dem Kunstpreis und 1968 sowie 1981 mit dem Nationalpreis der DDR ge ehrt. Konzertreisen führten den namhaften Künstler, der seit 1954 wiederholt mit der Dresdner Philharmo nie musiziert hat, u. a. in die Sowjetunion, die CSSR, die VR Polen, VR Bulgarien, die SR Rumänien, die Ungarische VR, die SFR Jugoslawien, nach Schweden, Großbritannien, Italien, in die BRD, USA, nach Ägyp ten und in den Libanon.