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sich verirr«», so glaub' ich doch, daß der Leser i« vertraue», auf die viet erprobt«, geistvoll« Cvmbinationsgabe sein«« Führ«»« Keffer sich dem G«nussr di« hitj»tzt Gebotenen hingibt, al« dem besorglichen Zweifel um den Ausgang. «Such' er sich »in Plätzchen im Rathskeller hinter Leidenfrost'« Stuhle, oder oben, wenn er die Dinge gern au« der Vogelschau sieht und sich vor Mondsüchtigen und Gespenstern nicht fürchtet, über dem „flammenden Kreuze", wag' er «inen Sang üb« die holp rigen Treppen zu Louise Eisold und ihrem unheimlichen Miethtmann, oder fetz' er sich auf die Kammertribune, um die Jungfernrede de« Prinzen Egon zu hören, immer wird «r nicht lo« können von dem einzelne« Bilde, und selbst wenn ihm di» Frauen langweilig dünken, die anstatt mit dem Kopf nur mit dem Herzey denken und ein Gleiche« von dem Mann« fodern, den sie lieben, er wird doch voll Theil- nähme stillstehen, wenn er Helene d'vzimont fliehen fleht und verzweifeln, weil Egon sie für zu hoch hält, um mit dem „Bettelpfennig der Ehe" ihr die Schuld abzutrag««, die sie an seinem Herzen zu fodern hat. In der Kunst, den Leser festzuhalten an dem einzelnen Bilde, ist Gutzkow Meister geblieben. , Bon der Oekonomie de« Roman« wird sich erst reden lassen, wenn er im Gan zen vorliegt. Trotzdem verhehle ich nicht, wie da« Fallenlaffen der Melanie Schlurck durch zwei ganze Bände mir unklug und ungerechtfertigt erscheint. Dat „Sieben, einander" hat sich hier störend Geltung gewonnen. Ich weiß recht wol, wie man Personen bedeutsam macht dadurch, daß man sie im Hintergründe läßt; dann aber dürfen sie nicht mit solcher Energie al« Hauptpersonen eingeführt sein, wie die« Melanie ist. General Voland v. d. Hahnenfeder, der au» seiner dunklen Beleuch tung nirgend herauStritt, wirkt überall, wo nur sein Name genannt wird, außer ordentlich. Auch Schlurck, diese köstlichste Charakterzeichnung, die je au« Gutzkow'« Feder geflossen, ist zeitweilig aut dem Rahmen det Gemälde« gänzlich auSgetre- ten, aber der Leser ist um ihn unbesorgt; Schlurck ist eiy so bestimmter'Charakter, daß da« Interesse an ihm und all d«n kleinen Zügen, di» der Dichter so genial ihm anerfunden hat, sich nicht so bald verwischt. Da« Kind Melanie dagegen mit seiner wechselnden Laune und seinem unheimlichen Unglücktzug an der Stirn wirkt auch in verschiedener Situation auf den Leser verschieden und hinterläßt ihm am Ende de« vierten Bandet zwar die höchste Spannung, aber keinen Ein druck. Einzelne Andeutungen regen diese Spannung nicht an, sondern lassen sie allmälig erkalten. An Melanie't Stelle ist Helene d'Azimont getreten, ein Weib det unmittel baren Jnstinett, die lebendiggewordene Unruhe und Beweglichkeit det nur durch die Liebe aufrecht gehaltenen Frauensinnt. Sie hatte dat nimmer rastende Be- dürfniß der Aufopferung; der Mann, der sie erfüllte, war ihr die ganze Welt. Et gibt solche Frauen und ihre Aufnahme in die „Ritter vom Geiste" war schon um der Vielseitigkeit der Charaktere willen völlig gerechtfertigt. Allein solche Frauen bieten der Darstellung eine gewisse Eintönigkeit; wir wissen immer, wovon sie au«gehen und worauf sie zurückkommen, sie beschäftigen mehr dat Sentiment alt die Phantasie det Leser» und deshalb erheischt ihre Verwendung im Roman «in gewisser vorsichtige» Maßhalten. Dessenungeachtet hat Gutzkvw die d'Azimont in den Vordergrund gestellt und durch eine Menge kleiner, kunstvoller Züge diese Stellung tapfer vertheidigt. Wenn ich gern zugestehe, wie vollständig ihm die« namentlich nach dem Schluß de» sechsten Bande» zu gelungen ist, wo det Charak ter Helene'» durch das Schicksal aus seiner normalen Lage etwa» herausgetrieben wird, so glaube ich doch nicht, daß Helene in dem Interesse des Leser« ganz dir Lücke auifüllt, die durch das zu lange Fallenlassen Melanie'S entstanden ist. An Charakter bedeutender als Helene, macht Pauline v. Harder, so knapp sie in diesen Bänden gezeichnet ist, doch den Werth ihrer Erfindung (oder, wie man hinter den Couliffen dcS norddeutschen Schriftstellerthumk sich zuflüstert, ihrer Co- pie?) sehr vortheilhast geltend. Olga ist mit sehr feiner Berechnung in die Handlung eingeführt, allein ihre ganze Erscheinung würde wohlthuender und die nächtliche Scene nach der Weinlese würde mächtiger wirken, wenn nicht das un natürliche Berhältniß zu ihrer Mutter (Beide lieben Siegbert) etwa» Unschönes hätte. Di« neu in die Handlung eingetretenen MäNner liegen als noch ungelöste Räthsel außer dem Kreise dieser Besprechung. Hinsichtlich der Handlung kann ich im Wesentlichen auf Da» verweisen, was ich in meinem früher« Artikel (Nr. 10) bereit« ausgesprochen habe. Die Aufeinanderfolge der Begebenheiten ist ungekünstelt und ohne Sprünge. Gutzkow mit seinem unge- wöhnlichtn Talente, hurch das Detail zu fesseln, durste jene Manier einer erkün stelten Spannung verschmähen, welche da« Buch gern in der Mitte anfängt und den Anfang kurz vor die Katastrophe setzt. Daß Gutzkow auf da« Interesse de« Leser« nicht im Groben speculirt und mit dem glänzendsten Effect nicht zum Ver blüffen herauttritt, sondern denselben erst immer durch eine kunstgerechte Steige rung der Handlung vorbereitet, ist ein Verdienst, da« der lautesten Anerkennung werth ist. In den ganzen „Rittern vom Geiste" habe ich einen einzigen etwa« gewagten Effect am Schlüsse det fünften Bande« gefunden, und doch greift der Dichter ost genug durch die Macht seiner Darstellung in die tiefste Seele det Leser«. Diese Macht wird überall durch die Treue de« Detail erhöht und nachdruck-voll begründet, aber sie wird auch an vielen Stellen geschwächt durch die Breite de« Detail. Für die Composition de» Roman» dürfte die« ein wesentlicher und ein begründeter Borwurf sein, der auch durch die folgenden Bände nicht wird getilgt werden können. Die Scene» bei Marten» und ähnliche, die^n einer knappen Ausführung die Handlung zieren wür den, halten in der vom Dichter beliebten Breite dieselbe nur auf, und hier hat Gutzkow sein Talent umsonst angestrengt, durch die lebensvolle und interessante Ausführung den Mangel der Anlage zu verdecken. Mit Freuden bekenne ich die warme Lheilnahme und die ausdauernde Aufmerksamkeit für der Dichters Werk, die ich in den vorstehenden Zeilen bekundet zu haben glaube. Am Schluß dersel ben möcht' ich nun auf die Lenke«; de« GeistritterbundeS zurückkommen, allein ich fühl«, wie jede Discussion hier voreilig oder ungerecht werden müßte, solange die weitere romantische Ausführung derselben fehlt. „Ich sehe, die Menschheit ist zersprengt", sagtDankmar,„nichtnur den Interessen, auch schon dem Geiste nach. Wir haben eine Religion, die christliche, die in ihrer ei gentlichen Bedeutung nur noch Wenige bindet. Man sieht sich in den Kirchen, man befolgt den Ritu« seiner Confession, man erklärt sich auch leidenschaftlich für den Namen deS Heilande«, doch legt sich Jeder die Bedeutung desselben ander« au« und eigentliche Christen gibt es gar nicht mehr. Also gerade diese Auslegung ist das Wichtigste, um diese Auslegung streitet man sich und vergoß um sie sogar Blut. 'Im Staate sehen wir un« erst dann, wenn uns der Kampf zusammen- führt. Wir rufen immer erst mit der Trommel, mit dem Lärmsignal der Gefahr, wo schon die gute Sache halb verloren ist. Da ist es für die Gleichgesinnten zu spät! Da sind gleich Lausende, die gerade für den Kampf nicht abkommen könnet», Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich «rochhan«. — Lausend«, di« un» misvtrstandtn, Abertausend«, di« in «in«r Lag» stich heuchel» zu müss«n. Da» ist d«r wahre Jammer d«r S»it, diese Lüg«, dks« ZaghafNgkiit, dieser Sch«indienst der Wahrheit, eine Folge »er völligen Mchtyrganisation der Geisteskämpft. Erst auf dem blutigen Schlachtfeld» erkennen wi, Vt», der n«b»n un» im verschlossenen Visier kämpfte. Und Den, der mit der Fahne-in de« Hand niedersank oder der die Breschr de» feindlichen Lager» siegreich stürm»», Den hat man sonst vielleicht für sein«» Ttgner gchalkn!".. „Di« Ritter vom Seist« strtiten, sichtbar und unsichtbar, allein für die Ge sinnung, für nicht« also, was sich al« positive Schöpfung ankündigt. Daß «» . Republikaner, Freigeister, Mvnarchisttn sein sollen, sag' ich nicht, ebenso wenige wa« sie sonst find. Sie haben nur zu schwören, daß sie Alk« thun werden, wa» in ihren Kräfte« liegt, ,. ». der Monarchie, wo sie herrscht, di»j«nig«N Bedin gungen vorzuschreiben, die e« möglich machen, sie der Republik vorzuziehen. ES liegt in d«r Natur einer Seit, die mehr aufzuräumen al« zu bauen hat, daß ihre Wahrheiten mehr negativ al» positiv sind. Die Ritter vom S«iste werden sieh klarer über Da« sein, wozu sie sich nicht verwenden lassen, al« über Da», wa» sie von selber wollen. Die Gewifftn«c0lliflonen, d«r Fluch unftrer S«it, müssen seltener werden. Sin Geistesbruder, der in seiner Ueb«rz«ugung gebunden ist, wird sich nicht zu Dingen hergeben, die seinrm Schwure widersprech«»». E« wird für da» Opftr, da» er zu bringen hat, vom Orden schadlo« gehalten. Di« Apostasien, die Verfolgungen, in denen die Apostaten gehässiger find al» All», werden g«brand» markt und seltener werden. Man wird nicht «ehr ein» Meinung für sei» Hau» und eine für den Staat, eine für sein Gewissen und ein» für seinen Erwerb haben. Die Anlehnung an Gleichgesinnte macht stark. Da» Borbild edler Männer r«izt zur Nachfolge und eine unreine, niedrige Seele, dir sich dt» glänzenden Schilde» der hohen und r«inen Gesinnung bedient, wird nicht mehr Bestand haben und Verwirrung unter di» Kämpfenden bringen können, wi» d«r Tempel der Menschheit beschaffen sein muß, um Raum für den Glauben reiner Herze«, für Frei heit und Glück de« irdischen Leben« zu gewähren, kann man mit dem Griffel dt» Maler» nicht anschaulich machen. Aber der Architekt kann un» schon soviel sagt«, er wisse, wa» Harmonie, »pat Ebenmaß ist, «r wisse, wa« in den SruNdbau und wa» in die Kuppel gehört. Die frei» Presse ist vom Fundamente, während da» Recht der Arbeit in die Kuppel gehört. Nicht wa» wir bauen, wissen wir; nur wie wir zu bauen haben, ist un» klar nach ewigen und in der Brust eingeschrie benen Gesetzen. Der Lugendbund unter Napoleon wurde nicht gestiftet, um Deutsch land diese oder jene Verfässungsform zu geben, nicht um den fremden Eroberer vom Boden des Vaterlandes zu verjagen, sondtrn nur um diejenige Gesinnung zu erzeugen, die von selbst auf die Vaterlandsliebe, di» politisch« Lug«nd und jenr unauSgtsprochcncn Zwecke führte. Wohlan! Auch die Ritter vom Seist« kämpft» nur für die endliche Vernichtung deS von der Theorie längst verworfenen und irr der Praxis förmlich unvertilgbar scheinenden Alten. Dieser Bund soll aufräumcn und das rasch. Der Katechismus der Grundwahrheiten deS neunzehnten Jahrhundert» ist so groß nicht. Man hat über de» deutschen Volke» Grundrechte sich geeignet, man hat einst in Frankreich die Menschenrechte zusammengefaßt, al« die Revo lution dort noch gehalten und eine historische Offenbarung wär. Di» Grundrechte aller Völker sind den Rittern vom Geiste Grundpflichten. In schwierigen Dilein» men, die eine Lage-frage wol veranlassen könnte, würde unbrdingter Gehorsam gegen die Vorschriften de» höchsten OrdenScapitel» unerläßlich ftin." Die hier.Jeck hingeworfenen Gedanken von Dankmar'» Weiherede bedürfen noch mancher Erläuterung, um über die fünf Ursprünglichen Bekenner im Rath», keller hinaus Proselyten zu gewinn«». Hier ist'«, wo der Dichter vorläufig die - Erdenwanderung mit tiner Luftreise vertauscht. Ich sagte am Anfang, «in Roman dürfe nicht ein Album von Lebenserfahrungen sein. Damit ist nur gesagt, daß das künstlerische Interesse nicht hinter dem praktischen zurücktreten dürft. Ich glaube allerdings, daß die „Ritkr vom Geiste" die ganze Summ« Diffen, wa» ihr Verfasser erlebt und erfahren hat, wie in einem großen Spiegel enthalten, und vielleicht hat dieser Umstand hi«r und da an der Breite de» Detail seinen Theil Schuld; aber ich meine auch, daß ich Großen und Ganzen durch den unterlaufen den didaktischen Charakter an dem künstlerischen Werthe de» Roman« nicht« ver loren gegangen ist und daß «r deshalb die . Anerkennung verdient, die da» Publi» cum durch seine offenkundige Lheilnahme ihm in reichem Maß« zollt. Da« kani» di« „unabhängige" deutsche Kritik natürlich nicht hindern, in ihrem unverbrüchlichen, stolzen Schweigen zu verharren. Die neuesten literarischen Erscheinungen. DaS Buch der Weltweisheit oder dir Lehren der bedeutendsten Philosophen aller Zeiten, dargestellt für die Gebildeten deS deutschen Volk». In zwei Theilen. Erster Theil. NlterthUm und Mittelalter. Gr. 8. Leipzig, Avtnariu» u. Mendelssohn. 1 Lhlr. 22'/, Rgr. Denkmal König Friedrich'« de« Troßen. Enthüllt am S1. Mai 1881. Gr. -1. Berlin, Decker. 5 Ngr. , DÜrtngSfeld, Ida v., Reiseskizzcn. Zwei Bändchen. A. u. d. L.! Au» Italien. 8. Bremen, SchlodtMann. 1 Lhlr. Fsstenberg, G. A., Friedrich II., Preußen« Ruhm und Ehre, als Erinnerung an den 31. Mai 1851. Mit einer Erklärung de» Denkmal« zu Berlin. Gr. 16. Berlin, Hayn. 5 Ngr. Friedrich der Große, Di« Kunst de« Kriege«. Gedicht in sechs Gesängen. Rach dem französischen Original frei übersetzt von C. v. Reinhard. Lex.-8. Ber lin, A. Duncker. 18 Ngr. Der alte Fritz und das neue Preußen. Sin Wort der Erinnerung und Mahnung. Lex.-8. Berlin, Hayn. 7'/, Ngr. Gall, Louise v., Gegen den Strom. Roman. Zwei Bände. 8. Bremen, Schlodt- mann. 2 Lhlr. Hasemann, I., Für Handelsfreiheit. Gin Wort an das deutsche Volk und die deutschen Regierungen. Gr. 8. Halle, Graeger. 5 Rgr. Heimbürger, H. CH., Caroline Mathilde, Königin von Dänemark, nach ihrem Leben und Leiden, au« zum Theil ungetruckten Quellen dargestellt. 12. Celle, Capaun-Karlowä. 1 Lhlr. Huber, H., Lhiuda. Ein deutsche« Lied. 16. München, Lentner. 1 Lhlr. 15 Rgr. Jllustrirter London-Führer. Ein-vollständige« Gemälde der britischen MetropoliS und ein Reisehandbuch für die Besucher der Industrieausstellung allerRätionen. Mit Abbildungen der vorzüglichsten Sehenswürdigkeiten, einer Eiseübahnkarte von Mitteleuropa und einem OrieNtirungSpläne von London. 8. Leipzig, We ber. 1 Lhlr. 20 Rgr. Druck und Verlag von M. At» VroikhattO in Eeipzig,