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H57 Rechte d«S preußischen Parlaments nur wünschen konnte. Das Fau- bourg St.-Germatn von Berlin (denn eS gibt so ziemlich überall ein Faubourg St.-Germain), ist, wie man unS versichert, so voll Jubel, daß eS sich nicht mehr die Mühe ihn zu verheimlichen nimmt. Die war schauer Zusammenkunft würde in den SalonS deS Rechts von Gottes Gnaden zu Berlin wie die Rückkehr deS verlorenen SohneS gefeiert. .ES scheint, daß die preußische Bourgeoisie nicht eben von demselben Enthu siasmus durchdrungen ist. Ebenso weiß das Journal, daß in Wien noch weit überraschendere Ungnaden eintreten werden, als die deö Han- delSministerS v. Bruck gewesen ist. Schwarzenberg und Bach, deren Letz terer übrigens den vollen Beifall deS Ordre hat, werden als die nächsten Opfer bezeichnet. Endlich soll der Gesammteintritt Oesterreichs in den Bnnd angesichts der Ereignisse von 1852 von Rußland genehmigt worden sein. Paris, 31. Mai. In der heutigen Sitzung der Nationalversamm lung wurden von Moulin und Morin Propositivnen zur Bildung eines Specialcomite für die Revisionöanträge gemacht; sie wurden ange nommen mit der Ausnahme, daß daS RevisionScomite acht Tage nach dem Einbringen deS ersten RevisionöantragS über denselben aburtheilen soll. Nächsten Montag wird der Herzog v. Broglie den Revisions antrag deS Vereins der Rue deö Pyramides deponiren; derselbe trägt 220 Unterschriften. (Tel. Dep. d. K. Z.) Großbritannien. London, 30. Mai. Auf den gestrigen Tag fällt die größte Zahl der Besucher, welche bisjetzt an Einem Tage im Gebäude der Aus stellung beisammen waren. Sie beträgt 54,667 Personen, darunter 7080 Besitzer von Seasonkarten. An den Thüren wurden somit 2379 Pf. St. 7 Schill, in Schillingen eingenommen. Es ist angenehm zu berichten, daß die wißbegierigen Massen sich über alle Seitenräume des Gebäudes verbreiteten und namentlich den Militärischen Gegenständen ihre Aufmerksamkeit zuweüdeten.— Der Prästdeiitenrath der AuSstel- lungSjury ist nun definitiv gebildet, und wir geben hier die Namen derjenigen Mitglieder, welche Deutschland zu repräsentiren berufen sind. Für gewobene Fabrikate: Graf Harrach, Prof. Hermann; gemischte Fabri- cate: Prof. RoeSner aus Wien; schöne Künste: Hr. v. Viebahn aus Berlin; Metallurgie: Hr. Ferd. Schreiber; Maschinen zum unmittelbaren Gebrauch, als Wagen und dgl.: Ritter v. Burg; Architektonik: Graf Rosenaker; Gartenbauwerkzeuge: Hr. Bethmann-Hollweg, Prof. Hlubek, Prof. Rau; naturwissenschaftliche Instrumente: Hr. W. H. Miller; musika lische Instrumente (Unterjury): vr. Schaffhäutl und Hr. Thalberg; Baum wolle: Hr.C. Buschek, Hr.KIrchhoffer; Wolle und Garn: Hr. Schuller und vr. v. Hermann; Flachs- und Hanffabrikate: Graf Harrach; gemischte Fabrikate, Shawls rc.: HH. Gaußen und Schwan; Leder: HH. Röß ler und Nickolay; Papier und Druck: vr. Seyffarth; Gefilzte rc. Fabri kate: Hr. Schwarz; Tapeten: HH. Falk, Feßler; Kleider: Hr. Hülße; Eisenwaaren: HH. Auer und Steinbeiß; kostbare Metalle und Juwelen: Hr. Gruner; Porzellan und dgl.: Hr. Obernheimer; MeubleS rc.: Hr. Mayer, Prof. Roesner; kurze Waaren: HH. Hofmann, Schulmann; Sculpturwerke: Hr. v. Viebahn. — Es sind in den letztem Tagen mehre kleine Diebstähle vorgekommen., So werden in der österreichischen Ab- theilung mehre Stücke Sammet im Werthe von über 100 FI. vermißt. Belgien» In der Sitzung im Proceß Bocarme am 29. Mai setzt der Präsident das Verhör der Angeklagten fort; eS dreht sich zumeist nm bereits am Tage vorher verhandelte Punkte, wobei Bocarme consequent bei seinen frühem Aussagen bleibt. Der Präsident hält ihm seine ent gegenstehenden Mittheilungen an den GefangenhauSwächter vor, wonach er selbst gesagt, daß Gustav FougnieS am Boden gelegen, während er ihn gehalten,, und Frau v. Bocarme ihm das Gift eingeschüttet habe, und an den Hm. Vanderwessen, den Director des Gefängnisses: „Sie fühlen wol, lieber Director, daß, wenn ich die Wahrheit sagen müßte, ich sagen würde, meine Frau ist es gewesen, die ihm das Gift in den Mund und auf die Kleider gegossen hat; als sie ihm auf diese letzter» goß, war eS das zweite mal, und da sagte sie : Da hast du'S!" Der Angeklagte will nichts Anderes gesagt, haben, als daß seine Frau daS Gift, gegeben, aber unschuldigerweise, ohne eS zu wissen. Der Prä sident liest das Protokoll der Confrontation deS Angeklagten mit dem Director vor; dieser hat jene Aeußerungen danach eidlich bekräftigt. Eine andere vertrauliche Mittheilung an den Gendarmen Lavier Lambert will er auch nur dahin gemacht haben, daß er gesagt, seine Frau habe Gift in ein Glaö geschenkt. Präs.: „Es ist dabei von einem Glase nicht die Rede gewesen; das und die Flasche sind gestern zum ersten male aufgetaucht." Neber den Tag deS Verbrechens, den.20. Nov., befragt, will der Angeklagte sei ner Frau und Gustav FougnieS, der um 10 Uhr gekommen, beim Früh stück Gesellschaft geleistet, dann ihn verlassen haben bis um 2 Uhr. Während dessen sei er zum Theil im Garten gewesen; zurückkehrend, habe er Gustav mit der Frau v. Bocarme im Speisezimmer gefunden. Zur Lydia FougnieS gewendet, fragt der Präsident, ob sie glaube, daß ihr Mann,im Stande sei, sie eines so furchtbaren Verbrechens zu be schuldigen, wie er in Tournay gethan, wenn sie unschuldig. Sie ant wortet, daß er eS in einem Augenblicke der Geistesstörung gethan haben müsse. Das Zimmer verlassen haben will sie in dem Augenblicke, worin Gustav gerufen: „8avrs nvml", ein AuSruf, den sie früher in ihrem Verhöre nie erwähnte und erst jetzt, nach der Confrontation mit ihrem Manne, kennt. Der Präsident verliest den Angeklagten den Experten bericht, daS Ergebniß der chemischen Analyse. Man hat danach Nico tin in einer Menge gefunden, wovon ein Achtel hingereicht, den Tod zu bewirken; dann Essig. Am Schluffe seines Berichts sagt der Che miker, daß er glaube hinzusügen zu müssen, daß eine genaue Unter suchung der Leiche, besonders die gewaltige Veränderung deS obern Thei les der Zunge, vermuthen lasse, daß daS Einflößen in folgender Weise stattgefund;n habe: Zuerst ist daS Nicotin eingegossen; dabei lag Gu stav FougnieS auf dem Rücken, den Kopf zur rechten Sette wendend; numittelbar darauf sind gewaltige Convulstonen gefolgt und haben an gehalten biö zu seinem Tode; während derselben ist die Zunge zwischen die Zähne gerathen, und dieses erklärt die tiefe Verletzung derselben. Der Angeklagte behauptet dagegen, so etwas könne man drei Tage nach her nicht mehr beweise». pZ Man geht über zum Zeugenverhöre. Die beiden ersten Zeugen sind Notare, welche Verkäufe für den Angeklagten besorgt haben und nichts Erhebliches deponiren. Der dritte ist der JnstructionSrichter Henghebaert auS Tournay, ein kleiner Manu mit intelligentem strengem Gesicht von 46 Jahren, der großes Interesse erregt, weil er fast die ganze Unter suchung geführt hat. Ich fand, sagte er, bei meiner Ankunft Frau v. Bocarme beim Frühstück im Speisesaale allein. Ich benachrichtigte Vie Dame vom Grunde meines Kommens; sie schien sehr wenig betroffen und sagte mir nur, daß ihr Mann nicht da sei. Während ich seine Rückkehr abwartete, bemerkte ich, daß der Kamin deS Speisesaales ganz mit Asche von verbrannten Papieren bedeckt war. Als der Graf kam, bat ich ihn, mir die Leiche zu zeige» u»d ein Local zur Sectio» anzu weisen. Er zeigte nicht die »lindeste Betroffenheit. Man führte uns auf ein Zimmer, das Emerence Bricourt gewöhnlich bewohnte. Dort lag der Leichnaiy in einem dunkeln Alkoven auf der Matrazze und war mit einem reinen Hemde bekleidet, vr. Zoude und ich trugen daö Bett zum Fenster; Lippe» und Zunge wäre» schwarz, letztere geschwollen. Be sonders frappirte mich ei» Nagelriß an der Wange; die Wunde war mit trockenem Blute bedeckt. Der Körper wurde in die Remise geschafft, um ihn zu seciren. Hr. Rykmann blieb bei den Aerzten und hatte den Auftrag, mich zu holen, sobald eS nöthig sei, um den Grafen und die Gräfin zu vernehmen. Ich schritt nun zur Vernehmung des Grafen. Ich wollte nur alle Umstände erfahren, welche den Tod FougnieS' begleitet. Nachdem der Graf sowie alle Zeugen den Eid geleistet, die Wahrheit zu sagen, wurde es mir bald auffallend, daß er sich nicht mit voller Offenheit aussprach. So konnte er uns nicht angeben, was man gegessen, noch was man aufgetragen; er wußte nur anzugeben, die Gräfin sei nach Tische fort gegangen und er mit FougnieS im Dunkel geblieben; dieser habe plötz lich gerufen: Schnell, schnell! ach, ach! zur Hülfe! „Ich lief ihm bei zuspringen", erzählte der Graf Bocarme weiter, „ich wollte ihn halten, wir fielen Beide, er auf mich oder ich auf ihn. Eine Krücke zerbrach, ich rief um Hülfe." Das waren seine Angaben; wer zuerst herbeigeeilt, welchen Anblick daö Zimmer dargeboten, als man mit Licht kam, daS war unmöglich, von ihm zu erfahren. Dies machte mich stutzig; es schien, als wolle man den Frage» ausweichen; mir fiel die Narbe von einem Nagelriß auf der Wange der Leiche ein, mein Blut begann sich zu erhitzen allen diesen Jndicien gegenüber. Ich bat Hrn. v. Bocarme, mir seine Hand zu zeigen. Ich fand eine röthliche Färbung wie von Blut, das sich nicht hatte fortwaschen lassen, an einem Nagel der rech ten Hand. An der linken Hand fand ich zwei correspondirende Wunden; wie sie entstanden fragend, erhielt ich die Antwort: „Ich weiß nicht; es war, als wir miteinander rangen." Als Sie miteinander rangen? Ich glaube, Ihnen erklären zu müssen, daß Sie vorläufig verhaftet sind! Dies war meine Erwiderung, und ich gab dem Friedensrichter de» Be fehl, den Grafen ü vuo bewachen zu lassen. Frau v. Bocarme sei dar auf vernommen worden, fährt der Zeuge , fort, und habe sich mit we niger Rückhalt geäußert. Aufgefallen seh ihm aber auch bei ihr die Gleichgültigkeit über ihres Bruders Tod. Die Aerzte theilten mir dann daS Resultat der Analyse mit; sie glaubten, eine Vergiftung, durch Schwefelsäure bewirkt, entdeckt zu haben. Im Speisesaale bemerkte ich sodann bräunliche Flecken, die mir von Blut herznrühren schienen, und Spuren fleißigen Scheuerns daran; neben dem Tische wären große Oelflecken, dann feuchte Stellen da, wo die Leiche gelegen hatte, alö Emerence eintrat. Die Eheleute Bocarme, fährt der JnstructionSrichter fort, wurden am 22. Nov. Abends verhaftet. Ich ließ sie in ihrem eigenen Wagen inS Arresthauö zu Tonrnay bringen und augenblicklich trennen. So blie ben sie sehr lange, weil ich erst die materielle Seite der That gründlich untersuchen wollte. Wir suchten lange die chemischen Geräthe im Schlosse, das wir vollständig umwühlten. Der Graf gab an, daß er für 15,000 Fr. solcher Geräthe gehabt, aber nur noch für 2000 Fr. habe; wo sie seien, wollte er nicht angeben. Am 30. Dec. fanden wir sie endlich in einem Versteck über dem Plafond des Säulensaals. Ein Mensch hat schwerlich vermocht, sie dahin zu bringen. Ich erklärte dem Angeklag ten darauf, daß wir sie, an Zahl 120, gesunde», und daß er nun wohl daran thue, zu gestehen. Ich hatte ihn gefragt, ob er eine» gewissen Vanderberghe kenne. Diese Frage machte ihn höchst bestürzt; sie deu tete ihm eine ganze Reihe von Thatsachen an, welche er verborgen glaubte. Als er nicht mit der Sprache heraus wollte, waS er von die sem Vanderberghe gekauft, sagte ich ihm: Es ist Zeit, daß Sie die Wahr-