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Montag. Zweite Ausgabe. Abends 6 Uhr. 2. Juni 1861 zk«iz»ßi>. Di« Zeitung er. scheint täglich zwei mal und wird autgegeben in Leipzig Bormittag« I l Uhr, Abend« « Uhr; in »relde« Abend« L Uhr, Vormittag« 8 Uhr. tprci« für da« Vierteljahr A Thlr.! jede einzeln« Num mer l Ngr. Nr. L8L - Deutsche Mgemilie Zeitung. «Wahrheit uud Recht, Freiheit und Erseh!» Zu beziehen durch alle Poft Snuer de« In- undAuSlaude«, sowie durch die ÄrpkdUionen in Leipzig (Ourrstraßk Nr. 8) u»d »retden sbei 8 Höckner, Neustadt, An der Brücke, Nr. r>. Znsertion-geSübr für den Raum einer Zeile r Ngr. nern organischen Entwickelung fähiger Bundesstaat, sondern ein mecha nisch zusammengesetzter Staatenbund, und zwar ein Staatenbund, der ungünstiger als mancher andere, nämlich auS sich widersprechenden Ele menten, auS Mächten von ganz heterogenen Interessen, aus eifersüchti gen Groß- und Kleinmächten gebildet worden ist. Wie kann hier von einer die politische Seite betreffenden Verbesserung die Rede sein! Sollte Fürst Schwarzenberg für seine Person Ende 1850 wirklich solche inten sive Verbesserungen vor Augen gehabt haben, so würde daS nur bekun den, daß seine StaalSweiSheit in das Wesen des von Diplomaten der unverbesserlichen Schule gegründeten StaatenbundeS nicht eingedrungen ist. Weder hat man mit Recht den Dresdener Conferenzen dergleichen Verbesserungen zumuthen können, noch wird man mit Recht solche in Zukunft von den« frankfurter Bundestage erwarten dürfen. Die Grün dung eines deutschen StaatSlebeng liegt gänzlich außerhalb deS Selbst zweckes der den einzelnen deutschen Staaten präsidirenden Regierungen. Der preußischen Regierung liegt das specifisch-preußische Interesse, der österreichischen das specifisch-österreichische ab. Das deutsche Interesse ist gar kein Interesse der Regierungen, sondern daS deS deutschen Volks, des Volkes, daS sich nicht innerhalb der Grenzen deS sächsischen, preußischen, österreichischen Staats rc. bewegt, sondern innerhalb der Grenzen der deut schen Nationalität, die auf einer Landkarte noch nicht verzeichnet sind. Daß wir ganz im geschichtlich nothwendigen Geiste der sogenann ten deutschen Regierungen sprechen, in dem Geiste, welcher die Keime seiner Entstehung in derjenigen Epoche der deutschen Geschichte vorfindet, welche den verschiedenen, die. ReichSeinhelt neatrenden Landeshoheiten die Entstehung gab, haben die Regierungen in jüngster Zeit namentlich durch die eine Thatsache anerkannt, daß sie allenthalben in Deutschland den strengmonarchisch gesinnten Mann der deutschen Bewegung dem Re publikaner, sowie dem Socialdrmvkraten in Bezug auf Versagung ir gendwelcher Amnestie vollkommen gleichgestellt haben. Es kann unS hier nicht in den Sinn kommen, dies glS einen Tadel aufzuführen, son dern wohlverstanden, wir führen diese Thatsache nur als Beweis an, daß eS in dem Geiste der einzelnen sogenannten deutschen Territorial- hoheiten liegt, jede einheitliche deutsche Bestrebung als eine feindliche zu betrachten, daß es in diesem Geiste liegt, daS specifisch Nichtdeutsche zu wollen. Wie recht hatten wir also, eS als ein Unrecht zu bezeichnen, den Dresdener Conferenzen jetzt solche Vorwürfe zu "machen, wie wir oben berührten. Wir konnten unbedingt zu Anfang unserer vorliegenden Betrachtung von der Anerkennung Dessen auSgehen, was trotz der für die Einheit der Regierungen sehr ungünstigen Verhältnisse auf den Con ferenzen geschehen und gewirkt worden ist. In der jetzigen Zeit, wo vorderhand dem deutschen Volksstaate jedwede Zukunft abgeschnitten zu sein scheint, gilt eS, Objektivität deS Geistes genug zu besitzen, Das richtig zu würdigen, was die Partei deS StaatenbundeS für sich thut. Auch die Dresdener Conferenzen find von Bedeutung; auch sie werden in das Buch der deutschen Geschichte eingetragen werden, —allerdings in daSBuch der Geschichte, welche die deutsche Diplomatie hat machen wollen! ^Berlin, 1. Juni. Wir find kürzlich, am Vorabend der Enthül- lungSfeter des Denkmals Friedrich'S deS Großen, mit einem Geschenke ganz eigener Art bedacht worden. Die alten Provinzialstände find wiederhergestellt, und zwar nicht durch königliche octroyirte Verordnung, nein, durch ein einfaches Ministerialrescript. Die Partei der „Specifi-, schen" jubelt in ihrem Organe, sie singt Hosianna, erspart sich aber die Mühe, besondere Schlachtopfer zu bringen, da ihrem Gott das wohl gefälligste Opfer bereits gebracht worden — die Verfassung vom 30. Jan. 1850. Zwar besteht das StaatSgrundgesetz noch auf dem Papier, in Wahrheit aber ist eS seit Monaten untergraben, mit dem erwähnten Ministerialrescript ist nun gar Bresche geöffnet, wie lange kann also der Bau noch halten? Der kleine Krieg behagte den Kreuzrittern nicht mehr. Sie schämten sich deS VorwurfS: „Du kannst im Großen nichts errei chen und fängst eS nun im Kleinen an." Sie haben gezeigt, daß sie eS auch im Großen anfangen können. Also denn, die Provinzialstände hätten wir wieder. DaS ofstcielle Dokument liegt Ihnen vor; ich kann mich daher darauf beschränken, Ihnen die wichtigsten Stellen desselben aus der preußischen Bnreaukratensprache in ehrliches Deutsch zu übersetzen. Den Vorwand zu diesem Act der Restauration bildet die Einkommen steuer; die behuss Erhebung derselben vorgesehenen EinschätzungScommis- sionen sollen nämlich auS Mitgliedern der Provinzialvertretung und auS Steuerpflichtigen, welche von letzterer gewählt werden, bestehen. Da man nun nach 15 Monaten noch nicht dahin hat gelangen können, die Gemeinde- und Provinzialordnnng zur Ausführung zu bringen, so sieht man sich genöthigt, interimistische Provinzialvertretungen zu schaffen. Deutschland. -j»Dresden, im Mai. DieDresdener Conferenzen sind vorüber. Von entgegengesetzten Seiten her wird ihnen der Vorwurf gemacht, sie hätten mcht gehalten, waS sie versprochen. Abgesehen davon, daß sie von vornherein für den Einsichtigen nicht vielversprechend waren, so trifft sie obiger Vorwurf auch noch auS andern Gründen nicht. Der poli tische Wirrwarr Deutschlands war vor dem Beginn der Conferenzen so groß, daß eS in der That den Regierungen zunächst und hauptsäch lich nur darauf ankommen konnte, einen von allen Groß- und Klein mächten als gültig angesehenen Ausgangspunkt für weitere Regulirun- gen zu finden. Und ist dieser nicht wirklich gefunden worden? Wenn man sich der außerordentlich starken Opposition erinnert, die bis zum Beginn der'Conferenzen Preußen gegen die Wiederherstellung deS alten Bundestags ausübte, und dagegen jetzt bereits daS Factum dieser Wie derherstellung vor Augen sieht, so muß man zugestehen, daß die nun mehr wirklich erreichte Einigung der Regierungen eine größere geworden und schneller zu Stande gekommen ist, als sich im Rückblick auf die jüngst vergangenen Zeiten erwarten ließ. Die tieferschütterten Grund lagen deS deutschen StaatenbundeS sind wieder befestigt, ja man trägt sogar auS Dresden nach Frankfurt die zuversichtliche Aussicht hinüber, die innere und äußere Sicherheit diesem Bunde bald noch in höherm Maße auf militairlscher Basis garantiren zu können, als man daS selbst in den vorrevolutionairen Zeiten vermocht hatte; endlich darf auch nicht unerwähnt bleiben, daß die einer sorgfältigen Thätigkeit entsprungenen CommisstonSberichte, betreffend die unabweislichsten materiellen Federun gen der Zelt, eine tüchtige Vorarbeit für die Berathungen des frankfur ter Bundestags abgeben werden. Fürst Schwarzenberg meinte freilich, schon bei Eröffnung der Conferenzen den alten Bund als allseitig an erkannten Ausgangspunkt gewonnen zu haben, doch dies war lediglich «ine Ueberschätzung der damaligen Resultate der österreichischen Po litik. Ebenso stellte Fürst Schwarzenberg infolge seines eben gerügten JrrthumS an die Persönlichkeiten, die im Brühl'schen PalaiS getagt haben, sogar die Foderung: „Lassen wir eS uns angelegen sein, die Bun desverfassung mit Benutzung der Rathschläge der Erfahrung und mit Berücksichtigung alles Dessen zu ergänzen und zu verbessern, was Zeit und Umstände zur Wohlfahrt deS Vaterlandes wirklich erheischen", und gerade hier liegt der Punkt, auf welchem jetzt großdeutsche Stimmen fußen, wenn sie den verblichenen Conferenzen ihren Bannfluch nachschleu dern, weil diese eben nur den „unverbesserten Bund" zu Tage gefördert hätten; gerade hier liegt der Punkt, auf welchen sich die obgenannte Partei stützt, wenn sie die kleinen Staaten jetzt mit den Wolken ihres erhabenen Zornes einhüllt nnd ihnen geradezu vorwirft, die nöthige Ver besserung deS Bundes verhindert zu haben. Allein diese geographische Erweiterungspartei Deutschlands (denn in dieser Bezeichnung ist der Kern -er fehlgeschlagenen Verbesserungen angedeutet) sollte die Worte des öster reichischen Premiers eben nicht so weit als Orakel ansehen, daß sie mei nen könnte, die oben gerügte Ueberschätzung der österreichischen Macht, welche sich der genannte Herr bet Eröffnung der Dresdener Conferenzen zu schulden kommen ließ, gänzlich übersehen zu dürfen. Eine andere, gutmüthigere Pärtei, die wirklich intensive Verbesserun gen des Deutschen Bundes in jetten Worten deS österreichischen Minister präsidenten verheißen glaubte, ist jetzt ebenfalls auf die Dresdener Con ferenzen sehr böse. „ES ist schon recht gut, sagt sie, daß die Regierun gen den alten Bundestag als Ausgangspunkt ihrer Berathungen erwähl ten, um nur endlich einmal unter einen Hut zu kommen, — aber man hätte für daö arme «einige Deutschland», für die politischen Interessen deS deutschen Volks doch ebenso etwas thun sollen, wie man für die materiellen Interessen desselben sich bemüht hat, vorbereitende Sorge zu tragen; aber da ist ja gar nichts geschehen!" DaS ist gewiß recht de- spectirltch gesprochen. Jeder Wahrheitsliebende muß mit Entschiedenheit den Voraussetzungen, ans denen diese Ansicht beruht, entgegentreten. Erstlich hüt sie zur Voraussetzung denselben Jtrthum, der schon bei der eisten Partei gerügt wurde, nämlich als habe Oesterreich wirklich beim Beginne der dresdener Verhandlungen alle deutschen Regierungen unter einen, namentlich aber Preußen unter seinen Hut gebracht gehabt. DaS ist ja eben erst das Resultat der Conferenzen. Zweitens beruht obige Ansicht aber auf einer andern, ihrem Wesen nach noch viel irr- tbümlichern Voraussetzung, als jene erste ist. Wer einigermaßen die Principien des alten Deutschen Bundes durchschaut, wird, wie auch in die ser Zeitung schon mehrfach angedentet worden ist, sich nicht in VerbefferungS- träumen wiegen können. Der Deutsche Bund ist ein zwischen so und so viel Persönlichkeiten zu Stande gekommener Vertrag, ist kein der in