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Eifer.geröthttr» Antlitz mit einem unbtschrciblichen AuSdrucke von Der- schmjtztheit httvorlauscht«. Ru», «der drn Aellergucker, d«, Pastor da, fuhr der Justizrath fort, i,d«m er seine Augen «uf da« Engrlchen geheftet hielt, mit solcher Schärfe und so durchdringend^ al« hätte er e« hier mit dem verstocktesten Jncul- p-te» zu thun. E Pfuk doch, sagt« öq« Engelchen, die jetzt wieder ernstlich bSse ward ... Da« ist mir li«b, «rwidertc der Justizrath, ich habe den Menschen nur bei Lisch« gesehen r nicht zwei Worte Has er gesprochen die ganze Zeit; aber genug, er gefällt mir nicht und e« freut mich, daß wenigsten« dieser Schwarz rock sich nicht «inbilden darf, da« spröde Herz de« Engelchen gerührt zu haben." Aber wie steht «S nun mit dem Letzten, dem Dritten?... Welchem Dritten? fragte Angelica mechanisch. Ihre Gedanken waren in dir That schon weit weg von diesem unerquicklichen Gespräch; sie war fester al« je entschlossen, Herrn von Lehseldt mit der Führung ihrer Ange legenheit zu beallsträgeis, und sann nur Noch darüber nach, wie sie in aller Schnelligkeit den Aufenthalt de« unsteten Flüchtling- erforschen sollte. Nuü, was stellen wir unS! rief der Justizrath: den Maler meine ich, den gewisse schöne Augen hier solange festgehaltcn haben, den Herrn Mül- ler — oder Schulze — oder nein, jetzt hab' ich's, Schmidt.... Er ist weder ein Maler, noch heißt er Schmidt, sagt« Angelica verdrieß lich und nur halb hinhörrnd; sie hatte in diesem Augenblicke nur noch den einen Wunsch, diese ganze fruchtlose Unterredung sobald wie möglich zu endigen. Aber wie ihr die Worte, halb in Gedanken, entschlüpft waren, , mußte sie «kröchen über sich selbst, thcilS vor Ueberraschung, daß sie da« Geheimniß des jungen Mannes zum zweiten male in Gefahr gebracht, theils auch weil der Justizrath gerade in diesem Augenblicke von demselben Manne sprach, mit dem ihre Gedanken eben so lebhaft beschäftigt waren. Dem Falkenblicke'des Justizraths entging Nichts, auch nicht dieses Er- röchen, Kein Maler ist er? und heißt auch nicht Schmidt? sagte er mit langgedehntem Tone, indem «in verhaltenes Gelächter den langen, Hagern Körper durchschütterte: ei, ei, und wer ist es denn; wenn ich fragen darf? Angelica hatte sich schnell gefaßt. Ein junger Mann, sagte sie, den un- glückliche Verhältnisse-genöthigt haben, sich für einige Zeit unter fremdem Namen hierher zu flüchten; sein wahrer Name und Stand ist nicht nur mir, sondern auch Herrn und Madame Wolston bekannt, und auch Sie, glaube ich, würden ihn von Namen wie von Person kennen, wenn es mir gestattet wäre, da- Geheimniß zu enthüllen. Ah so, ein Geheimniß, sieh mal an, spottete der Justizrath in immer gedehnterm Tone, und immer deutlicher, wie das Brodeln eines Wassers, quoll sein heimliches Gelächter in die Höhe: ein Geheimniß, das ist ja höchst romantisch! Und Herr Wolston kennt ihn auch, sagen Sie? Nun da haben Sie nur Muth, mein Schatz, setzte er hinzu und streichelte ihr halb schalkhaft, halb gutmüthig die Wangen; Herr Wolston, wie gesagt, ist kein Unmensch, und wenn der geheimnißvolle Herr Schmidt nur Halb wegs eine honette Personnage, will ich auch schon mein Wort für ihn ein legen — sollst ihn haben, mein Schätzchen, sollst ihn habrn! Aber hier gingen Geduld und Kräfte des jungen Mädchens zu Ende. Laut weinend stürzte sie in die Knie, das schamerglühte Antli^ in die Kis sen des SophaS zu verbergen. Ach, ach, rief sie, Herr Justizrath. Das von "Ihnen, den ich allezeit verehrt habe als meinen Vater und der Sie mich doch sollten wahrhaftig besser kennen! Haben Sie Dank, Herr Ju- stizrath für Alles, was Sie bisher für mich gethan haben und noch für mich thün wollen: aber ich überzeuge mich freilich zu deutlich, daß unsere Ansichten von dieser Sache nicht zusammenpassen — durch meine Schuld, ganz gewiß: aber so will ich lieber untergehen für meine Thorheit als mich' Ihrer Weisheit fügen. Der alte Herr war durch die plötzlich ausbrechende Heftigkeit der jun gen Dame in di« äußerste Verlegenheit gesetzt. Es begegnete ihm wol öf ter, daß er einen Scherz zu weit trieb, ohne es selbst zu merken; aber nie mals hatte ihm da- so leid gethan wie jetzt. Nun so schreien Sie doch nicht gleich so erbärmlich, sagte er ärgerlich (diese Art von Aergerlichkeit war bei ihm in der That der äußerste Grad von Selbstzerknirschung und Nene, zu dem er cs bringen konnte): ich will Sie ja zu Ihrem Glück nicht zwingen, Sie sollen ja weder heirathen noch sich vergleichen, wenn Sie nicht wollen. Aber nur das Eine sagen Sie mir endlich, was Sie denn eigentlich wollen: und wenn nur ein kleiner Gran Menschenvernunft darin ist, so will ich Ihnen ja dazu beistehen, selbst gegen meine eigene bessere Ueberzcugung, soviel ich nur kann. Das Testament als falsch und ungültig angreifen, sagte Angelica, sich stolz aufrichtend; mich meinem Bruder erhalten, solange ihn Gott mir er hält, und die Ehre meiner Mutter retten, die noch in ihrem fernen, un bekannten Grabe durch ein abscheuliches Complot bedroht wird! Der Justizrath stampfte, die Hände auf dem Rücken, die kleine Stube mehrmals auf und nieder. Endlich blieb er vor dem jungen Mädchen ste hen; seine Stimme war jetzt ganz weich geworden und sein Auge blickte wie feucht. Sie sind sehr böse auf mich, Engelchen, sagte er, und ich mag es zum Theil verdient haben. Aber lieb habe ich Sie doch, viel Äeber als Sie denken und ahnen. Ich habe Ihnen vorhin schon gesagt, daß ich Nach forschung in England angestcllt habe. Es war auch die pure, närrische, väterliche Zärtlichkeit von mir, daß ich nichts weiter über diesen Punkt hin- . zugefügt habe; aber Sie abscheulicher Eigensinn zwingen mich ja,' und ich Lin auch solch ein alter, grauer Thor, daß ich Ihnen auch in diesem Stück ! nachgebe. Die Ehre Ihrer Mutter—! Gott segne Sic dafür, gutes En- ! gelchen, daß Sie da« Andenken Ihrer Mutter noch im Grabe so lieb ha' den; e< ist Pflicht jede- gutgeartetrn Kinde-, jederzeit da-Beste von seinen Aeltern zu denken, und verflucht soll die Zunge sein, die einem Kinde aus Vorwitz oder Bosheit den ehrwürdigen Glauben an seine Aeltern erschüt tert. Aber nun glauben Sie auch mir, gute- Kind, wenn ich Ihnen sage: — gerade wenn Sie die Ehre Ihrer Mutter lick haben, dürfen Sie keinen Proceß gegen Herrn Wolston anfaNgen, die Ehre Ihrer Mutter verträgt diesen Proceß nicht — verstehen Sie? Da- junge Mädchen starrte ihn mit langsamem Kopfschütteln verwun dert an, nur die bebenden Lippen und da- leise, fieberische Zucken der klei nen Hand verriethen den Sturm, der in ihrem Innern tobte. Der Justizrath drückte sie sanft vor sich nieder in das Sopha, dann auf die Lehne gestützt, mit verhaltenen, möglichst gleichgültigem Tone, sagte er: Hier, mein arme- Kind, waS ich auf die unzweifelhafteste und zuverläs sigste Weise von dem frühem Schicksal Ihrer Aeltern erfahren habe." — Ihre Mutter, wie Sie wissen, war vor der Ehe mit Herrn Wolston schon einmal vermählt, mit dem Manne, dem Sie Ihr Dasein verdanke« und dessen Namen Sie führen. Ihr Vater war ein reicher und angesehen ner Kaufmann in London, dabei jung, schön, von liebenswürdigen Sittei und Ihrer Mutter mit blinder, abgöttischer Leidenschaft ergeben. Dennoch muß auch er seine geheimen Fehler gehabt haben, ich nehme eö so an, weil es mir sonst unbegreiflich wäre, wie das Herz Ihrer Mutter sich von einem so würdigen, so liebevollen Manne verirren konnte zu diesem — Dem Justizrath fiel noch zur rechten Zeit ein, daß der Mann, dem er im Sinne hatte, Niemand anders war als der gegenwärtige Stiefvater des Engelchen, und so verschluckte er denn das harte Wort, das ihm schon auf der Zunge schwebte. Er fuhr fort: Genug, Ihr jetziger Stiefvater, Herr Wolston, kam kurze Zeit nach Ih rer Geburt in da- Haus Ihres Vaters. Haben meine Gewährsmänner mich recht berichtet, so ist Herr Wolston damals sehr weit entfernt gewesen von dem Glanze und dem Reichthnm, den er jetzt um sich entfaltet. Im Gegentheil, sein erste- Auftreten in London soll sogar ziemlich armselig, fast bettelhaft gewesen sein. Durch welche Mittel er sich soweit in die Höhe gebracht, um nur als Gehülfe rn das Comptoir Ihres Vaters zu treten, wußte Niemand mehr anzugebcn; cs steht zu vermuthen, daß eS irgend welche kaufmännische oder industrielle Geheimnisse gewesen sind, welche ihn, verbunden mit jenem Fleiß« und jenem Scharfsinn, der ihm noch heute selbst von seinen Gegnern muß zugestanden werden, in kurzer Frist auf die erste Stelle, zunächst Ihrem Vater, beförderten. Aber Herr Wolston war auch noch mehr geworden inzwischen als nur der erste Buchhalter und Geschäfts führer Ihres Vater- — er war auch der Freund Ihrer Mutter geworden.... Angelica saß lautloS; sie sah starr vor sich nieder, während heiße, dichte Thränen über ihre Wange rieselten. Ihr Vater, fuhr der Justizrath fort, bekümmerte sich nur wenig um sein Geschäft; mit demselben blinden Vertrauen, mit dem er seinem neuen Freunde die Ehre seines Hauses preisgegeben, überließ er ihm auch die aus schließliche Leitung seiner ausgedehnten und verwickelten Angelegenheiten. Auf Herrn Wolston'- Betrieb wurden einige sehr kühne, in ihrem Erfolge jedoch sehr glückliche Gpeculationen gemacht. Das gab die Veranlassung zu noch kühner«, noch ausgedehnter«, die aber minder glücklich ausfielen, — oder doch ausgefallen sein müssen, verbesserte der Justizrath sich selbst; denn eines Tags kam Herr Wolston bleich vor Schrecken in das Ca- binet Ihres Vaters, legte ihm Briefe und Berechnungen vor und bewies unwidersprechlich, daß die Firma bankrott sei. Eine halbe Stunde später empfing Ihr Vater einen anonymen Brief, in welchem ihm, und zwar wie der auf die unwiderlegbarste Weise, bewiesen ward, daß auch seine häus liche Ehre bankrott, schon seit langem bankrott — und wiederum nach einer halben Stunde war Ihr Vatcr todt; er hatte sich eine Kugel durch den Kopf geschossen.... *) *) Das neunte Capitel: „Das Verhör", in der nächsten Nummer. Eine wichtige Erfindung. Wieder ist eine Erfindung in das Leben getreten, sagt die Deutsche Reichs-Zeitung, die, wenn sie sich bewährt, woran kaum zu zweifeln, eine der heilbringendsten der neuern Zeit sein dürftc. Sie scheint bisjetzt kaum oder doch nur unvollständig bekannt zu sein, und es ist der Zweck dieser Zeilen, auf ihre hohe Wichtigkeit aufmerksam zu machen. Man erinnert sich des Aufsehens, welches die Auffindung der Mittel vcrursachtc, wodurch beim Einathmen vorübergehend Empfindung und Bewußtsein Hinweggenom nien und somit manche sonst so schmerzhafte chirurgische Operation leicht ausführbar gemacht wird. Wenngleich die Anwendung des Schwefeläthers und Chloroforms sich vielfach wohlthätig erwiesen hat, so sind doch auch manche unglückliche Fälle vokgekommen und ihr Gebrauch ist nur den Händen umsichtiger und er fahrener Wundärzte anzuvertrauen. Es fehlte bisher ein Mittel, welches, nicht das Bewußtsein, sondern die Schmerzen in der großen Zahl der ge wöhnlich vorkommenden Lcidcnszufälle rasch hinwegnimmt und welches von Jedermann leicht und gefahrlos angewandt werden kann. Ein solches auf- zusinden, ist dem französischen Arzte Aran gelungen, nachdem er unermüd lich eine Menge chemischer Stoffe in dieser Beziehung der Prüfung unter worfen hatte. Es ist dieses eine angenehm riechende Flüssigkeit, von der 10— 20 Tropfen entweder unmittelbar auf den schmerzhaften Theil oder auf ein schwach mit Wasser befeuchtetes Leinwandläppchen geträufelt und dieses auf die leidende Stelle gelegt, dann mit Wachstaffet bedeckt und