Volltext Seite (XML)
2. SONDERKONZERT Festsaal des Kulturpalastes Dresden Mittwoch, den 16. April 1986, 20.00 Uhr ohilhsrnooniio Dirigent und Solist: Martino Tirimo, Großbritannien, Klavier Ludwig van Beethoven 1770-1827 Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 B-Dur op. 19 Allegro con brio Adagio Rondo (Molto allegro) Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 C-Dur op. 15 Allegro con brio La rgo Rondo (Allegro) PAUSE Konzert für Klavier und Orchester Nr. 4 G-Dur op. 58 Allegro moderato Andante con moto Rondo (Vivace) MARTINO TIRIMO entstammt einer griechischen Musi kerfamilie, die die Begabung des Kindes schon zeitig förderte. Seine pianistische Ausbildung erhielt er in Wien und London, der Stadt, die er später auch als Wohnsitz erwählte. Seine internationale Karriere be gann mit den 1. Preisen bei den Internationalen Kla vierwettbewerben in München (1971) und in Genf (1972). Konzerte in vielen europäischen Musikzentren, in Kanada und den USA (hier debütierte er mit dem Cleveland-Orchester) brachten ihm eindrucksvolle Er- f<^«^ Anerkennung errang er auch mit seinen Schall- .^^Äneinspielungen aller Schubert-Klaviersonaten, der k^i^rkonzerte von Brahms und verschiedener Werke von Rachmaninow. Mit der Dresdner Philharmonie musizierte der prominente Pianist, der auch schon als Dirigent hervorgetreten ist, erstmals 1983. ZUR EINFÜHRUNG Ludwig van Beethoven hat mit seinen fünf Klavierkonzerten, die er zunächst für sein eigenes öffentliches Wirken als Pianist schrieb, Gipfelwerke der virtuosen Konzertliteratur ge schaffen. Bereits vor den beiden ersten Klavier konzerten op. 15 und op. 19 hatte er sich mit der Komposition von Klavierwerken beschäftigt (Trios op. 1, zahlreiche Sonaten) und auf die sem Schaffensgebiet weit eher musikalisches Neuland, neue Klangbezirke erschlossen als in der Sinfonik. Die Klavierkonzerte entstanden etwa parallel zu den ersten sechs Sinfonien. Als sein Gehörleiden den Meister zwang, seine von den Zeitgenossen hochgeschätzte pianistische Tätigkeit aufzugeben, hatte er sein bedeutend stes Klavierkonzert, das fünfte in Es-Dur, be reits geschaffen und die mit dem dritten Kon zert einsetzende Entwicklung seines konzertan ten Schaffens von aristokratisch-gesellschaft licher Unterhaltungskunst zum ideell-schöpfe rischen Bekenntnis auf den Höhepunkt geführt. Nach Beethovens eigener Mitteilung hat er das als 2. Klavierkonzert geltende Opus 19, B-Dur, bereits vor dem 1. Konzert C-Dur op. 15 komponiert, aber den offensichtlich zunächst mehr improvisierten Solopart des B-Dur-Kon zertes erst für die Drucklegung 1801 endgültig fixiert. Beide Konzerte spielte der Komponist erstmalig 1795 in seinen Wiener Akademien und - in überarbeiteter Form — Ende Oktober 1798 in Prag. Das zarter und sparsamer als das erste instrumentierte Klavierkon zert Nr. 2 B-Dur op. 19 ist in seinem Charakter lyrischer und gedämpfter als jenes. Doch tritt im Gesamlverlauf neben die Sensi bilität auch die Vitalität des Ausdrucks. Chro matische Wendungen in den ersten beiden Sätzen erinnern an Mozart. Das B-Dur-Hauptthema, mit dem die ausge dehnte Orchestereinleitung des ersten Satzes (Allegro con brio) beginnt, wird aus einer energisch-markanten und einer — gegensätz lichen - gesangvoll-melodischen Motivgruppe gebildet. Der lyrischen Entwicklung des Sat zes, die dabei auf kraftvolle, virtuos-figurative Partien nicht verzichtet, dient auch das kan- table zweite Thema in Des-Dur. Im zweiten, reich figurierten Satz, träumerisch poetische Adagio-Variationen, stellen zu nächst die Streicher das etwas zerklüftete Hauptthema vor, das dann vom Solisten über ¬ nommen und abgewandelt wird. Das Orche ster greift gegen Schluß die Grundgestalt des Themas nochmals auf. Keck-kapriziös, den zweiten Taktteil betonend, ist das Hauptthema des Rondo-Finales (Molto allegro). Es ahmt den Kuckucksruf nach und ist mit seiner Synkopierung das treibende Ele ment des abwechselnd melodisch und brillant konzertierenden Schlußsatzes, der an folgende Worte Beethovens über den Schaffensprozeß denken läßt: „Woher ich meine Ideen nehme? Das vermag ich mit Zuverlässigkeit nicht zu sagen; sie kommen ungerufen, mittelbar, un mittelbar, ich könnte sie mit Händen greifen, in der freien Natur, im Walde, auf Spazier gängen, in der Stille der Nacht, am früheji Morgen, angeregt durch Stimmungen, die bei dem Dichter in Worte, bei mir in Töne urrP setzen, klingen, brausen, stürmen, bis sie end lich in Noten vor mir stehen." Das Klavierkonzert Nr. 1 C-Dur o p. 1 5 bewegt sich inhaltlich, stilistisch und formal noch ganz im Rahmen jener „Gesell schaftsmusik", wie sie die Haydn- und Mo- zartzeit kannte. Dennoch sind durchaus schon typische Merkmale des späteren Personalstiles des damals erst 25jährigen Komponisten zu erkennen: seine Eigenwilligkeit, Kraft und Phantasie. Das spielfreudige Werk, das dem Solisten mit seinen Verzierungen und brillanten Läufen reichlich Gelegenheit gibt, seine technischen Fertigkeiten zu beweisen, besitzt durch die ju gendliche Frische und klassische Klarheit seiner musikalischen Gedanken einen hellen, kraft vollen Charakter, der an die Nähe der 1. Sin fonie erinnert. Klarinetten, Trompeten und Pau ken verstärken noch diesen festlich-optimisti schen Eindruck. Wie üblich steht der erste, umfangreich^B Satz (Allegro con brio) des Konzerts in SorreP tensatzform. Die Orchestereinleitung bringt die Themenaufstellung. Ein akkordisches Marschthema kündigt den strahlenden Cha rakter des Werkes an. Zunächst leise be ginnend, wird es bis zum Tutti gesteigert. In Es- Dur steht das gesangvolle zweite Thema, das nach einer kurzen Durchführung wieder vom Hauptgedanken und einem marschartigen Nachsatz abgelöst wird. Nun setzt das Solo instrument ein und leitet zum Hauptthema über, das variiert und mit glanzvollen Passagen um spielt wird. Den Durchführungsteil beherrscht in erster Linie der Solist, obwohl das Orchester Im 1. und 2. Außerordentlichen Konzert dieser Spiel- zeit — ain 12. und 13. September 1985 — realisierte er eine ebenso anspruchsvolle wie ungewöhnliche inter pretatorische Aufgabe, der er sich auch am 9. und 16. Mai 1986 gemeinsam mit den Dresdner Philharmo nikern in der Londoner Royal Festival Hall stellen wird: die zyklische Darbietung sämtlicher Klavierkon zerte Beethovens an zwei Abenden, die er zugleich als Dirigent und Solist bestreitet. Nach dem außer ordentlichen Erfolg der September-Konzerte wird heute, nicht zuletzt im Hinblick auf die am 27. April begin nende Gastspielreise der Dresdner Philharmonie nach Irland und Großbritannien, der erste Teil des Zyklus wiederholt.