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und ungewöhnliche Tonarten tragen zu die sem Eindruck bei. - Das folgende Andante in C-Dur nimmt nach besinnlichem, zögerndem Beginn ernste und leidenschaftliche Züge an und überrascht durch unerwartete Kontraste und kraftvolle Farbwirkungen. - Im letzten, spürbar von Haydn beeinflußten Satz (Alle- gretto) wurden die Bläser besonders reich be dacht. Formal als eine Art Mischung zwischen Rondoform und freiem Variationssatz ange legt, sprüht dieser Schlußsatz mit seinem naiv fröhlichem Hauptthema vor Heiterkeit und gu ter Laune. Den wirkungsvollen Abschluß bildet eine mit Finale überschriebene Stretta im Pre- sto-Tempo. Die zwei großen mehrsätzigen Programmsin fonien mit Schlußchor, die Franz Liszt ge schrieben hat, die „Sinfonie zu Dan tes , Divina Commedia'' 1 und die „Faust-Sinfonie", werden als seine beiden be deutendsten Orchesterwerke überhaupt ge wertet. Die Bestrebungen Hector Berlioz' fort setzend, gelangte der Komponist hier - wie in seinen zwölf sinfonischen Dichtungen — zu einem neuen Typus, jenseits aller erstarrten Formen. Ebenso wie in der „Faust-Sinfonie" bildet auch in der „Dante-Sinfonie", die 1855/ 1856 komponiert und 1857 in Dresden urauf geführt wurde, eine der größten Dichtungen der Weltliteratur den programmatischen Vor wurf, die „Göttliche Komödie" des berühmte sten italienischen Dichters, Dante Alighieri (1265—1321). Liszt hatte sich bereits lange Zeit vor der Komposition seines Werkes, dessen erste Entwürfe bis ins Jahr 1840 zurückreichen, intensiv mit Dantes grandiosem Versepos, einem gewaltigen Welt- und Menschenbild |des Mittelalters, beschäftigt. Die umfangrei che Sinfonie gliedert sich in zwei große Ab schnitte, „Inferno" („Hölle") und „Purgatorio" („Läuterung"), denen ein chorisches „Magni- ficat" beigefügt ist. Ursprünglich sollte an stelle des „Magnificats" ein dritter Satz, „Pa radies", stehen, den Liszt dann jedoch auf Anraten Richard Wagners hin nicht vertonte. Schon die Satzüberschriften zeigen, daß es sich bei der Komposition nicht um eine sinfoni sche Dichtung handelt, die dem Gang des großen und gestaltenreichen Danteschen Epos folgt; der Komponist deutet vielmehr nur die Grundstimmung der „Göttlichen Komödie" aus und greift - quasi als Nachhall der Lek ¬ türe des Werkes - einige besondere Stim mungsbilder heraus. Als Motto des ersten Abschnittes, des „Infer no", ertönt in Posaunen und tiefen Streichern ein drohend-düsteres Thema, dem Liszt Dan tes Worte „Per me si va nella cittä dolente" („Durch mich geht ein zur Schmerzensstadt''), die Inschrift über Dantes Höllentor, unterlegte. Zweimal wird dieses von Paukenwirbel beglei tete unheimliche Thema wiederholt, dem in Hörnern und Trompeten ein zweites finsteres Motiv folgt: „Lasciate ogni speranza, voi ch'entrate" („Laßt alle Hoffnung, ihr, die ihr eintretet''). In der nun einsetzenden gewalti gen Steigerung werden in bildhaft-realisti scher Ausmalung der Schrecken des Infernos alle orchestralen Möglichkeiten eingesetzt und entfesselt: u. a. schmerzstöhnende, ächzende Halbton-Motive, aufschreiende Dissonanzen, abgerissene Rhythmen und gequälte abstei gende chromatische Tonfiguren, die sich als wichtigstes Motiv in verschiedenen rhythmi schen Fassungen herausheben. Nachdem noch einmal unerbittlich-eindringlich das Thema „Lasciate ogni speranza" aufgeklungen ist, schließt sich ein freundlicheres Klangbild an. Mit Harfen- und Flötentönen werden die Gestalten des unsterblichen Liebespaares Paolo und Francesca da Rimini heraufbeschwo ren (5. Gesang, Vers. 88 ff.). Sie büßen mit ewiger Verdammnis in der Hölle ihre innige, aber mit Schuld beladene Liebe, die Liszt hier — Dante folgend — zu einem zarten, lyrischen Intermezzo, von einem süßen Liebesthema ge tragen, inspirierte. Doch wieder setzt mit dem düsteren Hornthema das Rasen der höllischen Mächte ein. Der zweite Abschnitt der Sinfonie, „Purgato- rio" überschrieben, schildert einen Ort der Läuterung und Reinigung (nicht das „Fege feuer", wie der Begriff oft fälschlich übersetzt wurde). Der Satz bietet denn auch ein größ tenteils lyrisch-anmutsvolles Stimmungsbild mit überwiegend versöhnlich-weihevollem Klanggeschehen dar. über gedämpften Strei cherklängen ertönt ein später von den ande ren Holzblasinstrumenten und schließlich auch von den Streichern aufgenommener und fort gesponnener weitschwingender Oboen-Ge- sang. Unterbrochen wird das verklärte Klang bild von einem „Lamentoso" genannten Teil in Fugenform, der die eigentliche Selbstläu terung darstellen soll und wiederum heftige Ausbrüche des ganzen Orchesters bringt, ehe der Schluß des Satzes wieder zur Anfangs stimmung zurückführt. Unmittelbar anschließend folgt der Chorab schluß der Sinfonie, ein von Frauen- bzw. Kin derstimmen (Sopran und Alt) vorgetragener Lobgesang der Maria: „Magnificat anima mea dominum" („Meine Seele erhebt den Herrn"). Das Orchester tritt in diesem relativ kurzen Schlußteil, der die Stimmung des zwei ten Satzes fortführt, weitgehend zurück; der Chorsatz ist schlicht und gemahnt in seiner melodisch-harmonischen Struktur an mittelal terliche Musik. In zarter Verklärung endet das große Werk, das Stellen enthält, die zum Schönsten gehören, was der Komponist ge schaffen hat (beispielsweise die ergreifende Liebesszene des ersten Satzes, die Verinner lichung des Ausdrucks im zweiten Satz). Prof. Dr. Dieter Härtwig VORANKÜNDIGUNGEN: Sonnabend, den 19. April 1986, 20.00 Uhr (Anrecht B) Sonntag, den 20. April 1986, 20.00 Uhr (Anrecht C 1) Festsaal des Kulturpalastes Dresden Einführungsvorträge jeweils 19.00 Uhr Prof. Dr. habil. Dieter Härtwig 9. ZYKLUS-KONZERT Dirigent: Antoni Wit, VR Polen Solistin: Cristina Anghelescu, SR Rumänien, Violine Werke von Liszt, Constantinescu und Prokofjew Sonntag, den 18. Mai 1986, 20.00 Uhr (Freiverkauf) Montag, den 19. Mai 1986, 20.00 Uhr (AK J) Festsaal des Kulturpalastes Dresden 8. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Volker Rohde, Dresden Solistin: Etsuko Terada, Japan, Klavier Werke von Weber, Chopin und Brahms Als Ergebnis der Besucherumfrage von 1985 legt die Dresdner Philharmonie ab Spielzeit 1986 87 eine neue Anfangszeit für ihre Konzerte fest: Alle Konzerte im Festsaal des Kulturpalastes und die Kammerkonzerte im Blockhaus beginnen werktags und sonntags 19.30 Uhr. Programmblätter der Dresdner Philharmonie Spielzeit 1985 86 Redaktion: Dipl.-Phil. Sabine Grosse Druck: GGV, BT Heidenau 111-25-16 3,2 JtG 009-23-86 8. ZYKLUS-KONZERT 1985/86 EVP —,25 M