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278 Wünschen nicht befriedigt, so ist ein Durchbringen von princlpiellen Ge setzen eine Unmöglichkeit. Doch ist soviel gewiß, daß, wie ungern der Ministerpräsident sein Portefeuille auch niederlegt, er doch dieses Aeußerste vorziehen wird, ehe er der BolkSpartei Concesstonen macht. Die Regierung von Oberbaiern hat die Ausweisung Würz- burger's bestätigt, worauf demselben der polizeiliche Befehl zukam, Stadt und Umgebung binnen drei Tagen zu verlassen. Dagegen hat der Minister deS Innern auf die Intervention eines Abgeordneten hier an die Polizei die Weisung erlassen, sie solle, bis Würzburger'ö Beru fung an das Ministerium von demselben beschieden sein wird, ihm den ungestörten Aufenthalt gestatten. Dieser vorläufige Ministerialbescheid wird als entscheidend ^auch für die Hauptsache selbst angesehen, umsomehr als auch nicht der geringste gesetzliche Anhaltspunkt vorhanden ist, um den Polizeibeschluß zu rechtfertigen. — DaS Frankfurter Journal schreibt aus München: Den Beamten wurde neuerdiugs die strengste Beobachtung des Amtsgeheimnisses eingeschärft und eS ging aus dem Justizministerium folgende bezügliche Entschließung hervor: „Wenn ein Staatsbeamter du>-ch die Abgabe eines Zeugnisses vor Gericht die ihm obliegende Amtsverschwiegenheit retten (?) würde, so ist er von der Verbindlichkeit zum Zeugnisse befreit — und wenn in einer öffentlichen Sitzung Fragen an den Staatsbeamten gestellt werden, deren Beantwortuug die Amtsverschwiegenheit verletzen würde, so muß er die Beantwortung ablehnen." Man erblickt in dieser Ent schließung ein in seinen Folgen höchst bedenkliches Privilegium und be^ streitet außerdem die Competenz dazu. Karlsruhe, 1. Febr. Gestern Mittag brauste ein Ertrazug von hier nach Dnrlach, der die Mitglieder der II. Kammer, deS Staatsmi- nisteriumS und viele höhere Beamte zu Ehren deS Präsidenten Bekk zu einem Festmahle bei dem Kammermitgliede, Gastwirth und Abg. Friedrich, vereinigte. Die größte Herzlichkeit und Offenheit war der hervorstechende Zug des Ganzen, und man konnte wol herausfühlen, daß eS der Drang des HerzenS und der schweren Zeit war, der Stände und Ministerium, Regierung und Regierte, gesetzgebende und ausübende Gewalt sich gegenseitig ermuntern und ineinanderranken hieß. Der Geist deS badischen Landes ist viel zu mächtig, als daß er nicht Alles wie Lämmer einer Heerde sich sammeln hieße vor dem dumpfen Rollen der Dinge, die kommen wollen. Dieser instinctartige Trieb nach gemeinsa mem Ziele, nach Wahrung der Existenz, der Verfassung und dem Wohle deS Staats, deS schönen badischen Landes, drückte auch jeder Aeußerung, jedem Trinkspruch dieses Festes sein Siegel auf. Wir heben aus der Unzahl von HerzenSergießungen nur einige hervor: Der erste war vom Präsidenten Bekk ausgebracht auf den Großherzog, „der wie jeder Wohl- thäter der Menschen die Ehre ihres Undanks empfangen, und wie vor dem durch die Revolution, so jetzt durch die Reaktion in seiner Stellung bedroht sei. Er habe durch die Wahl von Ministern, die Maß zu hal ten wüßten, verdient, was Gott ihm gewähren möge: als ein deutsch gesinnter Patriot über seine Feinde zn triumphiren." Hr. v. Marschall brachte seinen Glückwunsch den Kammern: „die in ihrem Innern den Lohn dafür finden würden, daß mit ihrem Zusammentrelen die Wun den des Landes sich zu schließen begannen." Der Abg. Junghanns brachte dem Präsidenten Bekk, „der nur durch die allgemeine Liebe und Verehrung, Weisheit und Kraft, die er besitze, im Stande gewesen, die großen Aufgaben deö Landtags zur Erfüllung zu bringen", Hr. v. Dusch den Viceprästdente» Bader und Trefurt seine Huldigung. Ebenso Abg. Mathy den Mitgliedern deö StaatSministeriumö in gleich sinniger als piquanter Weisej er bemerkte, „man habe zwar gesagt, mit 18,000 Preußen sei leicht zu regieren, allein die Minister hätten nun bewiesen, daß sie eS auch ohne diese könnten, und nicht nur die Bürger, sondern auch die Beamten zu regieren gesonnen seien; der Minister deö Innern habe den Geist der Gesetzlichkeit erweckt, der der Finanzen Geschick mit Glück ver bunden, der Kriegsminister trotz der Preußen seine Aufgabe gelöst, der der Justiz früher und hoffentlich auch später Gnade erwirkt, sodaß nur zu wünschen sei, daß auch der Minister des Auswärtigen gleich gute Geschäfte mache und Deutschland wenigstens unter einen deutschen Hut nnd nicht unter einen russischen oder französischen bringen helfe." Abg. Re genauer sprach die Hoffnung aus, die Eintracht zwischen Regierung und Kammern möge zur Befestigung des konstitutionellen Systems beitragen. Nach einigen Ausführungen des Abg. Soiron gedachte Abg. Welcker deö deutschen Vaterlandes, „das, wie die Beispiele von Kurhessen und Schleswig-Holstein bewiesen, auf friedliche oder gewaltsame Art nach seiner Einheit strebe. DaS Ziel sei nun zwar fern hinauögerückt, allein die Uebetzeugung aller Gebildeten in Deutschland, der Drang der Na tion auch in den nntersten Schichten, die Stimmen der Kammern wer den endlich alle Tücken zn Schanden machen und beweisen, daß daö Verlangen nach StaatSeinheit kein Traum, sondern daö X und das 0 aller Politik in Deutschland sein müsse. Freiheit und Einheit müsse kom men, und unter deutschem Hut; so Gott wolle, komme sie auf gesetz lichem Wege, aber kommen werde sie, so wahr die Sonne scheine", rief der Redner, unter dem Jubel der Anwesenden. Abg. Fischler brachte sei nen Trinkspruch dem Präsidenten der Budgetcommisston, Mathy, dessen Einsicht, Umsicht und Nachsicht so große Arbeiten geleitet und hervor gerufen. Abg. Rettig foderte die Versammlung auf, auch ihren großen nnd edlen Todten ein Glas zu weihen. Abg. Zell führte der Versamm lung zu Gemüthe, wie sehr sie dabei interesstrt sei, eine Opposition zu haben, da ohne Opposition gegen Irriges, Schlechtes daS Ganze nicht bestehen könne ic. Kurz, eS war eine freundliche Vereinigung aller Ekemellte ddr Kammer, eine Ausstellung aller Gedanken und Empfindungen, die, wenn auch nur vorübergehend vereinigt, doch jedenfalls einen der Fäden gezogen, wie sie ein schwer geprüfter Staat so nöthig hat, um zusammengehalten zu werde», und ein so schönes, feuriges, an Freiheit und lautes Leben gewöhntes Land wie Baden nothwendig unter seinen öffentlichen Män nern verlangt, wenn eS an einen wahren Ausdruck seiner selbst in den selben glauben soll. Danken wir eS unserer Lage, unserm Stamme, unserm parlamentarischen Entwickelungögange, daß bei unS noch nicht wie anderwärts in Demschland die Reaktion als vollendete Thatsache vom Volke hingenommen, von unsern Staatsmännern als der Hafen der Ruhe angesehen wird. (B. L.) Karlsruhe, 2. Febr. Soviel im engern Kreise verlautet, hat unser Präsident des Ministeriums des Jnne/n den Rücktritt in seine frühere Stellung verlangt, waS vielfach bedauert wird, da man seiner Amtsführung alle Anerkennung und Gerechtigkeit widerfahren läßt. (S.M.) — Wie wir vernehmen, hat Hr. v. Jhstein seinen Proceß, die Pen sion betreffend, beim Hofgerichte gewonnen. (O.-P.-A.-Z.) Karlsruhe, 3. Febr. In der heutigen 83. Sitzung der II. Kam mer wurden die Geschäfte derselben auf diesem Landtage beschlossen. Nach Erledigung mehrer Petitionen wurde die Wahl der Mitglieder des landständischen Ausschusses vorgenommen, welche auf folgende Mitglie der «fiel: Bekk, Junghanns, Mathy, Hoffmann, Speyerer, Bader. Hierauf erhält der Abg. Welcker daS Wort und spricht dein Präsidenten den Dank der Kammer aus. Er sagt unter Anderm: Ich danke demHrn. Präsidenten für die beiden Tugenden, die unbedingt die ersten sind im politischen Leben freier Völker: für die Rechtöachtnng und die Vater landsliebe. Die RechtSachtung fodert vor allem, daß die Rechte der Regierung und des Volks, die verfassungsmäßigen Rechte von Beiden niemals abgeändert werden ohne freie Zustimmung von Beiden. Es muß also, wenn überhaupt von Verfassung, wenn von Recht, Ehre und Freiheit eines Volks nur »och die Rede sein soll, jede Aenderung sei ner Rechte auögehen von der Einwilligung deS Volks oder seiner Ver? treter: entweder, wenn wir uns als Theil eines großen Gesammtvater- landeö betrachten, von der Volksrepräsentation der Nation, oder soweit diese nicht eintritt, von den Vertretern des Volks in seinen einzelnen Ständeversammlungen. Wir vertrauen zu unserer Regierung, die im Innern RechtSachtung und Vaterlandsliebe bewiesen hat, daß sie mit derselben Rechtsachtung mW Vaterlandsliebe auch in den äußern Ver hältnissen die Würde und Ehre unserer hohen Regierung und die Frei heit und die Rechte deö Volks mit Nachdruck uyd Kraft vertheidigen werde gegen jede einseitige Aenderung in der äußern Stellung oder in den innern Rechtsverhältnissen unserö Landes, Wenn dann Rechlöach- tung und Vaterlandsliebe siegen in dem Gesammtvaterlande wie bei uns, dann können wir mit Vertrauen einer schönen nnd glücklichen Zu kunft entgegensehen und mit Zufriedenheit zurückblicken auf die Geschäfte dieses Landtags. Aus der Antwort des Präsidenten entnehmen wir folgende erheb liche Stelle: „Meine Herren! Getrübt wird der Blick, wenn er hin- ausschweift auf Das, was in Bruderländern vorstchgeht, auf Day, was der Gesammtheit, unsers theuern Vaterlandes in Aussicht zu stehen scheint. Doch auch hier sollen wir nicht verzagen. Nach der edlen, vor allem am Rechte festhaltenden Gesinnung unserS allverehrten Großher zogs dürfen wir unserer Regierung vertrauen, sie werde, wie wol auch noch andere Regierungen, Pe zugeben, daß bei einer endlichen Erledi gung der deutsche» Angelegenheit die Rechte der deutschen Nation miS- achtet, ihre Zustimmung umgangen oder die besondere Stellung und Rechte Badens bei den Veränderungen beeinträchtigt werden." Aus Oberhefsen, 2. Febr. Vor wenig Tagen soll in einem Dorfe nnserer Provinz folgender schauderhafter Fall vorgekommen sein. Es fühlt eine durch den Ort wandernde hochschwangere Frauensperson, daß sie der schleunigsten Hülfe bedarf. In allen WirthShäusern mit ihrer Bitte um Aufnahme abgewiesen, geht sie zum Bürgermeister, der ihr auch die Aufnahme und Hülfe in seinem Hause versagt, dagegen sie nach einem Hause weift, wo „Ortsfremde" ausgenommen würden. Aber auch da nicht ausgenommen, stellt sich die arme hülflose Person kreisend vor dieses Haus und gebärt, während eine gaffende Menge sie umsteht, die Frucht, die auf dem Pflaster statt Leben den Tod findet, worauf die Mutter ohnmächtig zusammensinkt. Daö im 19. Jahrhundert der Aus klärung und Humanität! Gibt es keine gesetzlichen Bestimmungen für solche und ähnliche Fälle? Oder sind diese gesetzlichen Bestimmungen nicht befolgt worden? Wir wünschen dieser Nachricht im Interesse hu maner Gesetzgebung, die zur Hülfeleistung in wahrer Nöth zwinge, die weiteste Verbreitung. (Franks, I.) Hamburg, 3. Febr. Wir vernehmen, daß das kaiserlich brasi lische Generalkonsulat eine große Anzahl Uniformen füt die anzn- werbenden Soldaten hierselbst anfertigen läßt. Daß der ehemalige schles- wig-holsteinischeGeneralmajor v. Gerhardfür brasilische Kriegsdienste gewonnen wurde, bestätigt sich; eS unterliegt aber keinem Zweifel, daß ihn nur drückende Geldverlegenheit unv die Aussicht in eine sorgenvolle Zukunft zu einem solchen Schritte veranlassen konnten. Zum Glücke sind die Meisten, welche die brasilischen Agenten verführen wollten, sich anwerben zu lassen, nicht in das Retz gegangen. Die Presse kann ge gen diese brasilische Seelenverkäuferei nicht eindringlich genug warnen.