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Dienstag. Zweite AuMe. Abends k Uhr. S8. Januar 1881. EeiHßi». Dt« Zeitung er. scheuet täglich zwei mal und «Kd auagegeden in V«tP»i, Vormittag» II Uhr, Abend» a Uhr; tu Abend» L Uhr, Vormittag» « Uhr. Vr«t» für da» Vierteljahr 2 Lhlr i jede einzelne Num mer l Rgr. —Rr. S2 -— DtuWc MgtMtiiit Zeitung. «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» Zu beziehen durch alle Post ämter de» Zn-und Auslandc» sowie durch die Arpeditionen in Leipzig (vuerstraße Nr. N) und »»««»«„ (bei S Höckner, Neustadt, A» der Brücke, Nr. I). Ansertionsgebahr für den Raum einer Zeile I Ngr. Die Dresdener Conferenzen. (-) Dresden, 26. Jan. Wenn die in Berlin erschienene Schrift: „Vier Wochen auswärtiger Politik", in der That von Hrn. v. Sydow *) herrühren sollte, so ist fie der lebhafteste Ausbruch der Indignation eines Staatsmannes, der den mit Preußen verbunden gewesenen Regierungen gegenüber bekanntlich die moralische Verantwortlichkeit des treuen Aus- harrenS der preußischen Unionspolitik übernommen hatte. Diese gegen Hrn. v. Manteuffel geführten Streiche sind vernichtend. Die Schrift ist ein Zorngericht. Schritt für Schritt folgt sie der seit dem 2. Nov. beobachteten preußischen Politik und stellt ihren gegenwärtigen Chef als -einen Schüler in der Kunst der Unterhandlung hin, nachdem sie ihn seines Abfalls wegen von seinen eigenen früher proclamirten Grundsätzen der schnödesten „Charakterlosigkeit", wenn nicht gar wegen einer tief angelegten Jntrigue gegen Hrn. v. Radowitz der völlig mangelnden Sitt lichkeit beschuldigt hat. Wir können uns Glück wünschen, daß unsere Staatsmänner soviel verhaltenen Groll in sich sammeln. Solange sie da« Bedürfniß haben, ihren gepreßten Empfindungen in dieser Weise Lust zu machen, scheint die der Preßfreiheit drohende Gefahr noch nicht so ernstlich gemeint zu sein. Denn wie leicht könnte einmal bei einem Systemwechsel auch Hr. v. Manteuffel in die Lage kommen, sich von -allen seinen ihn jetzt schützenden Preßorganen verlassen zu sehen und sich Durch seine Charakteristik der Gegner ebenfalls zu rechtfertigen? Höchst erkenntlich muß man dieser Schrift dafür sein, daß sie zwi schen Machtpolitik und Tendenzpolitik außerordentlich scharf unterscheidet «nd in der Rückkehr zu letzterer Preußens allmäligen Untergang als Groß macht vorauSerkennt. Sie weist alle Demstthigungen nach, die Preußen durch seine Betheiligung an reartionairer Zeitauffassung , erfahren hat und Prophezeit auch Hrn. v. Manteuffel, daß er als Schleppenträger Ruß lands und Oesterreichs den ihm anvertrauten Staat rniniren würde. Bollkommen mit dieser Ansicht einverstanden, müssen wir nur bemerken, daß doch Hr. v. Radowitz, in dessen Interesse diese Schrift erschienen ist, die Unterscheidung ihres Verfassers selbst sehr wenig befolgt hat. Als <r sich, wie eS hier heißt, auf „die äußerste Linie" seiner Operationen Pellte, hatte er diese auch schön unmöglich gemacht. Das Maß der Selbstbeschränkung für DaS, waS die Union ausdrücken sollte, ging bis zur Dürftigkeit, biö zum Nüchternsten und Kleinsten herab. Eine Idee, -wie die der Union, mußte das Werk der Begeisterung bei Denen, die sie schufen, ebenso bleiben, wie bei Denen, die sich von ihr gewinnen lassen sollten. Tendenzpolttik gegen Tendenzpolitik gehalten, wo kam unS von den kleinen Cirkeln in Sanssouci her daS allmächtige Wehen ffeneS Geistes, auS dem allein eine so kühne Schöpfung geboren und gehalten werden konnte? Ein wenig Idealität mehr oder weniger, davon allein kann doch unmöglich eine weitausgreifende, historisch bedeutsame Schöpfung getragen werden. Die Tendenzpolitik des Hrn. v. Radowitz im Gegensätze zur nüchternen altpreußischen Gesinnung deS Hrn. v. Man teuffel mußte in der That dem deutschen Volke ein wenig mehr Inhalt werrathen als nur die Absicht, Preußen zu runden! Warum diese kalte Aufnahme der preußischen Union überall, in allen Wahlcollegien, allen Kammern? Deshalb doch wol nur, weil sie von preußischer Seite als -ein militatrtscheS und territoriales Stratagem, nicht im geringsten als die Anbahnung eines Deutschland, wo Freiheit und Einheit sich die Hände reichen sollten, betrieben und mit unglaublicher Nüchternheit und Zweideutigkeit gefördert wurde. Aber wir müssen noch einen Schritt weiter gehen als Hr. v. Sy- Dow. Der UnterstaatSsecretair des Hrn. v. Radowitz sagt, in der re- actionairen Tendenzpolitik des Hrn. v. Manteuffel läge Preußens Un tergang. Wir fragen, wo sind die Bürgschaften, daß sich diese Blind- Heit über die eigensten nächsten Interessen nur auf Hrn. v. Manteuffel «beschränkt? War die Union in der Vergangenheit verloren, wie kann sie Pch in der Zukunft wiederfinden, wenn nicht der ganze in Preußen herr schende Geist vom Throne bis zum Bauergiebel herab ein anderer wird! Hr. v. Sydow prophezeit eine bevorstehende furchtbare, alles Vorange- gangene weit übertreffende Revolutibn, wo alle Staaten der ungezügel ten VolkSwuth erliegen würden. Eine so schrecklicke Phantasie brauchte ihn nicht zu ängstigen, wenn Preußen im Stande wäre, dem Sonnen lichte der Zeit, wie sein Abler, offenen Auges entgegenzufliegen und für *) Da in berliner Blättern Hr. v. Sydow die Verfasserschaft dieser Schrift ablehnen läßt, so möchte sie vielleicht von Hrn. MatthiS herrühren; jedenfalls kommt sie von einem Beamten, wenn auch nur mittelbar und unter Vorschub ei ne» unverfänglichen Dritten, wie sich Dies bei selchen Veröffentlichungen von selbst versteht. die ideale Begtündung der Monarchie andere Formeln oder auch nur Stimmungen zu vertreten, als die bei jenem Fürsten herrschen, der unS die Union «»trug. Friedrich der Große wirkte durch seine freie, licht ausstrahlende Intelligenz. Er ließ die auf ihn gerichteten PaSquille nie driger hängen; er stand der Philosophie gegen die Kirche bet; er drückte alles Das aus, was allein in Preußen der Magnet sein kann, dem die Herzen zuneigen. Friedrich der Große würde jene Deputation, die im vorigen Jahre nach Sanssouci kam und ihm als Wahlverein zu den säinmtlich konservativ ausgefallenen Gemeindewahlen der Re sidenz Glück wünschte, geantwortet haben: Schert euch nach Hause! WaS tragt ihr mir eure Gesinnung entgegen, die nur will, daß ich in Berlin Hof halte, euren Bontiquen Käufer schaffe!, von eurer aufdringlichen Eristenz Notiz nehme! Und wie antwortete der Groß neffe Fciedrick's auf diese Huldigungen? Er zeichnete diese Bettler an Geist und Gesinnung, wie die Abgeordneten deS teltower Bauern vereins und die treuen Ritter aus der Zauche aus. Er nahm sie als Vertreter der einzigen Bürgertugend, die dieser hohe Freund deS Hrn. v. Rado witz zu kennen scheint. Sind Das die reinen Aetherströmungen, in denen Preußens Adler seine Schwingen zu solchen kühnen Flügen heben kann, wie die Union war? Nein! Deutschland suhlt den Drang einer organi schen Gestaltung; eö möchte mit seinem Krystallisationstriebe anschießen an Preußen, aber wo ist der wahlverwandte, anziehende Stoff? Nur durch seine innere Politik kann Preußen die äußere gewinnen. Alle kleinen und großen ManoeuvreS der Unterhandlungskunst, in denen Hr. v. Sydow so himmelweit von Hrn. v. Manteuffel sich unterschieden dünkt, sind nichts, wenn die Sympathien deS deutschen Volks nicht ge wonnen werden. Die Bürgschaften der innern Freiheit, der uneigennützi gen Bürgertuge'nd, der lichten Herrschaft deS Geistes fehlen hier. Wir wollen mit Preußen kein Einverleiben, sondern ein Einvergeistigen. Der ge wonnene Geist hätte sich im Nu, ohne Fechterkünste der Diplomatie, auch eine äußere Form gewonnen. Da es an jenem mangelte, hatte auch diese keinen Bestand und das Ende dieser Betrachtung ist nicht etwa, wie bei Hrn. v. Sy dow, die Nothwendigkeit eines „Personenwechsels" im preußischen Mi nisterium, einer Berufung von Männern, die wenigstens im Battel, Klüber und Martens mehr zu Hause wären als Hr. v. Manteuffel, sondern die tiefste Neberzeugung deS deutschen Volks, es müsse suchen, sich selber zu helfen; auf dem Wege, wo die preußische Union lag, würde es nicht zur Einheit kommen. ^Dresden, 27. Jan. Man sängt hier an daran zu zweifeln, daß Preußen auch künftig Hand in Hand mit Oesterreich gehen werde; ja man gibt der Vermuthung Naum, daß, wenn die Dinge zur Ent scheidung kommen, der durch und durch milde und legitime Sinn des jetzigen Beherrschers jenes Staals einen Zwang gegen die schwächer» Bundesglieder nicht zulaffen, sondern die einfache Rückkehr zum Bundes tage den österreichisch-bairischen Reorganisationstendenzen umsomehr vor ziehen werde, als bei einem losen Staatenbunde die noch gar nicht definitiv aufgegebene UnirungSidee recht gut realisirt werden könne. Auch ist man überzeugt, daß der stille, aber tief eingreifende Einfluß deS ursprünglichen Vertreters jener Idee noch nicht gebrochen, und legt auf die Desavoui- rung desselben durch die von berliner Blättern gemachte Nachricht von einer Mission nach dem Süden durchaus keinen entschiedenen Werth. Auch sind die meisten der kleinen Staaten fortwährend bestrebt, das Interesse Preußens für die UnionSidee noch rege zu erhalten. Den Regierungen, welche gegen die von der ersten Commission empfohlene Organisation der Bundesbehörden Verwahrung eingelegt, ist die Antwort geworden, daß die Ansicht der Commission ja noch kein Beschluß der Conferenz, welcher erst in der Plenarsitzung stattfinden könne, sei, und daher eine Verwahrung jetzt keinesfalls am Orte sei. Der Herzog von Koburg-Gotha weilt schon einige Tage hier, wie man sagt, um sowol wegen des Einspruchs der dortigen Agnaten gegen die ihre Rechte beeinträchtigende neue gothaische Verfassung die Ansicht der Träger der deutschen Politik zu vernehmen, als auch seine eigene, doppelt schwierige Stellung zu der beabsichtigten Bundesorgani sation in Hinblick auf die Agnaten seines Hauses, zu welchen auch Prinz Albert und der König der Belgier gehören, vorstellig zu machen. Hin sichtlich der Angabe in Betreff Baierns, daß demselben im Plenum nur 4 Stimme» zngedacht seien, muß ich berichtigen, daß diesem Staate doch 5 Stimmen gewährt werden sollen. Schleswig-Holstein. ^Aus Holstein, 26. Jan. Wollte man auS dem Umstande, daß die Cvmmiffare in Hamburg sehr häufig Conferenzen mit einzelnen No-