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habe von keiner dieser Melodien Gebrauch ge macht. Ich habe nur eigene Themen geschrie ben, denen ich die Besonderheiten der India nermusik verlieh. Indem ich diese Themen zum Vorwurf nahm, habe ich sie mit allen Errun genschaften der modernen Rhythmik, Harmo nik und Kontrapunktik sowie des Orchesterko lorits zur Entwicklung gebracht." Die Uraufführung der Sinfonie erfolgte am 16. Dezember 1893 in der New Yorker Carnegie Hall unter der Leitung von Anton Seidl, einem Freunde Richard Wagners. Als Dvorak von den amerikanischen Kritikern als „Erfinder der ame rikanischen Musik" gepriesen wurde, entgeg nete er mit dem ihm eigenen Humor: „Es taheint, ich habe ihnen den Verstand verdreht! Pei uns zu Hause wird man begreifen, was ich meinte!“ In der Tat: Dvorak ließ mit der Sin fonie „Aus der Neuen Welt" eines seiner be sten und zugleich typisch tschechischen Werke in die Welt hinausgehen, das seitdem zu den volkstümlichsten, beliebtesten Schöpfungen des internationalen sinfonischen Repertoires ge hört. Eine schwermütige, langsame Einleitung ist dem ersten Satz vorangestellt, aus der sich zunächst zaghaft, dann immer bestimmter der Hauptsatz (Allegro molto) mit seinem zweitei ligen markanten Hauptthema, eine plastische Dreiklangs-Melodie entwickelt. Freudig bewegt ist das zweite Thema, vom ersten abgeleitet. Dieses Material bildet die Grundlage des ein fach, übersichtlich und vor allem mitreißend gestalteten Satzes. Einen der schönsten langsamen Sätze der sin fonischen Weltliteratur stellt das anschließende Largo dar, das durch die Szene eines Indianer begräbnisses aus Longfellows Epos „Hiawa- tha" angeregt wurde. Das Englischhorn stimmt die ergeifende, melancholische Trauermelodie an, die Klage über den Tod von Hiawathas •euer Gefährtin Minnehah. Das Largo ist dreiteilig angelegt. Der Mittelteil weist eine gleichsam indianische Intonation auf, ist erreg ter in seiner Haltung und führt zu einem fei erlichen Gesang der Holzbläser. In großer Stei gerung erklingen schließlich die Hauptthemen des ersten Satzes, bis dann wieder die erha bene Klage des Anfangs einsetzt. Nach dem gedankenreichen Largo führt uns das Scherzo (Molto vivace) in eine gänzlich andere Welt. Wieder liegt ein Bild aus Long fellows Dichtung zugrunde: der Festtanz der Indianer zur Hochzeit Hiawathas. Ein rhyth misch akzentuiertes, harmonisch geführtes Thema charakterisiert den Indianertanz. Ein an mutiger, lyrischer Mittelteil mit walzerartigem Rhythmus löst die lebhafte wirbelnde Bewe gung ab. In der Überleitung zum Trio erscheint unvermutet das Hauptthema des ersten Sat zes. Nun erklingt eine echte tschechische Tanz melodie mit lustigen Sprüngen und zarten Trillern der Holzbläser - Ausdruck sehnsuchts voller Erinnerungen des Komponisten an seine Heimat. Eine strahlende Coda krönt die Wie derholung des Scherzo-Hauptteiles, in der das Hauptthema des ersten Satzes von den Hör nern kraftvoll vorgetragen wird. Zart klingt so dann der Hochzeitstanz aus. Einen freudig erregten, ungestümen, aber auch erhabenen Charakter hat das Finale (Allegro con fuoco). Marschhaft, energisch ertönt zu gleich das Hauptthema, das im weiteren Satz verlauf mit den Hauptthemen aus den voran gegangenen Sätzen verbunden wird. Nicht nur Empfindungen über die „Neue Welt", sondern auch Gedanken an die ferne, geliebte Hei mat sind in diesem schwungvollen, mitreißen den Satz dem Komponisten aus der Feder geflossen, der gerade mit besonders starkem Heimweh über der Arbeit am Schlußsatz saß. Immerhin erwartete er zu Jener Zeit die An kunft seiner Kinder in Amerika, die er ein gan zes Jahr nicht gesehen hatte. ANTONiN PERGLER, Jahrgang 1952, studierte 1967-1973 am Konservatorium in Brno bei Prof. Jan Vacek und setzte sein Studium an der Prager Akademie der musi schen Künste fort bei Prof. Alexander Plocek. Er nahm an Interpretationskursen bei Nathan Milstein in Zürich und bei Christian Ferras in Nizza teil. 1972 gewann er den 3. Preis beim Internationalen Violinwettbewerb des „Prager Frühlings" und 1979 den 3. Preis beim Wett bewerb in Zagreb. Er ist 1. Konzertmeister der Prager Sinfoniker. Wir sind dem Künstler zu Dank verpflichtet, daß er anstelle von Heinrich Schiff, der sein Gastspiel absagte, die solistische Mitwirkung in unserem heu tigen Konzert übernommen hat. VORANKÜNDIGUNG: Sonnabend, den 29. März 1986, 20.00 Uhr (Freiv^reauf) Sonntag, den 30. März 1986, 20.00 Uhr (AK/J) Festsaal des Kulturpalastes Dresden 7. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Tadeusz Strugala, VR Polen Solist: Nathaniel Rosen, USA, Violoncello Werke von Tadeusz Baird, Schumann und Tschaikowski Programmblätter der Spielzeit 1985/86 Redaktion: Prof. Dr. Dresdner Philharmonie habil. Dieter Härtwig Foto: M. Creutziger Druck: GGV, BT Heidenau 111-25-16 2,85 JtG 009-82-85 EVP -,25 M 6. AUSSERORDENTLICHES KONZERT 1985/86