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sich harmonisch indifferent und schwebend führt es bis zur ungestümen Entladung Faust scher Wesenskräfte und endet dann doch wie der mit einem trostlos klagenden Holzbläser thema. Wie eine freundliche Vision erscheint nun als drittes Thema eine sanfte und nach denkliche Melodie, die aus dem ersten Thema entwickelt wurde. Dieser lyrische E-Dur-Bläser satz greift das allgemeine Motiv des Sehnens wieder auf und spezialisiert es zu dem der Liebessehnsucht. Es bildet eines der wichtig sten Motive des Werkes und ist auch im zwei ten und dritten Teil der Sinfonie wieder zu fin den. Das vierte, ein Trompetenthema, verwan- dieses Sehnen nach Liebe in Leidenschaft Leben. Fausts Energie, das Bewußtsein seiner Größe, scheint wieder zu erwachen und findet in diesem heroischen Thema Ausdruck. Nach der Durchführung allerThemen und einer kurzen Reprise klingt der Satz mit einer sehn suchtsvollen Klage aus. Im Gegensatz zu dem die innere Zerrissenheit Fausts darstellenden ersten Satz ist der zweite Teil der Sinfonie, der „Gretchen-Satz", in sich wesentlich ausgeglichener und freundlicher. Nach einer Holzbläser-Einleitung erklingt in der Oboe ein anmutiges und liebliches, den Charakter Gretchens skizzierendes Hauptthe ma. Das zweite, sehr poetische Thema erzählt vom heimlichen Liebesglück und gehört zu Liszts gelungensten Melodien. Zu diesem Lie besthema treten die Klagen Fausts, die Motive seines Ringens und Hoffens aus dem ersten Satz. Beide Themen werden miteinander ver knüpft und gestalten sich zu einer wundervol len Liebesszene. Liszt komponierte Gretchens Charakterbild nicht bis zur Kerkerszene, son ¬ dern läßt es in einer friedlichen und idyllischen Stimmung verklingen. Der dritte Satz führt Mephistopheles ein. Seine Charakterisierung erfolgt nicht durch eigenes thematisches Material. Für Mephistos Darstel lung als zweite Seele Fausts greift Liszt die Faust-Themen des ersten Satzes wieder auf, verändert, karikiert und zerstört sie letztlich. Diese zweite Durchführung der Faust-Motive ironisiert somit die wesentlichen Eigenschaften Fausts und stellt sie in Frage. Einzig die Gret chen-Themen bleiben unangetastet und ver schont. Mit dem bestehenden Mißverhältnis zwischen Faust und Mephisto aber gab sich Liszt nicht zufrieden. Er wollte sein Werk nicht mit dem Charakterbild des Mephistopheles schließen und ergänzte 1857 den dritten Satz noch durch einen Schlußteil für Männerchor und Tenorsolo überGoethes „Chorus mysticus“ aus „Faust II". Feierlich und pathetisch - zu Orgel- und Har fenklängen - ertönen Goethes Worte „Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis, das Unzulängliche, hier wird's Ereignis, das Unbeschreibliche, hier ist's getan, das Ewig-Weibliche zieht uns hinan." Dabei läßt Liszt die Worte „Das Ewig-Weibli che zieht uns hinan" vom Solo-Tenor auf die Gretchen-Melodie singen. Der Männerchor de klamiert dazu im Rhythmus des Faust-Themas. So bewirkt Liszt mit diesem imposanten Schluß zugleich inhaltlich-thematische Einheitlichkeit und Geschlossenheit seines gigantischen Wer kes, mit dessen Aufführung die Dresdner Phil harmonie ihre Bemühungen um eine Neuer schließung des Lisztschen Orchesterschaffens in unserer Zeit fortsetzt. VORANKÜNDIGUNGEN: 8. ZYKLUS-KONZERT 7. AUSSERORDENTLICHES KONZERT EVP -.25 M 7. ZYKLUS-KONZERT 1985/86 Sonnabend, den 29. März 1986, 200.00 Uhr (Freiverkauf) Sonntag, den 30. März 1986, 20.00 Uhr (AK/J) Festsaal des Kulturpalastes Dresden Die Einführung in Liszts Faust-Sinfonie schrieb Danuta Schmidt, Berlin Druck: GGV, BT Heidenau 111-25-16 JtG 009-7-86 Dirigent: Tadeusz Strugala, VR Polen Solist: Nathaniel Rosen, USA, Violoncello Werke von Tadeusz Baird, Schumann und Tschaikowski Programmblätter der Dresdner Philharmonie Spielzeit 1985/86 Redaktion: Prof. Dr. habil. Dieter Härtwig Sonntag, den 6. April 1986, 20.00 Uhr (Anrecht C 2) Montag, den 7. April 1986, 20.00 Uhr (Anrecht B) Festsaal des Kulturpalastes Dresden Einführungsvorträge jeweils 19.00 Uhr Dipl.-Phil. Sabine Grosse Dirigent: Siegfried Kurz, Dresden/Berlin Solistin: Ingrid Haebler, Österreich, Klavier Chöre: Frauenchor des Philharmonischen Chores Dresden Einstudierung Matthias Geissler Philharmonischer Kinderchor Dresden Einstudierung Wolfgang Berger Werke von Haydn, Mozart und Liszt