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2656 'GchlrSwig-Holstein-Glücksbürg, der vor einigen Tagen hier verstor ben ist (Nr. 236), mit allen militairischen Ehren bestattet. Ein Bruder brS Verstorbenen traf mit dem von Hamburg kommenden Bahnzug hier ein, nachdem die Leiche jedoch schon beigesetzt war.— Die Entla sung eines Theils der Maigefangenen, die heute erfolgen sollte Hab zu mannichfachcn Kundgebungen Anlaß. Schon gestern Abend nach 10 Uhr verfügte der Präsident dcS Stadtgerichts die Freilassun der Bctheiligten, die sich indessen weigerten, das Gefängniß vor M lauf der ihnen durch das Kriegsgericht zuerkannten Strafzeit zu ver lassen. Sie wurden deshalb heute mit Tagesanbruch in Freiheit ge setzt, dessenungeachtet aber von Deputationen der Bezirksvereine re. empfangen und in ihre Wohnungen geleitet. Dem praktischen Arz vr. Waldeck war in seiner Wohnung ein in der That rührender Em pfang bereitet, welchem neben den Sympathien für den gefangene Volksfreund auch die Anerkennung der aufopfernden ärztlichen Wir! samkcit des Gefeierten zum Grunde lag. Hr. Waldeck ist einer der beschäftigtsten Armenärzte und widmet sich seinem Beruf mit seltener Uneigennützigkeit und Aufopferung. Die Armen des Bezirks, in wel chem er wohnt, hatten deshalb seine Zimmer und die Treppe des Hau ses mit Blumen und Kränzen geschmückt, und während des ganzen Tages strömen Glückwünschende und Begrüßende in die Wohnung des Mannes, der selbst während seiner Haft die Wirksamkeit für die Ar men des Bezirks nicht aussctzte. (Lith. Nachr.) — Der Proccß gegen den Gcheimrath Waldeck, worüber die ver schicdensten Gerüchte umgehen, soll gegenwärtig in der Lage sein, da sich die Acten beim Appellationsgericht zur Beschlußnahme über di Versetzung in den Anklagestand befinden, woraus denn unzweifclha hervorgehen würde, daß die Anklagekammcr des Criminalgcrichts sich si eine Versetzung in den Anklagestand bereits entschieden hat. (Nat. Z.) — In der I. Kammer ist Seitens der Commission die Redaction der Kammerbcschlüsse über den Antrag des Grafen Eulenburg, die Bürgerwehr betreffend, erschienen und an die Abgeordneten vertheilt. Der Gesctzvorschlag lautet danach folgendermaßen: „tz. 1. Die Organi sation und Reorganisation der Bürgcrwehr ist im ganzen Umfange der Monarchie so lange zu fistiren, bis das Gesetz vom 17. Oct. 1848 auf Grund der rcvidirtcn Verfassung und nach Emanation der neuen Ge meindeordnung einer Revision unterworfen worden ist. tz. 2. Die schon eingerichtete Bürgerwehr ist bis dahin außer Thätigkeit zu setzen, tz. 3. Die zur Ausrüstung der Bürgerwehr vom Staate verabreichten Waffen kehren in den Besitz und Gewahrsam des Staats zurück." Dieser Vorschlag geht nun nach erfolgter Genehmigung der Redaction Seitens der Kammer an die 11. Kammer. (C. Z.) - — Die fünfte Abthcilung der 1. Kammer hat seit mehren Tagen ihre Berathungen über die Nerfassungsrcvision beendigt. Wir können versichern, daß die Tendenz aller über diese hochwichtige Ange legenheit beschlossenen Aenderungsvorschläge zumal die Befestigung der Prärogative der Krone und die Sicherstellung der verfassungsmäßigen Rechte der Staatsbürger und der beiden Kammern beabsichtigt. (C.Z.) — Die Denkschrift, welche dieRegierung in Betreff der Verord nungen vom 3V. Mai über die Wahlen den Kammern übergeben hat, besagt im Wesentlichen Folgendes: Die Verfassungsurkunde hat in den Art. 66 — 71 nur einige allgemeine Grundsätze über die Wahl der Abge ordneten zur II. Kammer aufgestellt, das Nähere aber in Art. 73 dem Wahlausführungsgesctz überlassen und nicht allein in der allgemeinen Be stimmung des Art. 112, sondern auch in einer besondern Anmerkung zu Art. 67 auf die Nothwendigkeit einer Revision dieser Grundsätze hingewie- scn. Die letztem sind im Wesentlichen folgende: I) die Wahlen sind in- directe, 2) alle selbständigen Preußen, welche das 24. Lebensjahr vollendet haben, sich im unbeschränkten Genüsse der bürgerlichen Rechte befinden und keine Armenunterstühung aus öffentlichen Mitteln erhalten, wählen auf je 250 Seelen der Bevölkerung einen Wahlmann, in derjenigen Ge meinde, wo sie seit sechs Monaten ihren Wohnsitz oder Aufenthalt haben, 3) die Wahlmänner wählen je zwei oder mehr Abgeordnete in Wahlbezir ken, die nach Maßgabe der Bevölkerung fcstzustellen sind. Eine Haupt aufgabe des Wahlausführungsgesetzes bestand unstreitig: s) in der nähern Bestimmung des Begriffs der politischen Selbständigkeit, d) in der Erle digung» der Frage, wie das allgemeine Stimmrecht der Urwähler auSzu- üben sei, um dem Bedürfnisse einer gerechten gleichmäßigen Vertretung der Interessen aller Staatsbürger zu entsprechen. Bei dem Erlasse des Wahlgesetzes vom 6. Dec. 1848 glaubte die Regierung sich möglichst nahe an die Bestimmungen des Gesetzes vom 8. April 1848 anschließen, die eigentliche Lösung jener hochwichtigen Aufgabe aber dem nunmehr geord neten Zusammenwirken der legislativen Gewalten Vorbehalten zu müssen. Sic ging dabei von der Ansicht aus, daß die II. Kammer der ersten regel mäßigen Volksvertretung, weil diese vornehmlich zu der Revision der von dem Könige gegebenen Verfassung berufen war, aus einer ähnlichen Wahl Hervorgehen müsse wie diejenige Versammlung, welche die Bestimmung gehabt hatte, das Staatsgrundgesetz mit der Krone zu vereinbaren. Die Megierung habe, wie die Denkschrift hierauf sagt, auch den Schein ver meiden müssen, als sei die Auflösung der Nationalversammlung um des willen erfolgt, „damit über die definitive Feststellung der Verfassung mit einer Volksvertretung verhandelt werde, die auch in der II. Kammer auf einer andern als der ursprünglich zu diesem Zweck angenommenen Basie beruhte. Endlich hat sie auch den gebührenden Einfluß der Vorschriften eines deutschen Reichswahlgesetzes auf die Entwickelung der besonder» preu ßischen Verhältnisse nicht beschränken zu dürfen geglaubt. Von den am 26. Febr. d. I. eröffneten Kammern habe erwartet werden müssen, daß sie alsbald die Initiative zur Revision der Verfassung und zur Reform des WahlauSführungSgesetzeS ergreifen würden. Bevor Dies geschehen, sei jedoch die Auflösung der II. Kammer zu einer unabweiSlichen - Nothwendigkeit geworden. ES mag sein, fährt hierauf die Denkschrift fort, daß man damals der Regierung nicht mit Unrecht den Vorwurf gemacht hat, sie sei im Decem- ber v. 2. in ihrem Muthe und in ihrem Vertrauen auf den durch alle Formen hindurchdringendcn, alle Gefahren überwindenden gesunden Geist des Volks zu weit gegangen. Sie hat sich allerdings selbst gestehen müs sen, daß die im Jahre 1848 gemachten Erfahrungen noch nicht allerwärtS das Urtheil der Massen geläutert und sie den Künsten' demagogischer Be- thörung dergestalt unzugänglich gemacht hatten, als cS durchaus erfoderlich gewesen wäre, um eine sichere Bürgschaft gegen den Wicderaußbruch der Revolution zu gewinnen. Nach dem 27. April habe cS sich um die Bil dung einer neuen II. Kammer, die sich zwar ebenfalls noch mit der Ver fassungsrevision zu beschäftigen haben wird, und zwar in vorzüglicherm Maße als jede folgende, von welcher aber nicht mehr behauptet werden kann, daß sich hierauf ihre Hauptaufgabe beschränke, gehandelt. In einer sol-» chen Lage habe sich die Sache befunden, als die Regierung zu erwägen hatte, ob sie eS verantworten könne, die neuen Wahlen wiederum nach den alten Bestimmungen ohne irgend eine Abänderung des Gesetzes vom 6. Dec. 1848 aukführen zu lassen, oder ob es nicht vielmehr ihre heiligste Pflicht sei, auf eigene Gefahr diejenigen Modifikationen zu unternehmen, welche die höchsten Interessen des konstitutionellen Staats nunmehr dringend und unaufschieblich zu crfodern schienen. Nach einer ernsten, reiflichen und ge wissenhaften Prüfung hat die Regierung sich entschlossen, Sr. Maj. dem Könige den Erlaß der Verordnung vom 30. Mai d. I. zu empfehlen. Wenn sie dabei die ersten der beiden oben angedeutetcn Fragen, nämlich die Be griffsbestimmung der politischen Selbständigkeit, auch jetzt noch unerledigt gelassen hat, so ist DicS geschehen, theils weil dieselbe für minder dringend, theils weil sie für schwieriger und für eine solche erachtet wurde, die dem definitiven WahlauSführungSgesctze Vorbehalten werden müsse. Es habe sich hauptsächlich um die Frage gehandelt, in welcher Weise das allgemeine , Stimmrecht der Urwähler auSzuüben sei, um dem Bedürfnisse einer gerech ten gleichmäßigen Vertretung aller Staatsbürger zu entsprechen. „Es sind vornehmlich," wie die Denkschrift weiter sagt, „zwei Principien, durch de ren Aufstellung die Regierung diese Frage, so viel es ihr für den Augen-, blick möglich erschien, zu lösen gesucht hat: I) die Dreitheilung der Wäh ler nach ihren Steuerbcträgen, 2) die Leffentlichkeit und Mündlichkeit dcS Wahlverfahrens." Die Denkschrift geht hierauf dazu über, das Fehlerhafte des lediglich auf die Kop^ahl begründeten Systems der Wahlen, und daß der einfache CensuS ein ungenügendes Auskunftsmittel ist, darzuthun. Das Letztere habe nur insofern eine gerechte Grundlage, als es, waS bei seiner gerech ten Anwendung nicht allein bezweckt zu werden pflegt, nur Diejenigen auS- chließt, die der politischen Selbständigkeit oder der Einsicht und Lheil- nahme in Bezug auf die öffentlichen Angelegenheiten gänzlich ermangeln. Wenn das Ministerium sich zur Dreitheilung entschlossen habe, so beruhe Dies nicht asteip darauf, daß eS sie für die am wenigsten gehässige Art der Theilung gehalten habe, oder daß sie weniger als die Zweitheilung dex Parteibildung Vorschub leiste, sondern vielmehr wesentlich auf der Erfah rung, daß sich in der Regel überall drei Hauptschichten der Bevölkerung nach dem Maße deS Vermögens unterscheiden lassen, deren Angehörige auch in den übrigen Verhältnissen am meisten mit einander gemein zu haben pflegen. Eine Einthcilung nach Klassen, die sich unmittelbar auf BerufS- oder Beschäftigungsarten gründen, mit demselben System zu verbinden, habe man nicht unternehmen mögen, weil hierdurch eine bestimmt erkennbare und durchgreifende Gliederung der Bevölkerung vorausgesetzt würde, wie sie zur Zeit nicht bestehe. Die Regierung verkennt nicht, daß das vorläufig von ihr eingeführte Wahlsystem manche Unvollkommenheiten Habe, diejeni gen, welche auf dem Nichtvorhandensein einer allgemeinen directen Be steuerung beruhen, liegen auf der Hand, sie werden mit ihrer Ursache zu gleich beseitigt werden. Eine andere Unvollkommenheit bestehe darin, daß die erste Abtheilung nicht selten zu wenig Mitglieder zählt- Man habe sich bber so eng als möglich dem früher allerdings in den Vorschriften der Verfassung selbst begründeten Verfahren anschltrßen zu müssen geglaubt. Sobald es zulässig, von der Regel abzugehen, wird auch dir Schwierigkeit der Bildung angemessener Wahlkörper beseitigt sein. Eibe ähnliche. Kc- wandtniß habe eS mit mehren gegen dje Form gemachten Einwendungen. Ueber die Leffentlichkeit und Mündlichkeit sagt die Denkschrift: „Die Frage ist unter andern in der deutschen Nqtionalversammtunss erörtert wprden uno es hat sich dort die ganze monarchisch-cofistitutjoyelle Partei M die fene mündliche Stimmgebung entschieden. In England hat diese Form on jeher bestanden; sie wird dort zu den Bedingungen der echten konsti tutionellen Freiheit gerechnet und nur von Denjenigen angegriffen, welche radikalen Bestrebungen zugethan sind. Gerade bei diesem Berstch-en wer den Wahlumtriebe, Bestechungen und sonstige Unlauterkeiten qm wenigsten verborgen bleiben."':« ' , ES soll nicht ist Ebrede gestellt Mrhpn, daß die offen«.Stimmgebung ebenfalls zur Ausübung eine« umaurern Einflusses gcmisbraucht werden kann. ES ist dies ein Uebelstand, Ar sich Nirgend von der Macht her Leffentlichkeit trennen läßt. Er erscheint äbt« gering, wenn tstan ihn Mit dem Krebsschaden der Jntrigue mrAhchk, welcher unter dem DÄnqntel des heimlichen schriftliche» VerfatzreM titigestört zu wuchern vermag^ Da» öffentliche Wahlverfahren FM All»! gleich und setzt Niemanden der DeMü-