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Der Strauß-Walzer Die Sinfonische Dichtung Der Wiener Walzer hat seine höchste Vollen dung, seine „klassische Form“ in den Walzer kompositionen von Johann Strauß (Sohn) er halten. Den reinen Gebrauchstanz hob Strauß durch Stilisierung, übernahmen aus der nicht tanz£)ebundenen Musik und nicht zuletzt durch vserne- genialen Einfälle zum sinfonischen Kon zertwerk, ohne daß er den Walzer seinem ur sprünglichen Zweck entfremdete. Er knüpfte dabei an den von Strauß (Vater) und Josef Lanner geschaffenen Walzerzyklus (Introduk tion, 5 Walzer, Coda) an; bei ihm wird der Zy klus zum Stimmungsbild. Häufig leitet ihn ein quasi-sinfonisches Vorspiel ein, das die Haupt walzerthemen schon einbezieht. Diese Themen sind in den besten Walzern von bewunderns werter plastischer Gestalt. Charme, Eleganz und Schwung sind ihnen ebenso eigen wie Sang- lichkeit und schwermütige Süße. (Das über raschende Umschlagen der Melodie in einen entgegengesetzten Charakter ist eine der typi schen Errungenschaften von Strauß). Zu den wichtigsten Eigenheiten des Straußschen Wal zerstils, die nicht im Notenbild festgehalten sind, i gehört die kurze Vorwegnahme des zweiten Taktteils, die dem Wiener Walzer etwas Fe derndes verleiht, ebenso wie das langsame Hineingleiten („Einschleifen“) in das richtige Walzertempo; Ritardandi und Rubati geben dem Vortrag rhythmische Leichtigkeit und Ge schmeidigkeit. (Konzertbuch Orchestermusik 1974) Anfangstakte des Walzers in der Notenschrift des Komponisten Beethoven hat sich als „Tondichter“ verstanden, doch hat er keine sogenannte „Sinfonische Dich tung“ geschrieben. Zu dieser Zeit war dieser Begriff noch unbekannt. Zunächst setzte er die eigentliche „Sinfonie“ voraus, eine aus meh reren Sätzen zusammengesetzte Orchesterkom position. „Gedichtet" wurde — im übertragenen Sinne — natürlich auch dort, galt es doch, einen bestimmten Inhalt musikalisch darzustellen, eine Idee in musikalische Themen umzusetzen und sie sich sodanr^tntwi ekeln z^^assen. Im 19. Jahrhundert, b^Brranz Liszt,WRicht das Wort „Sinfonische Dichtung" auf. Was damit entstand, entsprach durchaus den geistigen Strömungen und Tendenzen jener Zeit: die verschiedenen Künste sich gegenseitig durchdringen zu lassen. Die Musik erhielt Anregungen „von außen" — aus der Literatur, der Malerei, der Historie u.a.m. Der Gefahr musikalischer Veräußerlichung durch allzu vordergründiges „In-Musik-Setzen" von Nicht-Musikalischem sird selbst bedeutende Meister wie Liszt und Richard Strauss nicht im mer entgangen. Und sc rief diese neue Rich tung der „Programmusik" die Verfechter der „reinen Lehre“ — sie nannten ihr Ideal „Abso lute Musik" — auf den Plan. Die 2. Hälfte des vergangenen Jahrhunderts ist in der Musik geschichte von diesem ästhetischen Streit erfüllt. Für uns heute hat diese Auseinandersetzung an Schärfe verloren. Bedeutende Meister der Sin fonischen Dicht^fe sind Fran^B^zt („Les Pre- ludes"), Bedricl^ometana („Mein Vaterland"), Antonin Dvorak („Der Wassermann"), Claude Debussy („La Mer"), Richard Strauss („Till Eulen spiegel"), Jean Sibelius („Finlandia"), Max Reger („Böcklin-Suite"). Äußeres Kennzeichen der Sinfonischen Dichtung ist die Einsätzigkeit. Der formale Aufbau richtet sich natürlich nach dem darzustellenden Ge genstand, doch bleiben vielfach die Prinzipien der klassischen sinfonischen Gestaltung wirk sam, z. B. die thematische Arbeit oder die So natenform. KONZERT FÜR LEHRLINGE Dienstag, 7. Januar 1986, 19.00 Uhr, Festsaal des Kulturpalastes Dresden