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1044 ginn neuer großer Epochen kundgibt. Die Fügung^ wodurch Ew. Ma zur Eröffnung einer solchen berufen wird, führt zugleich eine schwere Bürd und Verantwortlichkeit mit sich. DaS Gefühl derselben erhöht den Ernst der Stunde der Entscheidung. Um so mehr drängt ek uns, hier die Zu versicht auszusprechcn, daß unser Volk seinem König mit vollster Kraft und Begeisterung in Allem zur Seite stehen werde, was derselbe zur Aus führung der zu übernehmenden großen Pflichten zum Heile Deutschlands für nothwendig erkennen wird. Berlin, den 2. April 1849. Ministerpräsident Graf Brandenburg: Meine Herren! Durch den bekannten in Frankfurt gefaßten Beschluß ist die deutsche Frage in ein neues Stadium getreten. Das Ministerium hält es für seine Pflicht, in dem Grade, wie die Angelegenheit sich ihrer Entwickelung nähert, genau anzugcben, welches die Art und Weise sein wird, in welche sich Sr. Mas. Regierung in dieser höchst wichtigen Angelegenheit stellen wird. Die Regierung hat Ihnen, meine Herren, schon wiederholentlich den Standpunkt bezeichnet, den sie in der hochwichtigen deutschen Frage einnimmt. Es ist der Standpunkt der Hingebung für Deutschlands Einheit und Freiheit, aber auch der Standpunkt gewissenhafter Ach tung der Rechte der deutschen Regierungen. Jmmittclst ist ein Ercig- niß von höchster Wichtigkeit eingctretcn: der bekannte Beschluß der deutschen Nationalversammlung. Die Regierung erkennt in diesem Be schluß einen wesentlichen Fortschritt auf der Bahn der Entwickelung der deutschen Verhältnisse, sie wird Alles aufbietcn, daß das erstrebte, jetzt nahe gerückte Ziel bald ganz erreicht werde, aber sie hat deshalb ihren frühern Standpunkt nicht aufgegebcn; sie hält also dafür, daß dieser Beschluß nur für diejenigen deutschen Regierungen gültig und verbindlich ist, welche demselben aus freier Entschließung beistimmen, und die Regierung wird ihrerseits nichts unversucht lassen, ein Einver- ständniß darüber zu fördern. Es wird von den Abg. Sperling, Kuh, Saucken, Maurach, Bö- king, Mätzke, Baumstark der Unterantrag gestellt, statt des betreffenden fünften Satzes in die Adresse einzuschalten: „Wir verkennen nicht die Schwierigkeiten, welche sich der Erfüllung dieser hohen Mission cntgegen- stellcn. Sie wiegen schwer in derWagschale der Entscheidung" rc. Nachdem jedoch Abg. Walter erläutert, daß der Stellung dieses Antrags das Misvcrständniß zu Grunde zu liegen scheine, als sollten bei dem Kö nige durch Aufzählung der entgegenstehenden Schwierigkeiten Bedenken gegen die Annahme der ihm zugefallcnen Wahl angeregt werden, welchem Jrrthum er einfach den Inhalt der Adresse entgegcnstelle, zieht Abg. Sperling auf Grund dieser authentischen Erklärung des Berichterstat ters im Einverständnisse mit den übrigen Antragstellern seinen Verbes serungsvorschlag zurück. Abg. Stahl (vom Platz): Ich muß bemerken, daß die eben abgegebene Erklärung des Hrn. Berichterstatters nur eine Privatmeinung ist. Präsident: Der Berichterstatter hat das Recht, auch eingegangene Verbcsserungsanträge seiner Kritik zu unterwerfen. Unter diesen Umständen glaube ich, daß er nur im Sinne der Com mission jene Erklärung abgegeben hat. Der Abg. Stahl will noch wei tere Bemerkungen machen, wird daran jedoch durch stürmischen Ruf nach Schluß von der linken Seite verhindert. Es wird die Verhand lung geschlossen und die Adresse, wie sie von dem Ausschuß entworfen ist, fast einstimmig (Abg. v. Gerlach und ein anderer Abgeordneter sind dagegen) angenommen. Die Uebergabe durch eine Deputation wird ab gelehnt, und die Adresse geht deshalb auf dem gewöhnlichen Wege dem König durch Vermittelung des Präsidenten zu. Zn der Sitzung der II. Kammer zeigt der Präsident an, daß der Centralauöschuß zur Berathung des Waldeck'schen Antrags wegen Auf hebung des Belagerungszustandes sich constituirt und den Abg. Zacoby zum Vorsitzenden, den Abg. Bucher zum Schriftführer erwählt hat. Abg. v. Berg trägt hierauf den Bericht der Commission über den Antrag des Abg. v. Vincke wegen Erlasses einer Adresse in der deutschen Frage vor. (Nr. 93.) Zuerst wird die Discussion über die Dringlichkeit er öffnet. Es meldet sich jedoch kein Redner, und die Kammer erkennt mit großer Majorität die Dringlichkeit des Antrags an. Hierauf be schließt dieselbe, ebenfalls ohne Debatte, eine Adresse an den König zu erlassen. Nunmehr wird das zum Commissionsadreßentwurf einge brachte Amendement des Abg. Grafen Arnim und Genossen (Nr. 93) verlesen und hinreichend unterstützt. Abg. Graf Arnim protcstirt da gegen, daß sein Amendement, in Abschnitte gethcilt, zur Discussion gestellt werde. Abg. v. Vincke verlangt dasselbe in Betreff seines Amen dements. Der Präsident erklärt sich hiermit einverstanden, Abg. v. Berg als Berichterstatter sieht die Logik nicht ein, nach welcher der Präsident auch den Commissionsentwurf ungetheilt zur Abstimmung bringen wolle. Der Präsident rechtfertigt sich und stellt hierauf das Amendement des Abg. Vincke und Genossen (Nr. 93) zur Unterstützung, welche hinreichend erfolgt. Ein drittes Amendement, das Abg. Parrisius gestellt und welches dahin lautet: „Die Kammer wolle beschließen, in dem ersten Absätze der Adresse statt der Worte: «ihre letzten Beschlüsse» zu setzen: «die Feststellung der Verfassung,»" wird ebenfalls ausreichend unterstützt. Abg. Graf Arnim: Zunächst muß wol die Frage erwogen werden, ob es jetzt an der Zeit sei, der Krone unsere Gefühle und Wünsche mit- zutheilen, welche wir in Betreff der letzten frankfurter Beschlüsse he ¬ gen. Ich selbst glaube, daß es wünschenswerth wäre, eine solche Er klärung unserer Wünsche zu beanstanden, bis die Entschließung der Krone uns auf verfassungsmäßigem Wege zur Begutachtung zugegan gen sein wird. Da aber von beiden Seiten der Erlaß einer Adresse gewünscht wird, so hätte cs sür Particularismus ausgelegt werden können, wenn ich bei meiner persönlichen Ansicht beharrt hätte. In den Motiven des Vincke'schen Antrags wird gesagt: es sei nothwendig, daß in einem für Deutschlands Geschick entscheidenden Momente der König die Gesinnungen der Vertreter des preußischen Volks erfahre. Deshalb müssen wir unsere Gefühle und Gesinnungen offen ausspre- chen und die volle Wahrheit sagen. Ich glaube, nun mein Amende ment noch näher begründen zu müssen. In keinem der andern Ent würfe findet sich das Gefühl, ausgcdrückt, welches jedes Preußenherz durchweht hat bei dem großen Zeichen des Vertrauens, das sich in den frankfurter Beschlüssen kundgcgeben. Ich bin aber der Meinung, daß das Gefühl der Freude von dem Ernste des Augenblicks überwo gen werden muß. Fragen wir uns: worauf beruht jenes Vertrauen und wie kann ihm entsprochen werden? Ich will hierauf zur Ant wort geben: das Vertrauen möge in dem Geiste entgegengenommen werden, der dasselbe hervorgerufen; in dem Geiste, der Preußen groß gemacht, der durch Männer wie Stein und Scharnhorst die Fes seln, die auf dem Volke ruhten, gelöst hat; in dem Geiste, der im Jahr 1813 die Befreiung Deutschlands ins Werk gesetzt, und der den Franzosen im Jahr 1840 wieder am Rheine zuricf: „Sie sollen ihn nicht haben;" in dem Geiste, der zuerst, ehe man noch in Oester reich daran dachte, auf die Nothwendigkeit Eines Heeres, Einet Flotte für Deutschland hinwies. Es ist dies der Geist der Unabhängigkeit, der Gerechtigkeit, der Liebe zur deutschen Einheit und Einigkeit; es ist dies derselbe Geist, der, als im vorigen Jahre das souveraine Volk Preußen aufs neue in Fesseln zu schlagen drohte, auch diese Fesseln sprengte. (Murren zur Linken.) Wenn Sie, meine Herren, meine Ansicht nicht theilen, so erinnere ich Sie daran, daß Manche von Ihnen im vorigen Jahre nach Frankfurt gegangen und daß sie dort gewiß wahrgcnommen, mit welchem Gefühle man damals die Idee aufnahm: . Preußen solle an die Spitze Deutschlands treten. Ich frage Sie, ob wol damals an Beschlüsse zu denken war, wie sie jetzt in Frankfurt gefaßt worden? Seit jener Zeit aber ist an die Stelle der souvcraincn Volksgewalt die Souverainctät der verfassungsmäßigen constitutionellen Monarchie getreten, und Preußen hat gezeigt, daß es eine Aufgabe erkannt hat. Preußens Herrscher darf sich jetzt dem gro- ien Berufe nicht entziehen, weil sonst Deutschland auseinanderzufallen >roht. Was die verschiedenen Adrcßentwürfe betrifft, so erkläre ich mich entschieden gegen den der Commission. Er sagt offen, daß er auf dem Boden der Volkssouverainetät steht und daß die frankfurter Nationalversammlung allein berechtigt sei, die Verfassung festzustellen. Ich mag auf die Conscquenzen nicht Hinweisen, die es haben könnte, wenn wir den Commissionsentwurf annehmcn. Was den Entwurf des Abg. v. Vincke und Genossen anlangt, so glaube ich, mich nicht zu täuschen, wenn ich annehme, daß wir in unsern Gefühlen und Erwar tungen übereinstimmcn; an der Spitze des Entwurfs steht ja ein Mann, welcher stets in Frankfurt den Grundsatz verfochten: daß das deutsche Zerfassungswerk von der Nationalversammlung zu Stande gebracht werden soll zwischen Volk und Fürsten. Dieser Mann wird auch jetzt nicht von jenem Grundsätze lassen. Es ist nur fraglich, ob wir unsere Gefühle und Erwartungen in der Adresse näher bezeichnen sollen. Eine solche genauere Bezeichnung könnte aber leicht gerade als Mistrauen gelten, und-in dem von mir und einigen andern Abgeordneten einge- brachtcn Entwurf steht nicht blos „wir hoffen," sondern „wir sind der Ueberzeugung, daß Ew. königl. Maj. Weisheit für diese große Sache den richtigen Weg werde zu finden wissen," in dem Bewußtsein, daß wir Eins sind mit der Regierung. Ferner war cs fraglich, o1> man die Schwierigkeiten näher bezeichnen sollte, welche sich dem Werke der deut schen Einigung entgegenstellen. Aber auch hier, wie überall, hat nach meiner Ueberzeugung eine Verschiedenheit auf dieser (der rechten) Seite des Hauses nur in Worten, nie in Thaten und Grundsätzen obgcwal- tet. Ich habe den Ausspruch beobachtet: Oixi et ammam salvuvi. (Beifall zur Rechten.) Ministerpräsident: Ich will den Weg näher bezeichnen, den die Regierung zu gehen gedenkt. Die Regierung hat stets den Stand punkt der Hingebung an die Sache der deutschen Einheit und Einig keit, aber auch den der gewissenhaften Achtung der Rechte der deut schen Regierungen eingenommen. Nachdem das große Werk um einen neuen Schritt weiter geführt worden, wird die Regierung Alles auf bieten, daß das Ziel ganz erreicht werde; sie hält aber die letzten frank furter Beschlüsse nur für diejenigen Regierungen für verbindlich, welche ihre freie Zustimmung dazu geben, und wird nichts unversucht lassen, eine Einigung unter den Fürsten zu Stande zu bringen. (Beifall rechts, Zischen links.) Abg. v. Unruh: Uns liegt nicht ob zu bestimmen, ob und welche Verfassung Deutschland haben soll, unö liegt keine Entscheidung dar-