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2V0 lionsrath zu unserer Gesandtschaft nach Wien abgegangen ist, mit der ziemlich gesicherten Hoffnung, demnächst in die Stelle des Grafen v. Lux burg cinzutreten. Diese Bevorzugung des Hrn. v. Aretin wird bei weitcrm Bckanntwcrdcn hier sicher großes Misfallcn erregen; wir ver weisen auf die diplomatischen Antcccndentien des Mannes, der neben bei gesagt, der ultramontanen Richtung angehört. — Staatsrath Frhr. v. Closen wird seine Stelle als Bevollmächtigter Baierns bei der Ccntralgewalt höchst wahrscheinlich nicht wieder antrcten, weil, wie es scheint, seine dortige Thätigkeit nicht den besten Erfolg erzielt hat. (A. Z.) — Die Allgemeine Zeitung enthält aus München vom II. Jan. von Fr. Thiersch solgende Erklärung: Seit einiger Zeit bin ich in öffentlichen Blättern wegen mehrer Artikel in der Allgemeinen Zei tung über die administrative und staatßmännliche Thätigkeit des Hrn. Baron v. Lerchcnfeld den mannichfachsten Befehdungen ausgesetzt, welche sich zuletzt sogar gegen meinen Charakter gewendet haben und dar um mich zu folgender Erklärung nöthigen. Niemand kann die Gesinnun gen und den Charakter des Hrn. Baron v. Lerchenfeld höher achten als ich selbst; aber eben so lebhaft wie seinen Werth als Mann und Staats bürger, fühle ich das Unrecht, welches er den langvcrsäumten und schwer leidenden Untcrrichtsanstaltcn von Baiern dadurch zugesügt hat, daß er vor Allem die Aufhebung des selbständigen Ministeriums für Kirchen- und Schulangclegenhcitcn herbcigeführt hat, in welchem für sie die Möglichkeit einer bessern und weiser» Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse und die Hoff nung einer glücklicher» Zukunft gegeben war, wenn auch das erste Jahr seines Bestandes von einem eignen Mißgeschick war geschlagen worden. Ich habe kein Bedenken getragen cs auszusprcchcn, daß Hr. v. Lerchcnfeld durch diese Lhat der Sache des öffentlichen Unterrichts unter uns mehr geschadet hat, als Andere durch ihre Lhatlosigkeit oder Mißgriffe. Wenn ich durch die Erwägung dieses Uebels auch auf andere Maßregeln des ab getretenen Ministers und zu ihrer Beurtheilung geführt wurde, so habe ich dadurch nur von einem Rechte Gebrauch gemacht, welches gegenüber der öffentlichen Thätigkeit auch der höchsten Beamteten einem Jeden zu steht; wenn aber, wie cs in einem Nürnberger Blatte vom 8. Jan. ge schieht, ein Artikel der Allgemeinen Zeitung, dem ein Wunsch, mich an der Spitze der öffentlichen Unterrichtsanstalten zu sehen, zu Grunde zu liegen scheint, mir beigelegt oder mir irgend eine Bctheiligung an ihm zugeschrie ben, wenn in Folge davon behauptet wird, ich sei offen als Candidat für Las Kultusministerium aufgetreten und hätte meinen Zweck durch Verun glimpfung des Frhrn. v. Lerchenfcld zu erreichen gesucht, so ist dies eine der Verleumdungen, wie ich sie schon oft auf meinem Wege getroffen habe, und die ich mit Entrüstung zurückweise. Uebrigens wird weder diese, noch werden die Variationen, die in andern Blättern über dieses Thema vor getragen werden, mich abhaltcn, auch in Zukunft die Ueberzeugung zu ver treten, daß für die so vielfach versäumten Unterrichtsanstalten von Baiern und für die mit und in ihnen leidenden höchsten Interessen des Vaterlan des nicht eher gründliche Hülfe und Heil zu hoffen ist, bis die oberste Cu- ratel derselben, wie in andern wissenschaftlich gebildeten Staaten, Männern specicller Befähigung aus den verschiedenen Sphären des höher» Unter richts vertraut und ihren Behörden neben den übrigen höchsten Stellen der Verwaltung die ihnen gebührende und nöthige Selbständigkeit wieder gegeben und gesichert sein wird. Stuttgart, 1-1. Jan. In der gestrigen Sitzung der II. Kam mer stellte der Abg. Scherr an den Staatsrath Römer die Bitte um Erläuterung über eine von der Karlsruher Zeitung mitgetheilte Behaup tung, daß die frühe Verkündigung der Grundrechte nur auf einem Zu falle beruhe, und fragte zugleich an, wie es komme, daß solche ohne irgend eine Unterschrift eines verantwortlichen Ministers im Rcgierungs- blatte geschehen sei. Abg. Scherr setzte noch bei, er und seine Freunde wünschten nur Auskunft zur Beruhigung des Landes, ohne Mistrauen in die Absichten des Ministeriums zu setzen oder demselben Verlegen heiten bereiten zu wollen. Staatsrath Römer erwiderte, daß das Mi nisterium allerdings ohne einen besonder» Zufall die Grundrechte erst später veröffentlicht hätte, jedoch nur um wenige Tage, nämlich statt am 3V. Dec. am 3. Jan., indem mit der Veröffentlichung zugleich eine Instruction für die Beamten hätte mit erscheinen sollen, welche bereits ausgcarbeitet vorlag und nur noch nicht gedruckt war, und die sich auf solche Dinge bezog, die man zur Vermeidung aller und jeder Misvcr- ständniffe für durchaus nothwcndig hielt, z. B. in Betreff der Verhält nisse der Juden, gewisser Abänderungen des Bürgcrrechtsgesetzes rc. Uebri- gcns würden die Grundrechte in Württemberg in ihrem vollen Umfang und ohne allen Rückhalt zum Vollzüge kommen. Was die Veröffent lichung ohne Unterschrift eines Ministers betreffe, so sei ja in der von ihm seiner Zeit unterzeichneten Erklärung des Ministeriums vom 8. Nov. v. I. ausdrücklich gesagt worden, daß alle Reichsgesehe einfach durch Beilegung des NeichsgcsetzblatteS zum württembergischen Regie rungsblatt unter kurzer Anzeige der Rcdaction des lehtern in Würt temberg werden zur Veröffentlichung gelangen, und daß das Ministe rium die Verantwortlichkeit dafür hiermit ein für alle Mal übernehme- Abg. Scherr erklärte sich mit dieser Erläuterung für befriedigt. Ge stern wurde noch, der Etat des Justizministeriums zu Ende berathen und mit nur geringen Aendcrungen die Exigenzen des Ministeriums bewilligt. — Die württembergische Staatsschuld betrug am 5.Jan., dem Tage des Kassensturzes, die Summe von -13,011,118 Fl. — Im heutigen Beobachter kündigt der Adlcrwirth zu Ulm allen dem Adel ungehörigen Personen den Credit auf. (F.J.) Karlsruhe, 15. Jan. In der heutigen Sitzung der I. Kam mer zeigte Frhr. v. Andlaw an, daß er in der nächsten Sitzung einen Vorschlag zu begründen gedenke: „Sc. königl., Hoh. den Großherzog ehrerbietigst zu bitten, mittels Vorlage eines Gesetzes einen Verfas- ' sungsausschuß zu berufen, welcher ein Wahlgesetz und eine Reform der Verfassung sofort zu bearbeiten habe, um-solche sodann einer zu. berufenden Versammlung zu dem Zwecke vorzulcgen, die neue Verfas sung anzunehmcn, abzuändcrn oder zu verwerfen. (Krlsr. Z.) * Mannheim, 15. Jan. In unserm politischen Leben ist eine neue Thätigkeit eingetreten, die Vereine regen sich bedeutend und- die Demokratie gewinnt in einem großen Theile derselben bedeutendes Ucbergewicht. Der Volksverein hat in Brentano einen neuen Prä sidenten erhalten, wodurch derselbe nun an der Spitze aller demokra tischen Vereine unsers Landes steht. Die literarische Section, welche sich neuerdings in dem Bürgervcreine gebildet Hut, gibt sich alle erdenk liche Mühe, um den politischen Fortschritt möglichst schnell in der untern Klasse des Volks zu verbreiten. — Florian Mördes, welchen man an Brentano's Stelle zum Abgeordneten wählen wollte, ist gestern gefan-- gen nach Weinheim .abgeführt worden, der Thcilnahme oderMitwiffen- schaft an der Eisenbahndemolirung beschuldigt. — Das plötzliche Th a u- wet ter hat in den Neckargcgenden durch Austreten der Gewässer nicht geringen Schaden gethan, mehre kleinere Orte standen unter Wasser. Freiburff, 13. Jan. Vicar Roll fuß, ein bekannter Sünder aus der alten Zeit, ist endlich zu zweijährigem Aufenthalt in der geist lichen Strafanstalt verurtheilt worden. (Fr. Z.) Kassel, 17. Jan. In der gestrigen Sitzung der Stände in- terpellirte Abg. v. Sybel die Landtagscommission darüber, ob von Seiten der Negierung bereits etwas geschehen sei, um deren Einver- ständniß mit dem ständischen Beschluß vom 5. Jan., die Erhebung des Königs von Preußen zum dcutschcnReichsoberhauptc betreffend, zu bcthätigen. Der Landtagscommiffar bedauerte, nicht alsbald eine-spe- rielle Erklärung geben zu können und sich dies für eine der nächsten, vielleicht schon für die nächste Sitzung, Vorbehalten zu müssen. Wie übrigens die Negierung in Beziehung auf die deutsche Frage gesinnt sei, das sei durch mündliche und in öffentlichen Aktenstücken niederge- legte schriftliche Erklärungen hinlänglich bekannt. Abg. Henkel schlug vor, sich in covpove zu dem Kurfürsten zu begeben, um die Antwort cinzuholen, worauf der Landtagscommiffar jedoch erwiderte, daß nicht der Kurfürst, sondern das Staatsministerium die Antwort zu geben habe. Es wurde endlich beschlossen, der Regierung zu erklären, daß die Ständevcrsammlung eine Antwort auf ihren Beschluß vom-5. Jan. erwarte. Abg. v. Sybel begründete hierauf einen Antrag auf gesetz liche Bestimmungen zu dem H. 97 der Verfassungsurkunde: 1) daß Niemand Mitglied zweier gesetzgebenden Versammlungen sein könne; 2) daß ein Mitglied der kurhessischen Ständevcrsammlung, welches in eine andere Versammlung oder umgekehrt gewählt werde, dies binnen 14 Tagen anzeigen müsse, widrigenfalls sein Austritt aus der kurhes sischen Ständeversammlung angenommen werde; 3) in solchen Fällen solle der Stellvertreter einbcrufen oder eine anderweite Wahl ange ordnet werden. Der Antrag wurde in Erwägung gezogen und dem Verfassungsausschuß überwiesen. Abg. Oetker berichtete hierauf für den Rechtspflcgeausschuß über den Antrag des Abg. Bayrhoffer, den Einfluß der deutschen Grundrechte auf die kurhessische Volksvertretung, betreffend. Der Ausschuß ist einstimmig der Ansicht, daß die Grund rechte nicht eine gänzliche Auflösung des Wahlgesetzes, sondern nur die Abänderung einzelner Bestimmungen nothwendig machen. Nur wirk liche Vorrechte, welche in Standesverhältniffcn, nicht aber solche, welche in andern Verhältnissen, namentlich dem Grundbesitz, ihren Grund hätten, kämen hier in Betracht; es werde keine arithmetjsche Gleich heit der Städte- und Landbewohner erfodert, weil die Verschiedenheit derselben nicht in Standesvorrcchten, sondern in eigenthümlichen Wahl vorschriften und geographischen Beschränkungen ihren Grund habe. Noch weniger sei cs die Absicht, die Beschränkungen der Wahlfähig keit aufzuheben oder den Wahlmodus abzuändern. Der Ausschuß hält nur folgende Abänderungen einstimmig für nothwcndig: 1) Die in tz. 63 der Verfassungsurkunde Nr. 1 — 9 festgesetzten bcsondern Land standschaften der Prinzen, Standesherren, der rittcrschaftlichen Stifter, der Universität und der Ritterschaften müssen Wegfällen; 2) desgleichen die Ausschließung derjenigen Nitterschaftlichen von den ländlichen Wah len, welche bisher schon ein besonderes Wahlrecht hatten; 3) das Recht einer besonder» Standcsstimmc. Der Ausschuß ist ferner gegen zwei Stimmen der Ansicht, daß durch den Wegfall der Adelövertretung kei neswegs das ganze Wahlgesetz zusammenfalle, da, sobald der Adel nun an den städtischen und ländlichen Wahlen Theil nehme, cs an einer Volksvertretung nicht fehle, auch keine bestimmte Zahl von Mit gliedern vorgeschriebcn sei; der Adel habe seinen Sitz in der Stände- »ersammlung nicht als organisches Glied, sondern auf den Grund hi- torischer Ueberlieferungen, welche aber in den Grundrechten für ver werflich erklärt würden. Der Ausschuß beantragt, unter Billigung, dieser Ansichten über den Antrag des Abg. Bayrhoffer zur Tagesord nung überzugchen. (K. Ä. Z.)