Volltext Seite (XML)
98 »vollen, als bestehe noch die berüchtigte Constitution von SieyeS; allein ich werde das nicht dulden. Empfangen Me, Hr. Minister, die Versiche rung meiner vorzüglichsten Hochachtung. L. N. Bonaparte. I'. 8. Ich vergaß, Ihnen zu sagen, daß in St.-Lazaire noch 80 verhaftete Frauen sich befinden, von denen nur eine vor das Kriegsgericht gestellt ist. Sagen Sie mir, ob ich das Recht habe, sie in Freiheit zu sehen, denn in diesem Falle werde ich den Befehl augenblicklich ertheilen.... *^arjs, 5. Zan. Unter allen pariser Blättern hatte ein einziges und noch dazu ein ganz kleines den Nagel auf dön Kopf getroffen, als es versicherte, die Dimission des Hrn. de Maleville sei durch das Verlangen des Präsidenten, ihm die Aktenstücke seines Protestes von .Boulogne cinzuhändigen, veranlaßt worden. Auf den Hergang der Dinge hier zurückzukommen ist, wie sich von selbst versteht, nicht un sere Absicht, aber die Scitenhicbc, die bei dieser Gelegenheit in der .Tagespreise auf Hrn. Thiers fielen, zeugen fo unzweideutig von dem Mistraucn der öffentlichen Meinung in die politische Redlichkeit des eben genannten Staatsmannes, daß es nicht ohne Interesse ist zu se hen, wie er überhaupt bei dieser Veranlassung erwähnt werden konnte. Es erklärt sich dies ganz einfach aus der Thatsache, daß Hr. Thiers im Jahre 1834 zu allerlei eines Ministers unwürdigen Jntriguen seine Zuflucht nahm, um eine legitimistische Konspiration zu provocircn. Die Herzogin von Berry, durch falsche Berichte von den Sympathien und Hülfsmittcln, die ihrer warteten, getäuscht, ging in die Falle, in der sie mit Hülfe des Juden Deutz gefangen wurde. Wenn man einen Staatsmann solcher Taktik fähig hält, dann steht es schlecht mit sei nem Charakter. Es gibt Verleumdungen, die sich nie an einen wirk lich achtungswerthen Charakter wagen. Wie Dem auch sein mag, die Neugierde des Präsidenten Napoleon, zu erfahren, ob und in welchem Maß er dem Gouvernement von 1840 (Minister des Innern Hr. Thiers, Unterstaatssecretair Hr. de Maleville) in seiner Expedition von Bou- lognc Erkenntlichkeiten schulde, ist sehr verzeihlich und in den Änte- cedentien des Hrn. Thiers begründet. Nicht weniger natürlich aber auch der Widerstand, den sein Wunsch nach Einsicht in die Acten bei seinem Minister des Innern gefunden hat. So raisonnirt das Publicum, ob mit Recht oder Unrecht, thut nichts zur Sache. Hauptsache ist, daß es sich zu einer so schlechten Meinung von Hrn. Thiers berechtigt glaubt. Die Interpellationen, die in der Kammer erwartet werden, werden uns erst über den eigentlichen Sachbestand aufklären. Fast alle Journale werfen einen Rückblick auf die merkwürdi gen Ereignisse des vergangenen Jahres und lassen dabei mehr oder weniger deutlich durchschimmcrn, was sic von dem neuen erwarten und wünschen. Die einen geben zu verstehen, die Revolution sei wieder anzufangen, die legitimistischcn lispeln den Namen des Wunderkindes, die ultrabonapartistischen den des Kaisers Napoleon des Zweiten; und alle sprechen, wie ganz natürlich ist, im'Namen des Volks. Wie die Sachen stehen, ist cs allerdings nicht unmöglich, daß ein politischer Handstreich auf die Dauer einiger Wochen gelingen kann, aber albern ist es, ,zu glauben, die Republik sei ernstlich bedroht. Das Jahr 1848 kann uns —und wir fürchten es —der Verwirrungen und des Elends genug bringen, aber eine Restauration wird cd uns nicht bringen, we der eine weiße noch eine blaue. Die Erfahrung ist noch nicht vollstän dig, und es wäre .das größte Unglück, das Frankreich widerfahren könnte, wenn die Monarchie durch Jntriguen zurückgesührt würde, be vor die Nation von neuem von ihrer Nothwendigkeit überzeugt ist. Bis jetzt ist sie cs noch nicht, und Ludwig Napoleon würde es zu sei nem Schaden erfahren, wenn er tolldreist genug wäre, den Einflüste rungen einer gewissen Partei Gehör zu schenken. Die Partei, die in Folge der Wahl Napolcon's ans Ruder gekommen, mag nicht verges sen, daß sie nichts durch sich selbst ist, daß die Fehler ihrer Gegner sie allein gehoben haben. Es ist wahr, daß die säubern Finanzmänner des provisorischen Gouvernements die Interessen durch ihre ungeschickte Verwaltung beunruhigt haben, cs ist aber nicht weniger wahr, daß zur Ermuthigung dieser Interessen etwas mehr gehört als die eintönige Unfruchtbarkeit negativer Formeln. Etwas Anderes hat uns schwerlich das Ministerium Odilon-Barrot zu bieten. Die Demagogen haben schlecht gewirthschaftet, die Rcactionaire (wir verstehen unter diesem Namen nicht die echten patriotischen Freunde des monarchischen Prin- cips, sondern dir Intriganten) möchten gar nichts thun. Die Einen gaben Frankreich das Fieber, die Ändern lassen es vor Hunger ster ben. Alles, was einen populairen Anstrich hat, wird communistisch ge scholten: Rückkauf der Versicherungen, Communismus, der Eisen bahnen, Communismus, professionelle Erziehung Communismus, Un terstützung der Agrikultur Communismus. Das Alles ist eben so klein lich wie fruchtlos. Das von der Februarrevolution ausgestellte Problem läßt sich in zwei Worte zusammcnfaffcn: Erziehung, Wohlstand. Die Männer des Februar haben das Problem nicht zu lösen verstanden, das ist wahr. Aber ihre Nachfolger denken gar nicht daran, es zu lösen; ihr Streben geht nur dahin, es ungelöst bei Seite zu werfen. Es wird ihnen nicht gelingen. Regent, Kaiser oder legitimer König oder Republik — nur Der wird den endlichen definitiven Sieg davon- tragrn, der das Wort des socialen Räthsels findet. Erziehung und Wohlstand für das Volk, damit hätte man anfangen sollen; damit wird man aufhören müssen. Alles klebrige ist nichtsnutzige Jntrigue. Die Departementalpresse polemisirt fortwährend für die Auflösung der Nationalversammlung. Sie hat Recht. Gleich nach der Ernennung des Präsidenten machten wir in dieser Zeitung auf die Un möglichkeit eines Zusammenwirkens dieser Kammer und dieser Regie rung aufmerksam. Ludwig'Bonaparte hat, man muß es gestehen, das Seinige zur Herstellung eines guten Einvernehmens gethan, indem er sein Ministerium so und nicht anders zusammcnsehte; ob die Kammer von demselben Geiste der Courtoisie beseelt ist, muß sich noch zeigen, das Votum in der Frage der Salzsteuer, obgleich wir demselben kei nen streng politischen Werth beilegen wollen, läßt nichts Gutes er warten. Jedenfalls sollte die Nationalversammlung begreifen, daß es ihre Pflicht sei, sich ausschließlich auf constituirendc Arbeiten zu be schränken, wenn sie auf ihren Prärogativen als constituirendc Ver sammlung der Regierung gegenübcrstehen will. Es ist selbstredend, daß das Cabinet jene Frage einer neuen Discussion unterworfen hätte, wenn die Kammer eine legislative gewesen wäre. Auf der andern Seite ist es aber nicht zu läugnen, daß die Gegenwart eines Parla ments im Augenblicke des Uebergangs von einem provisorischen zum definitiven Zustande nöthig ist. Man wird höchst wahrscheinlich den Ausweg treffen, daß man den Tag der Auflösung jetzt schon bestimmt. Großbritannien. London, 5. Jan. (Die aus London vom k. Jan. fälligen Zeitungen find ausgebliebcn.) Nach dem Globe wird die heute Abend erscheinende Uebersicht der Staatseinnahmen in dem abgelaufcnen Vierteljahr einen be deutenden Ueberschuß über die Einnahmen in der entsprechenden Pe riode des vorigen Jahres Nachweisen, nämlich 600,000 Pf. St. Die Zolleinnahme ist um mehr als 500,000 Pf. St. gewachsen. Die Ac- cise zeigt ebenfalls eine Verbesserung, indem die Steuer auf Malz, Papier und Seife diesmal mehr, und die auf Ziegelsteine, Hopfen und Branntwein weniger abwirft als voriges Jahr. In der Einkommen steuer und in den sogenannten Asscssed taxcs (Fenster-, Wagen- und andere Steuern) zeigt sich eine Verminderung von 50—60,000 Pf. St. Auch in den Stempel- und Posteinnahmcn macht sich eine Abnahme bemerklich. Im Ganzen wird die regelmäßige Einnahme ungefähr 400,000 Pf. St. mehr betragen als die Einnahme der entsprechenden Periode des vorigen Jahrs. Die außerordentlichen Einnahmen werden durch den Verkauf von Vorräthen um 150,000 Pf. St. vermehrt. — Die Posten aus dem Innern trafen heute sehr verspätet ein; der nach mehren Richtungen mehre Fuß tief gefallene Schnee hält die Beförderung auf. — Die Admiralität hat Befehl gegeben, den Stab und die Cadres der vor zwei Jahren organisirtcn Arsenalbataillone um die Hälfte zu vermindern. — Ein Handlungshaus in Wovcester las vor einigen Tagen in einer Zeitung die Nachricht von der Ankunft eines Schiffs aus dem Aus lande in einem der nordischen Häfen, und ließ sogleich den elektri schen Telegraphen in Bewegung fetzen, um die Ladung des Schiffs zu kaufen. Die Entfernung von Worcester nach dem fraglichen Hafen beträgt 350 Miles; aber in weniger als anderthalb Stunden hatte das Handelshaus sich mit seinem Agenten in jenem Hafen in Verbin dung gesetzt, ihm die nöthigcn Instructionen erthcilt, und Avis von dem Ankäufe der Ladung erhalten. — Vor kurzem starb Lord Dunsany, einer der 28 Repräscntativpairs, welche Irland ins Oberhaus wählt. Als seinen Nachfolger nennt man Lord Clarina. — Von Greenock ist in diesen Tagen bereits nach dem Goldland Californien eine Expedition von bisherigen Eisenbahnarbeitern ab- gcgangen, wohl ausgerüstet mit Hacken und Schmclztiegeln. Rußland und Molen. Aus Rußland lauten die Nachrichten halb und halb kriegerisch. Die Ernennung des Kricgsministers Fürsten Tschernitschew zum Präsi denten des Ncichsraths und des Ministercomite ist cs nicht allein, das von den kriegerischen Gelüsten Zeugniß gibt. Man begegnet jetzt in russischen Zeitungen gar ost panslawistischen Bestrebungen, jede Gelegenheit wird vom Zaune gebrochen, um die Nothwendigkeit einer Einigung aller sla wischen Stämme darzuthun; und mit besonderer Vorliebe wird hervor- gchoben, daß die österreichische Trias, Windisch-Grätz, Radetzky und Jcllachich, slawischen Ursprungs sind. Auch ist eine Ännäherung an Frankreich zu bemerken und besonders wird der Kaiser Napoleon, so ost es sich nur thun läßt, in den Himmel gehoben. Sieht das nicht einer sich vorbereitenden Opposition gleich gegen eine ctwanige öster reichische oder preußische Hegemonie und gegen die deutsche Kaiserwahl überhaupt? (Brsl. Z.)