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9. ZYKLUS-KONZERT BACH - HÄNDEL Festsaal des Kulturpalastes Dresden Sonnabend, den 15. Juni 1985, 20.00 Uhr Sonntag, den 16. Juni 1985, 20.00 Uhr plnilhornooniie* Claus Peter Flor, Berlin Dirigent: Solist: Hansjürgen Scholze, Dresden, Orgel Ruth Zechlin geb. 1926 Johann Sebastian Bach 1685-1750 Musik zu Bach für Orchester Epitaph (Maestoso, espressivo sempre) Polyphonie (Con spirito e nobile) Erstaufführung Sinfonie für Orgel und Orchester D-Dur aus der Kantate „Gott soll allein mein Herze haben" BWV 169 Georg Friedrich Händel 1685-1759 Konzert für Orgel und Orchester B-Dur op. 4 Nr. 6 Andante allegro Larghetto Allegro moderato Johann Christian Bach 1735-1782 PAUSE Sinfonie für Doppelorchester D-Dur op. 18 Nr. 3 Allegro Andante Allegro assai Zum 250. Geburtstag des Komponisten am 5. September 1985 Johann Sebastian Bach Toccata und Fuge d-Moll BWV 565 a) für Orgel b) Sinfonische Transkription für großes Orche ster von Leopold Stokowski (1882-1977) Erstaufführung CLAUS PETER FLOR, 1953 in Leipzig geboren, studierte zunächst Violine und Klarinette am Robert-Schumann- Konservatorium in Zwickau, sodann 1968—1972 Violine an der Hochschule für Musik „Franz Liszt" in Weimar sowie 1972—1979 Violine und Dirigieren (bei den Professoren Kurt Masur und Rolf Reuter) an der Leipziger Musik hochschule. 1979 erhielt er das Mendelssohn-Stipendium, wurde Dirigent der Suhler Philharmonie und gewann den 1. Preis des Internationalen Dirigentenwettbewer bes in Katowice. 1981—1984 wirkte er als Chefdirigent der Suhler Philharmonie und wurde danach zum Chef ¬ dirigenten des Berliner Sinfonieorchesters berufen. Gast spiele führten ihn an führende Orchester der DDR so wie in die VR Polen, nach Bulgarien, Großbritannien, Dänemark, in die BRD und in die Schweiz. 1982 er rang er den Rafael-Kubelik-Preis in Luzern und 1983 den 1. Preis des VII. Internationalen Nicolai-Malko- Wettbewerbes für junge Dirigenten in Kopenhagen. Im gleichen Jahr dirigierte er erstmalig bei der Dresdner Philharmonie, mit der er 1985 auch auf Gastspielreisen in der BRD und in der CSSR musizierte. ZUR EINFÜHRUNG Das letzte Konzert im Bach-Händel-Zyklus der Dresdner Philharmonie wird beziehungsvoll eingeleitet mit einem ganz persönlichen Be kenntniswerk der prominenten Berliner Kompo nistin Ruth Zechlin, das sie „Musi l< zu Bach“ überschrieb und wozu sie folgen des mitteilte: „Glückliche Konstellationen brachten es mit sich, daß ich organisch in Bachs Werk hineinwachsen konnte und kontinu ierlich von seiner Musik umgeben war. Sie ist bis heute mein Zentrum geblieben, und es re guliert sich gleichsam mein Verhältnis zu Tra dition und Gegenwart daran. Bachs Kühnheit und Tiefe, seine starke Phantasie und deren strukturelle Umsetzung faszinieren mich immer aufs neue. So ist es nur natürlich, daß ich mich im Bachjahr 1985 musikalisch zu Wort melde. Es entstanden zwei kontrastierende Sätze, die durch gemeinsames Material miteinander ver bunden sind: ein ernstes .Epitaph' und eine ge löste .Polyphonie'. In der .Polyphonie' gibt es eine Achse in Form von 8 Originaltakten aus der .Kunst der Fuge' (Contrapunctus III), die mir besonders typisch erscheinen für Bachs Stimmführung und der daraus resultierenden Klangfläche. In dieses Bach-Original münden meine Linien ein und gehen auch wieder dar aus hervor. Das Instrumentarium entspricht zwar nicht streng dem barocken, gleicht sich je doch der Bachschen Klangwelt weitgehend an." Die 1982/83 im Auftrag der Komischen Oper Berlin geschaffene Komposition erlebte im Februar/März 1985 eine Ringuraufführung in Berlin, Erfurt und Leipzig. Ruth Zechlin studierte in den Jahren 1943 bis 1949 an der Musikhochschule ihrer Heimatstadt Leipzig bei A. Rohden und R. Fischer (Klavier), K. Straube und G. Ramin (Orgel) sowie bei J. N. David, W. Weismann und P. Schenk (Kom position und Theorie). Seit 1950 lehrt sie als Dozentin für Tonsatz an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler" in Berlin, seit 1969 als Professor für Komposition am gleichen In stitut. 1984 wurde sie hier zum Ordentlichen Professor berufen. Seit 1970 ist sie ferner Mit glied der Akademie der Künste der DDR und Leiter einer Meisterklasse für Komposition. Ihr vielfältiges Wirken als Komponistin, Cembali- stin und Pädagogin wurde verschiedentlich hoch geehrt. 1962 erhielt sie den Goethepreis der Stadt Berlin, 1965 den Kunstpreis der DDR, 1968 den Hanns-Eisler-Preis, 1975 und 1982 den Nationalpreis der DDR. Ihr reiches komposito risches Werk umfaßt die großen FormenderOr- chestermusik (u. a. 3 Sinfonien, mehrere Solo-I konzerte), vielfältige kammermusikalische Bel Setzungen, Klavier-, Cembalo- und Orgelmusikl Bühnen- und Vokalwerke, Schauspiel- und Hör-I spielmusiken. Im umfangreichen Leipziger Kantatenschaffen Johann Sebastian Bachs begegnet! uns einige Werke, in denen die Orgel in ei nem oder mehreren Sätzen als obligates In strument eingesetzt wird und in denen der klangliche und konzertante Reiz dieses instru mentalen Musizierens voll ausgekostet wird. Obwohl die Orgel in den betreffenden Stük- ken durchgängig nur zweistimmig geführMst und der Baß mit dem Continuo gleichl^Ä so ergibt sich doch in den verschieden setzten Sätzen ein vielfältiges, wechselvolles Musizieren im Sinne des Instrumentalkonzer tes, an dessen Entwicklung Bach bekanntlich wesentlichen Anteil hatte (er war der Schöp fer des Klavierkonzertes). Meistens griff er auf bereits vorhandene Instrumentalstücke zurück, die er für den neuen Verwendungszweck be arbeitete. So handelt es sich bei dem Sin fonie genannten konzertanten Vorspiel zu der 1726 geschriebenen Kantate Nr. 169 „Gott soll allein mein Herze haben" um eine Or geleinrichtung des 1. Satzes des Cembalo konzertes E-Dur BWV 1053, dessen Urform wiederum vermutlich ein (verschollenes) Oboenkonzert Es-Dur war. Die Sinfonia D-Dur BWV 169, ein großangelegter Konzertsatz in der Da-capo- Form — die E-Dur-Vorlage wurde nach D-Dur transponiert —, ist durch reizvollen Oboen klang sowie durch Forte- und Piano-Kontraste gekennzeichnet. Zunächst beginnen die ersten Violinen mit einem kurzen Solo, dem sich das Orchester und später die Orgel mit reichem Passagenwerk hinzugesellen. Georg Friedrich Händel, der g^^ ße Zeitgenosse Bachs, in vielem sein Antipo de, ließ im Jahre 1738 bei seinem Londoner Verleger John Walsh als Opus 4 eine Samm lung Orgelkonzerte erscheinen, mit denen er diese Gattung gewissermaßen begründete. Bekanntlich war es eine Gewohnheit Hän dels, sich zwischen den Akten seiner Orato rien auf der Orgel hören zu lassen. Er be gann, wie Zeitgenossen uns überliefert ha ben, zunächst mit einem Präludium, dem er dann das Concerto folgen ließ, „welches er mit einem Grade von Geist und mutiger Si cherheit ausführte, dem niemals einer gleich-