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Beilage zum Orzgeö Wlksfreund. Nr- 185. Freitag, den 12. August ML Der Fall Welshofen. Kriminalroman von M. Kossak. (Nachdruck verboten.) (4. Fortsetzung.) „Warum gehst du nicht auch zum Bartete?" fragte Louison, wie sie sich jetzt als Künstlerin nannte. „Ich würde mich an deiner «Stelle gerade als Verkäuferin plagen I Du bist doch ganz hübsch und wenn du schöne Kleider anhast, wirst du noch viel besser aussehen. Kannst du nicht irgend etwa-, womit du dich auf der Bühne sehen lasten könntest?" „Meine Zähne find nur klein und auch in den Händen habe ich wenig Kraft", meinte Frida, die noch nie in einem Variete gewesen war und eine sehr unbestimmte Vorstellung von einen: solchen Kunsttempel hatte, betrübt, indem ihre großen Kinderaugen bewundernd auf Louisons Ebergebiß ruhten. „Na," äußerte diese wohlwollend, „man kann auch mit anderem verdienen, als bloß mit den Zähnen. Komm' mal mit zu einem Varieteagenten — der wird schon was für dich ausfindig machen." Als Frida ihren nächsten freien Nachmittag hatte, wanderte sie unter Louisons Schutz, die ihr für oen Be such eine ihrer eleganten Toiletten geliehen, zu einem Agenten und dieser erfuhr nach einigem Hin» und Her- ' fragen, daß das Mädchen eine geschulte Sopranstimme und erhebliche Fertigkeit im Geigenspielen besaß. Er ließ sich von ihr etwas Vorspielen und singen, war ganz ent zückt von ihren Leistungen und vermittelte ihr sofort ein Engagement bei einem mittleren Berliner Variete. Er wählte ihr selbst die Piecen aus, die sie vortragen sollte und lieh ihr Geld, um sich für den Anfang zwei Toi letten zu besorgen, die sie nach -seiner Anweisung wählen mußte. Da. sie dem Publikum gefiel, stieg ihr Gehalt rasch und alle Not hatte ein Ende. Zum Schluß des Winters machte sie die Bekanntschaft von Felix OlferS, der als Improvisator und Humorist auf der nämlichen Bühne auftrat. Er arbeitete nie einen Vortrag aus, sondern erzählte dem Publikum, was ihm gerade einfiel, dazwischen parodierte er irgend jemand, brachte geschickt ein paar Witze vor oder sprach auch ge- legentltch in gebundener Rede, wie eS eben kam. Da er viel Geist hatte und eine auffallend hübsche und interessante Persönlichkeit war, gefiel er außerordentlich, namentlich den Damen, die er förmlich faSzinerte. Seine Einnahmen überstiegen die Fridas um mehr als das Doppelte. Felix war der Sohn eines deutschen Vaters und einer italie- ntscheu Mutter, die aber seit langen Jahren getrennt lebten. Sein Vater, ein ehemaliger Kaufmann, besaß ge nug, um den Sohn studieren zu lassen, nur starb er leider, bevor Felix sein zweites Semester hinter sich hatte und nach seinem Tode zeigte es sich, daß sein Vermögen nahezu aufgebraucht war. Von einer Fortsetzung des medizinischen Studiums konnte keine Rede fernerhin sein und da er nicht Lust hatte, als Lehrling in ein kaufmän nisches Geschäft einzutreten, wozu ihm Verwandte seines Vaters rieten, ging er vorerst nach Italien, um dort auf irgend eine Weise seinen Unterhalt zu verdienen. In dem Lande seiner Mutter war er auf den Einfall geraten, seine vielseitigen Talente auf dem Variete nutzbar zu machen. In Anbetracht seiner Gewandtheit und seines einnehmenden Aeußeren glückte es ihm auch tatsächlich über Erwarten. So zog er denn mehrere Jahre durch die großen Städte Europas, wurde überall gern ausgenommen und verdiente eine Menge Geld. Das war das, was er selbst Frida über seine Ver gangenheit erzählte. Frida, ihm blind vertrauend, schwor auf die Wahrheit jedes seiner Worte, ohne viel über die selben nachzudenken. Als sie aber heute sich alles, was sie von ihm gehört zurecht legte, fiel es ihr auf, daß in seinen Berichten eine Lücke war. Ueber das, was er in Italien getrieben, wußte sie so gut wie nichts und doch mußte er bereits zwei Jahre dort gelebt haben, bevor er den Ent schluß faßte, zum Variete zu gehen. Er hätte bet seiner Mutter gewohnt, sagte er, als Frida in dieser Richtung Fragen an ihn stellte. Nun war aber seine Mutter, wie das Mädchen wußte, gänzlich mittellos und lebte aus schließlich von seiner Unterstützung — wie war es daher möglich, daß sie ihn so lange Zett hätte ernährt haben können? Als Frida Felix Olfers kennen lernte, bestanden zwischen ihm und Anita Brusio Beziehungen. Die beiden galten als Brautpaar, obgleich sie sich nicht dafür aus gaben. Anita trat dazumal in einem anderen Berliner Variete auf, aber sie und Felix trafen sich täglich an einem dritten Ort, in Restaurants und CafeS und machten auch zusammen Ausflüge. Er erzählte ganz offen jedermann, der e» hören wollt-, daß er Anita liebe und keinen höheren Wunsch hege, als sie alS seine Gattin zu sehen. Wie er später Frida anvertraut, hatte sie den Termin der Hoch zeit aber ständig htnauSgerückt. Dann plötzlich hatte sie mit ihm gebrochen, weil st« die Bekanntschaft Graf Wels hofens gemacht, der sich dazumal für längere Zeit in Berlin aufgehalt»» und ein großes Interesse für sie an den Tag gelegt. Felix war »via et» Rasender gewesen, er lauerte seiner treulosen Liebsten auf der Straße auf, spionierte ihr nach und machte ihr Szenen. Frida tat das Herz weh, wenn sie sah, wie di« Kollegen über ihn lachten. Einmal faßte sie Mut und fragte ihn, ob er es denn gar nicht bemerkte, baß er allen zum Gespött diente. Er stutzt«, bann fragte er sie: „Ja, was geht Sie das denn an, kleines Mädchen?" „ES tut mir weh', wenn man über Sie lacht", gab sie naiv zur Antwort. Er sah sie lange sinnend an, dann reichte er ihr die Hand und sagte: „Sie find ein gute» Kind, kleine Frida, viel besser, ak jene italienische Schlang« und — wissen Sie, daß Sie auch sehr hübsch sind?" Natürlich war sie durch diese Worte s«hr verlegen ge worden, aber trotzdem beglückten sie st«, denn sie hatte. d«n hübschen Menschen eigentlich vom ersten Augenblick an, da sie ihn sah, geliebt. Bon da ab suchte er Frida» Gesell schaft und ein paar Wochen später fragte er sie, ob sie seine Frau werden wollte. Sie gab ihm mit Freuden ihr Jawort, nur beunruhigte es si«, daß er die Hochzeit noch auf längere Zett hinauSschteben wollte. Er müßte erst die Zukunft seiner Mutter sicherstellen, meinte er, aber da er viel verdiente, so würde er bald Geld genug beisammen haben, um seiner Mutter eine Rente zu kaufen. Frida dachte, daß sie ja als Ehepaar seiner Mutter regel mäßig eine gewisse Summe für ihren Unterhalt schicken könnten, aber da sie zu schüchtern war, scheute sie sich, ihm gegenüber ihren Willen geltend zu machen. Er hatte ja auch auf alle ihre Einwürfe Gegengründe. Als der Winter vorüber war, nahmen beide vorübergehende En gagements an Sommerbühnen an und für den nächsten Winter verpflichteten sie sich dem Direktor der „Kaiser hallen" in Wien. Hier trafen sie wieder mit Anita Brusio zusammen. Felix hielt sich der Italienerin scheinbar fern, aber Frida war dessenungeachtet nicht sicher, ob er sich dies Engagement nicht bloß deshalb be sorgt, um in der Nähe der einst so leidenschaftlich Gelieb ten zu sein. Vor kurzem nun war Anitas Verlobung mit Graf Welshofen bekannt geworden. Kurz zuvor hatte Felix seiner Liebsten mitgeteilt, daß er nunmehr das Geld beisammen habe, um seiner Mutter die beabsichtigte Rente zu kaufen. Wenn das geschehen, war er pekuniär unab hängig nnd konnte seinen blonden Schatz heiraten. Zu sammen erwarben sie genug, um ein nicht nur sorgenloses, sondern sogar reiches Leben zu führen und sich sogar noch etwas zurückzulegen. Alle diese Dinge zogen am heutigen Abend an ihrem Geist vorüber und wieder und wieder suchte sie sich die Punkte zu vergegenwärtigen, die sie rätselhaft beuchten. Da war erstens die Frage, „was hat er während der beiden Jahre, die er angeblich bet seiner Mutter lebte, getan?" Zweitens, „warum wollte er die Heirat auf schieben, bis er die Zukunft seiner Mutter gesichert, für die er doch mit Leichtigkeit auch ohnedies zu sorgen vermochte?" Mehr aber als alles beunruhigten sie zurzeit die seltsamen Reden, die er an diesem Abend geführt. „Wirst du mich immer lieben, nie etwas Schlechtes von von mir glauben, was du auch hören mögest? Wirst du mir immer vertrauen?" Als ob er das nicht gewußt hätte, ohne daß sie es ihm besonders zuschwor! Wenn er ehedem so gefühlt hätte, wie heute, würde er sie zu einer glücklichen Frau machen können, sagte er, aber jetzt Und dann fügte er hinzu: „Du hättest besser wählen können!" Das klang ja gerade — ja, großer Gott, das klang, als ob — er irgend eine Schuld auf der Seele hätte. Frida fuhr auf, als hätte sie eine Schlange gestochen. Wie konnte sie nur solchen Erwägungen Raum geben? Hatte sie nicht heute noch ihrem Geliebten beteuert, daß sie ihm stets vertrauen, daß nichts sie in dem Glauben an ihn wankend machen würde? Sie haßte sich um ihrer häßlichen Gedanken willen, aber seltsam, sie ließen sich nicht zum Schweigen bringen. Frida weinte ihre Kissen naß, ehe sie endlich Schlaf fand. Am andern Vormittag, als sie eben mit ihrer Freun din Louison zur Probe gehen wollte, klingelte eS und ein Kolporteur, der sich damit beschäftigte, in den Häusern Volksromane und schlechte Zeitschriften zu verbreiten, trat ein, um die jungen Damen zu veranlassen, auf eine» seiner Blätter zu abonnieren. Sie sagten ihm, daß sie nach seiner Lektüre kein Verlangen trügen, aber der Mann war nicht los zu werden. „Sehr spannende Geschichten stehen in den Journalen, lauter Krtminalgeschichten", erzählte er ihnen. „Hier zum Beispiel —" damit wies er auf ein Blatt — „ist eine Begebenheit erzählt, die dem Fall Welshofen ausnehmend gleicht. Sie kennen doch die Geschichte von der Ermordung des Grafen, Fräulein?" wandte er sich an Frida. „Natürlich, habe ich davon gehört", entgegnete das Mädchen. „Schrecklich!" sagte der Kolporteur. „Schrecklich! Wenn man so denkt, daß der Graf in seinem Bett über fallen und umgebracht ist ! Und niemand ist ihm zu Hilfe gekommen! Sein Diener ist ganz in der Nähe ge wesen, aber er hat ihn nicht schreien Horen. Sehr merk würdig !" „Ja, ich meine, er ist doq vergiftet worden?" sagte Frida ziemlich uninteressiert. „Wie jollte er da in seinem Bett überfallen sein und wie hätte er schreien sollen?" „Ach, Sie wissen Nähere» über d«n Fall, Fräulein?" fragte der Mann lebhaft. „Aber nicht doch, ich weiß nicht», wa» nicht ganz Wifu weiß." , „Aber vielleicht weiß Ihr Bräutigam, d«, Herr Olfers mehr darüber?" forschte jener, Frid« scharf fixierend. NumoriMlctio». (Protest.)« GefängniStnspektor: „Verheiratet fint Sie noch nicht !" Sträfling: „Oho- von mir find ja schon zwei Schwiegersöhne hier!" (Ertappt.) Mutter; „ES lagen zwet Aepfel im Schrank, Tom, und jetzt ist nur einer da. Wie kommt das?" Tom (der keinen Ausweg sieht): „Ach, Mama, es war so dunkel, und da habe ich den anderen nicht gesehen!" (Grob.) Sie: „Also erst nach Mitternacht kehrst Du heim, eine solche Rücksichtslosigkeit bietest Du mir, drei Wochen nach unserer Hochzeit — oh — oh, Ich koche vor Wut!" Er: „Ja, darin besteht auch Deine ganze Kochkunst!" (Zu sparsam.) „DaS Mädchen, daS b«t mir in Dienst tritt, muß sehr, sehr sparsam sein," sagt« die Pen sionsinhaberin zu dem sich meldend«! Mädchen. „So eine bin ich, gnä' Frau," war die prompte Ant wort. „Ja, meine Herrschaft hat mich auS diesem Grunde entlassen." „Weil Sie sparsam waren?" „Ja, mit meinen Kleidern. Ich 'habe öfter di» Von meiner Madam getragen." (Zu viel verlangt.) Vater (zu seinem Sohn, einem Studenten): „Jetzt mußt Du sehen, wie Du allein fertig wirst, Junge! Deins erste und zweite Mutter hast Du verstudiert . . . zum dritten Male heirate ich Deinet wegen aber nicht! (Liebenswürdig.) „Dein verdammter Köter hat mich nett gezwickt!" „Das mußt Du entschuldigen — der Hund war vor- dem Polizeihund, der faßt jede verdächtige Person an." „Mein Bräutigam?" wiederholte sie überrascht. „Wag wisse« Sie von meinem Bräutigam, Herr —" „Hattasch — Hattasch ist m«t« Name", fiel der Kolporteur «in. „Vin ein ehrlicher Böhme von Geburt, wenn auch schon lange hier in Wien. Und wa» ich von dem Herrn Bräutigam weiß, fragt da» Fräulein? «her gar nicht» — bloß in den „Kaiserhallen" hab' ich de« Herrn Olfers gesehen, wo er d«n Leute« immer so spaßig« Sachen «rzählt, daß uns«ei«»s sich totlachen könnte. Nu und da ist 's doch natürlich, daß man fragt, wer ist der hübsche junge Herr, der aussieht, wie «in Italiener, trotz seine» deutschen Namen»? Da ist nur d«nn erzählt worden, daß er mit dem Fräulein Frida Sasse, die so schön auf der Geige spielt und dazu singt, verlobt ist. Einige Leute sagten ja freilich: Aber nein doch, der ist mit der Italienerin, der Anita Brusio ver lobt, aber andere meinten, da» wäre vorbei, früher hätte er was mit der Anita Brusio gehabt, aber jetzt wäre das Fräulein Sasse s«i«e Braut." (Fortsetzung folgt.) kost»oh««ktcoato Iso. 3670 RsistlsdapIr-KiroLonto. Lori. llimSolo-S«L 102.10 S»/, 1SS.S0 vrooSoor Look laSaiirto-Nitti«: vrooSoor a»rSlo« vrooäoor Stoätsol. 86 3>/- krlt- Sokol LioSorlooo. Lybloa LorSS. rVoMUtmworsl 12 160. 110.- Rsiokrd-okälikoot l^ipr. 8vpotd..-LIr. ?^SÜr5 3-/, »lA 00. 2.1 4 30 408.- 11 198.25 Luokork. Lraoykvit» 2sltrsr Ll«ok. 12 247.90 22 811.- 7 216.- 5 s'/. 20.43 81.075 4.205 85.15 216. 20.485 - 100.30 93.10 84- 99.10 9210 83.40 94.75 97.- 92- 101.- 87?. vooSoo Sori, Sov-VorL Ooetorr, Ao»«» Lu«i«Uo „ LvgUrodo „ ^Ilaow. vsutooils OroSlt-^ootolt 9 171.75 »V, 3'/, 4 10./8. 1910 vlv. S 168.50 15 224.25 « 143.40 8 200.- 22 398.— 0 111.- ävr llrrgobirglsvkso Sank Lodnesdorg- stourtäätoi. 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