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KONGRESS-SAAL DEUTSCHES HYGIENE-MUSEUM Freitag, den 28. April 1967,19.30 Uhr Sonnabend, den 29. April 1967,19.30 Uhr Sonntag, den 30. April 1967,19.30 Uhr 10. PHILHARMONISCHES KONZERT Dirigent: Konstantin Hiev, VR Bulgarien Francois Couperin 1668-1733 Concert dans le goüt theätral (Einrichtung für Kammerorchester von Alfred Cortot) Ouvertüre Grande Ritournelle Air Air tendre (Rondeau) Air leger Loure Air Sarabande Air leger Air de Bacchantes Zum ersten Male Carl Philipp Emanuel Bach Sinfonie D-Dur 1714-1788 Allegro di molto — Largo —Presto Richard Strauss Till Eulenspiegels lustige Streiche 1864-1949 nach alter Schelmenweise in Rondoform für großes Orchester op. 28 PAUSE Arthur Honegger 1892-1955 Sinfonie Nr. 5 (Di tre re) Grave Allegretto — Adagio - Allegretto - Adagio — Allegretto Allegro marcato Erstaufführung Zum 75. Geburtstag des Komponisten am 10. März 1967 KONSTANTIN 1LIEV, einer der prominentesten gegenwärtigen bulgarischen Dirigenten, wurde 1924 in Sofia geboren. Er studierte an der Musikakademie seiner Heimatstadt Komposition, Dirigieren und Violine. Später setzte er seine Studien an der Prager Musikakadcmic fort (u. a. Dirigieren bei Vaclav Talich, Komposition bei Alois Haba). 1948 wurde er Chefdirigent der Sinfonie- und Opern orchester in Russe und Warna. Seit 1956 ist Konstantin Hiev Chefdirigent der Sofioter National philharmonie, die unter seiner Leitung zu einem bedeutenden Klangkörper wurde, mit dem er auch zahlreiche erfolgreiche Auslandstournecn unternahm. Er selbst absolvierte bisher eine Vielzahl von Gastdirigaten bei angesehensten Orchestern, u. a. in der CSSR, in Polen, in der DDR, in West deutschland, Ungarn, Rumänien, in der UdSSR, in Jugoslawien, Frankreich, Italien, Monaco, Griechenland, England. Bei der Dresdner Philharmonie war er zuletzt 1962 zu Gast. Hiev ist zugleich einer der namhaftesten zeitgenössischen Komponisten Bulgariens. Seiner Feder entstammen u. a. fünf Sinfonien, vier Streichquartette, zwei Quintette, eine Anzahl kleinerer Werke der Kammer- und Vokalmusik sowie die Oper »Der Meister von Bojana . ZUR EINFÜHRUNG Francois Couperin, einer weitverzweigten französischen Familie von Organisten, Clavc- cinisten und Komponisten entstammend, wurde im Jahre 1668 in Paris geboren, ver brachte sein ganzes Leben in seiner Heimatstadt und starb auch daselbst 1733. Um ihn von seinen Angehörigen seiner Bedeutung gemäß unterscheiden zu können, wurde er von seinen Zeitgenossen „Couperin le grand“ (Couperin der Große) genannt. 1685 wurde er Organist an St. Gervais, 1693 zusätzlich Hoforganist und Lehrer des Prinzen. Krankheit und familiäres Mißgeschick veranlaßten ihn, 1723 seine Organistentätigkeit aufzugeben und sich in den letzten Lebensjahren ganz aus dem Musikleben zurückzuziehen. Sein Tod blieb unbemerkt, und sein Schaffen geriet für über 100 Jahre in Vergessenheit. Dabei brauchen seine besten Werke, Sonaten, Konzerte, Suiten, Orgel- und Clavecin stücke, Motetten und Chansons, einen Vergleich mit seinem deutschen Zeitgenossen Johann Sebastian Bach, der ihn sehr rühmte, durchaus nicht zu scheuen. Bach übertrug übrigens ein Rondeau Coupcrins in sein zweites Notenbuch für Anna Magdalena Bach, Händel entlehnte Themen und ganze Abschnitte aus Couperins Werken. Das Schaffen des großen französischen Barockmeisters, in dem französische Tradition mit italienischem Kammerstil Corellischcr Prägung zu einer neuen Einheit verschmolzen, zeichnet sich durch geistige Konzentration, Empfindungstiefe, Größe der Erfindung, ornamenten reiche, geschmeidige Melodik, kühne Harmonik und feinnervige Rhythmik aus. Couperins ureigene Erfindung sind seine programmatisch bestimmten, poetischen „musi kalischen Porträts“ für Clavecin. Das Concert dans le goüt theätral (Konzert im theatralischen Stil) erklingt in einer Ein richtung für Kammerorchester von Alfred Cortot (1877-1962), dem berühmten franzö sischen Pianisten, der über das Couperinsche Werk und seine stilvolle Bearbeitung des selben folgendes äußerte: „Im Jahre 1722 veröffentlichte Couperin - im Anschluß an das dritte Buch seiner .Pieces de Clavessin' - die erste Reihe seiner Kammermusikwerke unter dem Titel ,Conccrts royaux'. Eine zweite Reihe folgte 1724 unter dem Gesamt titel ,Les Goüts reunis“ mit dem erläuternden Untertitel: .oder neue Konzerte zum Ge brauch für allerlei Instrumente'. Das .Konzert im theatralischen Stil' ist das Werk Nr. 8 dieser zweiten Reihe. In einem Vorwort zur ersten erklärte Couperin, daß diese Suiten zur Ergötzung des Königs Ludwig XIV. geschrieben und anläßlich seiner .Kleinen Kon zerte', 1714 und 1715, vom Komponisten und anderen Musikern gespielt worden seien. Da die Namen dieser Musiker angegeben sind, war es dem Herausgeber der heute ge spielten Fassung möglich, sich genau über jene Aufführungsweise zu unterrichten und seine Instrumentierung für Kammerorchester durchaus im ursprünglichen Stil zu halten. Der Titel ,Im theatralischen Stil' besagt, daß es sich um ein Operndivertimento handelt, d. h. eine Reihe von Stücken nach Art der Gesangs- und Tanznummern der Lullyschen und nachlullyschcn Oper. Die ganze Suite, von der .Französischen Ouvertüre' bis zum Bacchanal, das in keiner jener Opern fehlen durfte, ist eine souveräne Übertragung dieses Stils auf das Kammerkonzert; in bunter Ordnung entrollen sich die bald edel pathetischen, bald launischen Episoden eines zugleich heiteren und prunkvollen festlichen Geschehens.“ Carl Philipp Emanuel Bach - der Zweitälteste und insgesamt wohl bedeutendste Sohn Johann Sebastian Bachs - ist nach seinen Wirkungsstätten unter dem Namen eines „Berliner“ oder „Hamburger“ Bach in die Musikgeschichte eingegangen. 24jährig wurde er Kammerccmbalist Friedrich II. von Preußen, in dessen Dienst er fast dreißig Jahre lang tätig war. Da das Leben unter dem strengen Dienstzwang des Berliner Hofes ihn aber auf die Dauer immer weniger befriedigte, bemühte er sich verschiedentlich um eine andere Stellung. Doch erst 1767 gelang ihm der Wechsel: Er übernahm das Amt seines Patenonkels Georg Philipp Telemann als Stadtkirchenmusikdircktor und Kantor in Hamburg, das durch dessen Tod frei geworden war. Als einflußreiche, hochgeachtete Persönlichkeit wirkte er hier bis zu seinem Tode im Jahre 1788. Sein Ruhm als fort schrittlicher Komponist und Klavierpädagoge war unter seinen Zeitgenossen so groß, daß daneben das Andenken an seinen genialen Vater verblaßte. Carl Philipp Emanuel