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FRITZ MELZER führt), „Die Hexe von Passau“ und „Der fröhliche Sünder“. Die Festliche Tokkata von 1942 stellt die Verselbständigung des Vorspiels zur Oper „Madame Liselotte“ dar. Es handelt sich um ein Tonstück in freier, archaisierender Form, das eine gewisse „Badische Strenge“ mit einfacher Melodik verbindet. Lineare Entwicklungen wechseln mit akkordischen Partien. Eine dreimalige Aufwärtsbewegung steht am Beginn. Triolcn leiten zu einem liedhaften Blechbläserthema über, das mehr mals wiederkehrt. Nach der glanzvoll auf rauschenden langsamen Einleitung folgt ein Allegroteil, der wie eine Durchführung des bisherigen Materials erscheint. Mit einem Rückgriff auf die langsame Einleitung rundet der Komponist das musikantische und vitale Stück ab. Daß aus den Reihen eines Orchesters Kom ponisten hervorgegangen sind, hat sich in Vergangenheit wie Gegenwart wiederholt ereignet. Auch bei der Dresdner Philhar monie ist dies der Fall. Fritz Melzer, seit 1958 als Baßklarinettist des Orchesters tätig, fühlt sich bereits seit 19.38 zur schöpferischen kompositorischen Arbeit hingezogen und konnte auf diesem Gebiet inzwischen eine ganze Reihe künstlerischer Erfolge erringen. 1915 im damaligen Chemnitz geboren, studierte Fritz Melzer bei Kammermusiker Arthur Richter und Kammervirtuos Karl Schütte an der Orchcsterschule in Dresden Klarinette sowie Komposition bei Kurt Strieglcr. Engagements führten ihn nach Abschluß seiner Studien als Soloklarinettist an Bäder-Orchester, 1934 an den Rundfunk Leipzig sowie zu verschiedenen Thcaterorchestern. Schon 1928 der Sozialisti schen Arbeiterjugend beigetreten, hatte er in der Zeit des Faschismus manche Repressalien zu erleiden - Ereignisse, die sein späteres Weltbild wesentlich mitprägten. Die Zeit nach 1945, die auch für Fritz Melzer einen neuen Anfang bedeutete, brachte eine Intensivierung seiner künstlerischen und gesellschaftlichen Tätigkeit. Bei Werner Hübschmann vervoll kommnete er sein kompositorisches Rüstzeug und wandte sich, nachdem er bis dahin vor wiegend gehobene Unterhaltungsmusik geschrieben hatte, der ernsten Musik zu. Verschie denste Werke entstanden, vor allem Kammermusiken für Bläser. Die 1941 mit dem Ballett „Das Brockenfest“ begonnene Arbeit für das musikalische Theater wurde fortgesetzt mit der sehr erfolgreichen Märchenoper „König Drosselbart“ (1954), die über elf Bühnen der DDR ging, und den musikalischen Märchenspielen „Frau Holle“ (1955) und „Die wilden Schwäne“ (1956). Das jüngste, im Auftrag des Haydn-Kammerorchesters der Medizinischen Akademie „Carl Gustav Carus“ komponierte Werk, ein Oboenkonzert, wird während der diesjährigen Arbeiterfestspielc in Dresden seine Uraufführung erleben. Überhaupt ist Fritz Melzers Tätigkeit in der musikalischen Laienbewegung hervorzuheben, etwa seine Be treuung des Arbeiter-Sinfonieorchesters der Pentacon-Werke Dresden, für das er auch komponiert. Die Suite für Baßklarinette und Orchester entstand 1964. Sie wurde im Februar 1965 vom Komponisten als Solisten mit dem Staatlichen Orchester Riesa unter Paul Diener erfolgreich uraufgeführt und ist seitdem verschiedentlich erklungen. Das Instrument der Baßklarinette - größer im Bau und im Tonumfang tiefer stehend als die Klarinette - hat zwar in der musikalischen Literatur u. a. von Meyerbeer bis Hindemith charaktervolle Verwendung gefunden. Ihr pastoser, edler, klarer und freier Ton hat jedoch die Komponisten bisher noch kaum veranlaßt, sie als Soloinstrument einzusetzen. Dieser Vorstoß in Neuland ist Fritz Melzer zu danken, der, die klanglichen Eigentümlichkeiten und technischen Möglich keiten seines Instrumentes genau kennend und nutzend, in seiner dreisätzigen kontrast reichen Suite außerdem demonstriert, wie beweglich die Baßklarinette sein kann. Die Sätze der Suite verkörpern gleichsam „Haltungen“, wie sie im Verlauf eines menschlichen Lebens begegnen können. Der rhapsodisch-spielerische Charakter des ersten Satzes (Con moto), der sich in verschiedene Abschnitte aufgliedert, weist trotz des energisch beginnenden Hauptthemas und des stimmungsmäßig ähnlichen zweiten Themas (im Soloinstrumcnt) auf einen noch unentschlossenen, ungefestigten Standpunkt hin. Im zweiten Satz (Andante) wird eine von Selbstbesinnung, innerer Einkehr bestimmte Haltung gezeigt. Fagott und Violoncello stimmen das melodiöse Hauptthema an; ein weiterer, etwas bewegterer Gedanke folgt, ehe die Durchführungsarbeit beginnt. Der dritte Satz (Allegro) zeichnet das Bild eines reif ge wordenen Menschen, der zu einer optimistischen Lebensauffassung voller Tatkraft gefunden hat, ohne elegische Gedanken gänzlich auszuschließen. Das sofort im Orchester einsetzende, lebendige, tänzerisch-heitere Hauptthema wird vom Soloinstrument weitergeführt. Später tritt - in der Baßklarinette - ein weiteres Thema hinzu. Die natürliche volkstümliche Melodiebildung und schlichte harmonische Sprache ermöglichen dem Hörer, im Bunde mit der sinnfälligen Formgestaltung, einen unmittelbaren Zugang zu der Suite zu finden. Ernst Hermann Meyer wurde im Jahre 1905 in Berlin als Sohn eines Arztes und einer Malerin geboren. Seit 1919 erhielt er von Walter Hirschberg Unterricht in Musik theorie. 1927 begann er in Berlin bei Johannes Wolf, Friedrich Blume, Arnold Schering und Erich von Hornbostel das Studium der Musikwissenschaft, das er in Heidelberg bei Heinrich Besseler mit einer Dissertation über „Die mehrstimmige Spielmusik des 17. Jahr hunderts“ abschloß. Gleichzeitig vervollkommnete er sich bei Max Butting, Paul Hindemith und namentlich bei Hanns Eisler in der Komposition. In den schweren Jahren der Emi gration nach 1933 mußte er sich notgedrungen Brotberufen zuwenden, die mit seinem künstlerischen und wissenschaftlichen Beruf wenig oder nichts zu tun hatten. Doch die Verbindung zur Arbeiterschaft - er emigrierte nach England und betätigte sich als Dirigent von Arbeiterchören, für die er auch komponierte - gab ihm neue Energie, seine wissen schaftlichen und kompositorischen Ziele zu verfolgen. 1948 wurde er als Ordinarius für Musiksoziologic an die Humboldt-Universität Berlin berufen, deren musikwissenschaftliches Institut er heute mit Georg Kncpler leitet. Professor Meyer ist u. a. Mitglied der Deutschen ERNST HERMANN MEYER