Volltext Seite (XML)
STEINSAAL DEUTSCHES HYGIENE-MUSEUM Dienstag, den 24. November 1964, 19.30 Uhr 2. KAMMERMUSIKABEND der Kammermusikvereinigung der Dresdner Philharmonie Ausfuhren de: Friedrich-Streichtrio: Eberhard Friedrich, Violine Hans Vos, Viola Manfred Reichelt, Violoncello Werner Metzner, Klarinette Helmut Radatz, Fagott Ilse Brähmer, Klavier Joseph Haydn 1732-1809 Divertimento für Violine, Viola und Violoncello Allegro moderato Andante Menuett Ludwig van Beethoven 1770-1827 Serenade für Violine, Viola und Violoncello op.8 D-Dur Marcia (Allegro) Adagio Menuetto (Allegretto) — Trio Adagio — Scherzo (Allegro molto) Allegretto alla Polacca Andante quasi Allegretto (Tema con Variazioni) Marcia (Allegro) — Pause — Paul Dessau geb. 1894 Lustige Variationen über das Volkslied „ Hab’ mein JVagen vollgeladen “ für Klarinette, Fagott und Klavier (Erstaufführung) Robert Schumann 1810-1856 Quartett für Violine, Viola, Violoncello und Klavier Es-Dur op. 47 Sostenuto assai — Allegro ma non troppo Scherzo (Molto vivace) Andante cantabile Finale (Vivace) ZUR EINFÜHRUNG Unter Joseph Haydns überaus zahlreichen Kammermusikwerken für die verschiedenartigsten Besetzungen finden wir auch eine sehr große Anzahl von Streichtrios. Die meisten dieser Kompositionen sind soge nannte „Divertimenti“, Haus- und Unterhaltungsmusik leichteren Charak ters in meist dreisätziger, suitenartiger Form. Neben den original für zwei Violinen (bzw. Violine, Viola) und Violoncello geschriebenen Streichtrios komponierte Haydn allein 125 Trios für Baryton, Viola (oder Violine) und Violoncello. Das Baryton, ein heute nicht mehr gebräuchliches, zur Gam benfamilie gehörendes sechssaitiges Streichinstrument mit neun bis vier undzwanzig Resonanzsaiten unter dem Steg, war ein Liebhaberinstrument des 18. Jahrhunderts, das zum Beispiel Leopold Mozart „eines der anmu tigsten Instrumente“ nannte. Da Haydns Brotgeber, der 'Fürst Esterhazy, das Baryton sehr liebte, widmete ihm der Komponist insgesamt etwa 170 Werke für dieses Instrument. Auch das heute zur Aufführung gelan gende Divertimento in A-Dur wurde ursprünglich als Baryton-Trio kom poniert und entstand wie die meisten dieser Kompositionen, von denen Haydn übrigens viele selbst später für andere Streicherbesetzung um schrieb, wahrscheinlich zwischen 1765 und 1771. Das liebenswürdig-heitere kleine Werk, dessen kantabler langsamer Mittelsatz von zwei bewegteren Ecksätzen umrahmt wird, erklingt in einer Bearbeitung für Violine, Viola und Violoncello. Die fünf Streichtrios, die uns Ludwig van Beethoven hinterlassen hat, entstammen der Frühzeit des Meisters. Die Serenade D-Dur op. 8 für Violine, Viola und Violoncello, 1797 veröffentlicht und höchstwahrschein lich um 1796/97 komponiert, ist in ihrem Charakter noch ganz der heiteren Gesellschaftsmusik der Zeit verpflichtet und vertritt in der lockeren An einanderreihung verschiedenartiger Satzformen noch den Typ des Diverti mentos, dem wir auch im Werke Haydns begegneten. Nadi einem einleitenden Marsch erklingt im anschließenden Adagio-Satz echte, schwärmerisch schmachtende Serenadenmusik. Es folgen ein gra ziöses Menuett und ein zierliches Trio, durch eine Pizzicato-Coda 'beendet. Der nächste Satz bringt in seiner Stimmung originelle Kontraste: Zweimal wird ein dunkler Moll-Teil (Adagio) von einem lichten, bewegten D-Dur- Scherzo (Allegro molto) abgelöst, bis der Satz endlich im Adagio elegisch verklingt. Tänzerisch-rhythmisch ist der folgende Satz, ein Allegretto alla polacca in F-Dur, angelegt. Im Andante quasi Allegretto hören wir vier Variationen über ein liedhaftes Thema, das auch die thematische Grund lage der beiden nächsten Teile, eines Allegros im 8 /s-Takt und eines lyri schen Schlußteils im 2 /-i-Takt, bildet. Unmittelbar schließt sich die Wieder holung des Anfangsmarsches an, der das Werk auch wieder beschließt. Paul Dessau, dessen 70. 'Geburtstag in Kürze — am 19. Dezember dieses Jahres — bevorsteht, ist eine der profiliertesten und bedeutendsten Komponistenpersönlichkeiten unserer Republik. Der während der Nazizeit emigrierte, seit 1948 wieder in Berlin lebende und inzwischen für sein Schaffen bereits zweimal mit dem Nationalpreis ausgezeichnete Kompo nist trat mit einer Vielzahl interessanter Werke hervor. Genannt seien hier (neben zahlreichen Film- und Schauspielmusiken, Kammermusik- und Klavierkompositionen sowie Vokalwerken verschiedener Besetzung) vor allem seine Opern „Die Verurteilung des Lukullus“ und „Puntila“ (beide nach Brecht-Texten), das Melodram „Lilo Hermann“ (nach Friedrich Wolf), das „Requiem für Lumumba“ und Orchesterwerke wie der „Sinfonische Marsch“, die „Orchestermusik 1955“, „In memoriam Bertolt Brecht“ und die „Bach-Variationen“.