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Kongießsaal Deutsches Hygienemuseum - Dresden Freitag, den 23. Oktober 1964, 19.30 Uhr Es spielt die nee aememe Dirigent: Manuel Duchesne Cuzän, Cuba Wolfgang Amadeus Mozart 1756—1791 Ludwig van Beethoven 1770—1827 Ouvertüre zur Oper »Die Hochzeit des Figaro« Sinfonie Nr. 8 F-Dur, op. 93 Allegro vivace e con brio Allegretto scherzando Tempo di Menuetto Allegro vivace —PAUSE— Peter Tschaikowski 1840-1893 Sinfonie Nr. 4 f-Moll, op. 36 Andante sostenuto-Moderato con anima Andantino in modo di canzona Scherzo (Allegro) Finale (Allegro con fuoco) Zur Einführung Die Ouvertüre zu Wolfgang Amadeus Wozarts im Jahre 1786 uraufgeführter Oper »Die Hochzeit des Figaro« nach der berühmten revolutionären Komödie »Der tolle Tag« von Beaumarchais stellt die einzige Ouvertüre zu einer der reifen Meisteropern des Komponisten dar, die keinerlei thematisches Material aus dem Opemwerk selbst verarbeitet und in der das spätere Handlungsgeschehen klang lich in keinerweise vorweggenommen wird. In dieser in verkürzter Sonatensatjform (ohne Durchführung, aber mit einer großen Coda) angelegten Komposition, die sich durch ihre formale Geschlossenheit, durch die Selbständigkeit der Gedanken besonders gut auch für eine Darbietung im Konzertsaal eignet, kann man wohl am ehesten eine Widerspiegelung des Gesamteindrucks von Mozarts Oper er blicken; indessen ist sie häufig auch als eine allgemeine, einführende Schilderung in das Milieu der Oper beziehungsweise sogar als eine Zeichnung des Charakters des Titelhelden gedeutet worden. Die von erregender, federnder Leichtigkeit und Schwerelosigkeit erfüllte, ganz auf Bewegung gestellte und in wirbelndem Pres- tissimo-Tempo dahinjagende Ouvertüre setjt ganz leise im Unisono ein. Sie wird von zwei meisterhaft verarbeiteten Hauptthemen getragen: einem aus verschiedenen, gegensätzlichen motivischen Bestandteilen bestehenden ersten Thema und einem gesanglichen, liebenswürdigweichen Thema in A-Dur. Urte Härtwig Ludwig van Beethovens 8. Sinfonie in F-Dur, op. 93, folgte unmittelbar auf die 7. Sinfonie. Das Werk entstand während eines Kuraufenthaltes in den böhmischen Bädern im Sommer 1812 und wurde nach einer handschriftlichen Bemerkung des Meisters auf der Partitur »(Sinfonia Lintj im Monath October 1812)« in Unz, wo er nach der Kur für einige Wochen seinen Bruder Johann besuchte, vollendet. Die erste Aufführung fand in einem eigenen Konzert Beethovens am 27. Februar 1814 in Wien statt, zusammen mit der Siebenten und der Programmsinfonie »Wel lingtons Sieg oder die Schlacht bei Vittoria«. Bei den Zeitgenossen fand die Achte zunächst wenig Anklang. »Das Werk machte keine Furore,« hieß es in einer kritischen Stimme nach der Uraufführung. Beethoven zeigte sich darüber recht verärgert, er meinte, seine »Kleine Sinfonie« (so nannte er sie im Vergleich mit der »Großen« A-Dur-Sinfonie) habe den Hörern wohl deshalb nicht gefallen, »eben weil sie viel besser ist.« Der Grund für diesen Mangel an Verständnis (genau genommen steht ja die achte, ebenso wie die vierte Sinfonie, auch heute noch ein wenig im Schatten ihrer berühmten Geschwisterwerke) lag nicht etwa in der besonderen Schwierigkeit des Werkes. Im Gegenteil, man hatte wohl nach den vorangegangenen Schöpfungen neue Steigerungen erwartet und warjnun enttäuscht durch eine scheinbare Zurückwendung auf Vergangenes (Anklänge an frühere Werke, Anwendung von sinfonischen Prinzipien Haydns), die aber hier durchaus keinen Rückschritt, sondern eher einen Rückblick von einer höheren Stufe aus darstellte. Heitere Scherzhaftigkeit, beschauliche Behaglichkeit, launiger Humor, kraftvolle Lebensbejahung und ausgelassene Freude charakterisieren das formal bemerkenswert geschlossene Werk, in dem, wie auch schon in der 7. Sinfonie, wieder dem rhythmischen Element eine große Bedeutung zukommt. JDer ohne Einleitung sogleich mit dem frischen, klar gegliederten Hauptthema be iginnende 1. Satj (Allegro vivace e con brio) ist voller schalkhafter Einfälle und contrapunktischer Neckereien. Er steigert sich nach fröhlich-tumultarischen Kämp fen bis zum gewaltigen Freudenausbruch der Coda, endet dann aber sehr graziös mit dem noch einmal leise aufklingenden Kopfmotiv des fröhlichen, tänzerischen Anfangsthemas. - Auf einen langsamen Satj verzichtend, schrieb Beethoven als 2. Satj ein bezaubernd anmutiges, leicht dahintändelndes Allegretto scherzando. Als Thema liegt diesem Satj ein Kanon zugrunde, den der Meister in heiterer Laune dem Erfinder des Metronoms, Johann Nepomuk Mälzel, gewidmet hatte; die Sechzehntelakkorde der Bläser zu Beginn, die gleichsam das Ticken des me chanischen Zeitmessers nachahmen, bestimmen die Bewegung des reizenden, scherz haften Satjes. - Der 3. Satj (Tempo di menuetto) erinnert an einen derbkräftigen Volkstanz, im Trio erklingt über Stakkato-Triolen der Violoncelli in Hörnern und Klarinetten eine einschmeichelnde, ländlerartige Melodie. - Das Finale der weit aus umfangreichste Satj, in freier Rondoform gehalten, stellt den eigentlichen Höhepunkt des Werkes dar. übermütige Laune, »gtimmiger« Humor äueem sich hier in mancherlei drastischen Einfällen - so gleich zu Anfang in dem (auch später wiederkehrenden) überraschenden, dynamisch stark betonten tonartfremden Cis, nach dem zuerst im Pianissemo in schnellstem Zeitmaß vorüberhuschenden F-Dur - Rondothema, das dann im Fortissimo-Tutti gebracht wird. Das kontrastierende zweite Thema erklingt als lyrische Kantilene der Violinen. Mit größter kontra punktsicher Meisterschaft und bewundernswerter Erfindungsgabe, immer neuen geistvollen Wendungen und Kombinationen bei der Wiederholung der Themen ist dieser Satj, der trot; des dominierenden Humors auch ernstere Gegenströmungen, schroffe Einwürfe aufweist, gestaltet. Durch einen jubelnden, wirbelnden Freuden tanz wird das Finale abgeschlossen. Urte Härtwig »Das russische Element in meiner Musik im allgemeinen - das heißt die dem russischen Lied verwandte Art und Weise der Melodieführung und ihre Harmoni sierung - ist darauf zurückzuführen, daß ich, in völliger Weltabgeschiedenheit ge boren, von frühester Kindheit an von der unbeschreiblichen Schönheit der charak teristischen Züge der Volksmusik durchdrungen war und ich das russische Element in allen seinen Erscheinungsformen bis zur Leidenschaft liebe, mit einem Wort, daß ich eben ein Russe bin im erschöpfendsten Sinne des Wortes.« Diese Worte P<eter, Tschaikowskis treffen in besonderer Weise auf seine in den Jahren 1877/78 (in unmittelbarer Nachbarschaft zur Oper »Eugen Onegin«) entstandene, am 10. Februar 1878 in Moskau uraufgeführte 4. Sinfonie f-Moll op. 36 zu, in der sich seine starke innere Beziehung zur Volksmusik seiner Heimat deutlich wider spiegelt. Eine schwere, durch das Scheitern seiner unglücklichen Ehe bedingte Lebens- und Schaffenskrise des Meisters, aber auch der Beginn neuer künstlerischer und menschlicher Gesundung fanden in dieser Sinfonie ihren Niederschlag. - Tschai kowski widmete das Werk seinem »besten Freunde«, seiner Gönnerin Nadjeshda