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ZUR EINFÜHRUNG KONGRESS-SAAL DEUTSCHES H Y GI E N E - M U S E U M Freitag, den 20. November 1964, 19.30 Uhr Sonnabend, den 21. November 1964, 19.30 Uhr Sonntag, den 22. November 1964, 19.30 Uhr 4. PHILHARMONISCHES KONZERT Dirigent: Horst Förster Solist: Michail Chomitzer, Sowjetunion [Fitold Lutoslawski geb. 1913 Trauermusik (in memoriam Bela Bartok) — Erstaufführung Prolog Metamorphosen Apogäum Epilog Joseph Haydn 1732-1809 Konzert für Violoncello und Orchester D-Dur Allegro moderato Adagio Allegro — Pause — Ludwig van Beethoven 1770-1827 3. Sinfonie Es-Dur op. 55 (Eroica) Allegro con brio Marcia funebre Scherzo, Allegro vivace Allegro molto Michail Chomitzer Michail Chomitzer, 1935 geboren, ent stammt einer Musikerfamilie: die Mutter war Pianistin, der Vater Cellist. Seine musikalische Ausbildung erhielt er am Moskauer Korservatorium in der Klasse des berühmten Cellisten Swjatoslaw Knuschewitzki. Im Jahre 1955, noch als Student, nahm Chomit zer an einem internationalen Cellisten wettbewerb in Prag teil, wo er mit dem 1. Preis ausgezeichnet wurde. In ¬ zwischen trat er mit großem Erfolg als Solist in Moskau und anderen großen Städten der UdSSR auf. Seine Konzerte im Ausland — in der CSSR. der DDR. Bulgarien und in der VR Korea — fanden die begeisterte Zu stimmung von Publikum und Presse. Michail Chomitzer, der jetzt eine Cellistenklasse am Moskauer Tschai- kowski-Konservatorium leitet, ist seit 1957 Solist der Moskauer Philharmonie. Der am 25. Januar 1913 in Warschau geborene Witold Lutoslawski ist einer der führenden und erfolgreichsten Vertreter der zeitgenössischen polnischen Musik. Die Werke des aktiv im polnischen Komponistenver band wirkenden, übrigens auch als Vizepräsident der Internationalen Ge sellschaft für Neue Musik tätigen Komponisten erklingen in den Konzert- und Rundfunkprogrammen der ganzen Welt und sind verschiedentlich auf Schallplatten aufgenommen worden. Jede neue Komposition Lutoslaw- skis wird in seinem Heimatlande mit großer Spannung erwartet. Mehr fach wurde sein Schaffen mit Preisen ausgezeichnet. So erhielt er 1948 den Musikpreis der Stadt Warschau, 1951 den 1. Preis der ..Festspiele polnischer Musik“ und 1952 den Staatspreis 2. Klasse der Volksrepublik Polen. Lutoslawski wurde schon in früher Kindheit im Klavier- und Violinspiel unterrichtet, im Alter von neun Jahren begann er bereits zu komponieren Sein Musikstudium absolvierte er am Konservatorium seiner Heimat stadt in den Fächern Violine, Klavier (1936 abgeschlossen) und Komposi tion (Ausbildung 1937 beendet in der Klasse Professor Maliszewskis, eines Schülers Rimski-Korssakows und Glasunows). Gleichzeitig studierte er an der Warschauer Universität Mathematik. Nach der Befreiung Polens vom Hitlerfaschismus konnte sich Lutoslawskis kompositorisches Schaffen voll entfalten. Es entstanden bisher sinfonische Arbeiten (u. a. eine Sinfonie, Sinfonische Variationen für Streichorchester, Ouvertüre für Streichorche ster, Kleine Suite, Schlesisches Triptychon für Sopran und Orchester, Konzert für Orchester, Trauermusik für Bela Bartök), Kammermusiken, Liederzyklen. Chorwerke, Massenlieder, Film- und Schauspielmusiken. Lutoslawskis Kompositionen nehmen in der polnischen Gegenwartsmusik durch ihr eigenes, individuelles Gepräge eine besondere Stellung ein. Seine Schreibweise ist durch eine originelle Synthese folkloristischer Ele mente mit einem kühnen, neuartigen harmonischen und orchestralen Stil, durch betonte Konzentration der Aussage und Präzision der Form ge kennzeichnet. Die unser heutiges Konzert eröffnende Trauermusik für mehrfach geteil tes, großes Streichorchester, dem Andenken des genialen ungarischen Kom ponisten Bela Bartök (1881—1945) gewidmet, entstand in den Jahren 1957/58. Das Werk ist ein Zeugnis der jüngsten Schaffensperiode des Komponisten, in der er, sich von tonalen Zentren lösend, versucht, mittels einer freien dodekaphonisch-kontrapunktischen, ungemein verdichteten sparsamen und prägnanten Setzweise zu einer neuen Ordnung des musikalischen Materials zu gelangen. Die aus vier unmittelbar ineinander übergehenden Teilen bestehende Komposition löst durch den gesammel ten Ernst und die Klarheit ihrer Aussage eine unmittelbar erschütternde Wirkung beim Hörer aus — ein Beweis dafür, daß Musik auch bei kom pliziertester Konstruktion, ihre Ausdruckskraft behalten kann, wenn sich der Komponist über den gesellschaftlich-humanistischen Auftrag der Musik im klaren ist, wie dies bei Lutoslawski der Fall ist. Den Auftakt des Werkes bildet ein ..Prolog“, der einen auf einem zwölftönigen Themd (mit vielen Tritonus- und Halbtonschritten) aufgebauten Kanon darstelltJ Das mehr und mehr beeindruckende musikalische Geschehen führt zum zweiten Teil der Trauermusik: zu den „Metamorphosen“, die, nach Passa-I cagliaart mit einem Baßthema (Pizzicato) beginnend, auf eine neuartige Weise an die Variationstechnik der Barockmusik anknüpfen. Langsames Anwachsen der klanglichen Substanz leitet zum „Apogäum“ (Höhepunkt), dem dritten Abschnitt der Komposition, über, „das einen Zwölftonklang, in seinem vertikalen Aufbau differenziert, als einen stehenden Akkord in