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KONGRESS-SAAL DEUTSCHES HYGIENE-MUSEUM Gastdirigent Solist Reinhold Glier 1875-1956 Otar Taktakischwili geb. 1924 Alexander Borodin 1833-1887 Freitag, 7. Dezember 1962, 19.30 Uhr Sonnabend, 8. Dezember 1962, 19.30 Uhr Sonntag, 9. Dezember 1962, 19.30 Uhr und 2. Abend im Anrecht C für Betriebe RUSSISCHE UND SOWJETISCHE MEISTER Ogan Durjan, Jerewan Anton Ginsburg, Moskau Ouvertüre „Freundschaft der Völker“ Konzert für Klavier und Orchester Allegro Scherzo (Vivo e leggiero) Andante — Allegro molto PAUSE 2. Sinfonie h-Moll Allegro Scherzo (Prestissimo) Andante Allegro ZUR EINFÜHRUNG Reinhold Morizewitsch Glier gehört zu jenen Komponisten, die in der Zeit des Zarismus groß, bekannt und berühmt wurden, dann die Große Sozialistische Oktoberrevolution erlebten und, an die Seite der Arbeiterklasse tretend, zu Geburtshelfern einer neuen, einer sozialistischen Musikkultur wurden. Glier wurde am 11. Januar 1875 in Kiew als Sohn eines Blasinstrumentenbauers geboren; schon als Gymnasiast fühlte er sich leidenschaftlich zur Musik hingezogen. Als Kind erregte er in Fach kreisen durch sein Geigenspiel Aufsehen. Im Alter von 14 Jahren schrieb er sein erstes Quartett. Mit 16 Jahren trat er in die Kiewer Musikschule ein, um dann anschließend, und zwar vom Jahre 1894 an, am Moskauer Konservatorium bei hervorragenden Lehrern zu studieren. Seine kompositorische Ausbildung erhielt er bei Tanejew, dem Tschaikowskischüler, und bei Ippolitow- Iwanow. Nachdem er 1900 das Konservatorium absolviert hatte, unterrichtete er zunächst an der Moskauer Musikschule „Gnessin“. Sein Privatschüler war damals — auf Grund einer Emp fehlung Tanejews — zwei Jahre lang der kleine Serge Prokofjew. Im Jahre 1905 ging Glier zwei Jahre nach Berlin, um seine musikalische Bildung zu vertiefen. Unter anderem studierte er bei Oskar Fried Dirigieren und legte damit den Grund für 'seine später sehr erfolgreiche Laufbahn als Dirigent. Damals fand auch in Berlin die Uraufführung seiner 2. Sinfonie statt, von deren Erfolg sich der junge Komponist selbst überzeugen konnte. Von 1913 bis 1920 war Glier Professor und Direktor des Konservatoriums Kiew, dann übernahm er die Nachfolge Tanejews als Kompositionslehrer am Moskauer Konservatorium. Zu den Schülern des hervor ragenden Pädagogen gehören u.a. außer dem schon genannten ProkofjewMjaskowski, Nowikow, Dawidenko, Rakow, Budaschkin, Mokroussow (sprich: Mokro-ussow). Gliers Werk ist sehr umfangreich. Es umfaßt alle Gattungen der Musik. Dabei knüpft er an die Traditionen Tschaikowskis und Borodins an. Es ist also ein beziehungsvolles Zusammen treffen, daß des Letzteren 2. Sinfonie in unserem heutigen Programm steht. Am bekanntesten geworden in der Sowjetunion ist er wohl durch seine Ballette, die zum ständigen Repertoire der Moskauer und Leningrader Bühnen gehören und auch in den Operntheatern der Unions städte häufig aufgeführt werden. Das gilt vor allem von dem Ballett „Der eherne Reiter“, das - nach Puschkin - seinen Stoff aus der Historie nimmt, und dem 1927 geschaffenen „Roten Mohn“, das den Kampf der chinesischen Werktätigen gegen den anglo-amerikanischen Imperialismus und seine bürgerlichen Helfer in China zum Gegenstand hat. Zum erstenmal in der Geschichte dieser Kunstgattung erscheinen hier direkt aus dem Leben gegriffene Menschen auf der Bühne. Die sowjetischen Seeleute des im Hafen liegenden sowjetischen Schiffs und die Helden der chinesischen nationalen Befreiungsbewegung - alle diese Gestalten erhalten sprühendes Leben. Teile dieser Ballettmusik sind ungemein populär geworden und in die Unterhaltungsmusik ein gegangen. In Deutschland sind vor allem sein Harfenkonzert, sein Konzert für Koloratursopran und Werke der kleinen Form bekannt geworden. Wie in seinen Balletten bekennt sich Glier auch in seiner Instrumentalmusik zur Gegenwart. Seine in der ganzen Welt vielgespielte Sinfonische Ouvertüre „Freundschaft der Völker“ ist der von einem großen Künstler geformte Ausdruck der Friedensliebe des sowjetischen Volkes, ist eine klingende Demonstration der Politik der UdSSR, die Welt im Sinne der Beethovenschen, in der Neunten Sinfonie verkündeten Idee „Alle Menschen werden Brüder“, zu einer friedlichen zu gestalten. Die Hauptmerkmale seines Stils, packende Melodik, die sich hier auf die Ver wendung volkstümlicher slawischer Themen gründet, Farbigkeit der Harmonik, kunstvolle Kontrapunktik und eine vitale Klangphantasie zeichnen auch dieses Werk aus. So versteht er es beispielsweise, das zu Beginn in der Solo-Oboe erklingende Thema, das hier wie ein träume-