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Jossif Utkin Familienereignis (1935) Zwei einander leise sagen Vorwurfsvolle bittre Klagen: „Ich hab recht . . .“ „Nein, ich hab recht . . „Du bist schlecht . . „Nein, du bist schlecht . . „Ich fahr weg nach Leningrad . . .“ „Gott sei Dank!“ „Ich hab es satt!“ Auf dem Bahnhof ist’s geschehen, dieses Jahr zur Sommerzeit. Alles aus und kein Verstehen, schon die Fahrkarten bereit. Steht das Dampfroß auf den Schienen, wetzt die blanken Hufe schon, will der blaue D-Zug ziehen grad ihm nach, auf und davon. „Ich fahr weg nach Leningrad . . .“ „Gott sei Dank!“ „Ich hab es satt!“ Als aber der Rotbemützte seine kleine Flagge . . . hob . . . und das Fahrtsignal aufblitzte . . . Dampf aus allen Rohren stob . . . als aber dann . . . zwölf Uh” zwanzig . . . ein Moment noch verblieb . . . findet sich plötzlich Hand zu Hand: „Du mein Liebster!“ „Du mein Lieb!“ „Du hast recht . . .“ „Nein, da hast recht . . .“ „Ich bin schlecht . . .“ „Nein, ich bin schlecht . . .“ „Gott sei Dank!“ „Wie wunderbar!“ (Deutsche Nachdichtung: Werner Günzerodt) Alexander Prokofjew Am sonnigen Ufer (1953) Am sonnigen Ufer, am Wiesenraine, wusch sich Maruschka die weißen Beine. Ein Liedchen sang sie, gut war es und schön, es flog übers Wasser und über die Höh’n. Zog über die Wälder und hielt niemals an, über Steppen und Felder bis hin nach Rjasan. Dort hört es ein Mädchen mit goldblondem Zopf und lachenden Augen, dem geht’s durch den Kopf. Kanns nimmer vergessen, wird des Singens nicht müd, so fliegt’s immer weiter, zieh hin, schönes Lied! (Deutsche Nachdichtung: Annemarie Bostroem) Robert Roshdestwenski Sei, bitte, etwas schwächer (1962) Sei, bitte, etwas schwächer. Ein wenig bloß! Dann schenk ich dir ein Wunder, einfach und groß. Ich mach mich heraus ganz mächtig, kühn werde ich! Aus brennendem Haus mitternächtig rette ich dich. Ins Meer, gepeitscht von Haifischflossen spräng ich für dich! Das fiele mir leicht, ich täts wie ein Mann: Mit Kraft und Lust . . . Doch du bist so viel stärker, als ich sein kann, und so selbstbewußt. Du rettest selbst andre aus der Not, brichst der Schwermut Gewalt, fühlst dich im Schneesturm nicht bedroht, der Brand läßt dich kalt. Unfehlbar bist du! Du scheinst nicht unruhig, Was du auch wagst, Trauerst nicht, stöhnst nicht und weinst nicht, wenn du nicht magst. Willst du lustig sein, willst du ernst sein: Spielend wird es erreicht . . . Ach, dein großes Selbstbewußtsein macht es mir nicht leicht. Sieh’, ich bitt dich, meine Qual! Hilf mir von Komplexen los! Sei mal schwach, absichtlich mal, ein wenig bloß! (Deutsche Nachdichtung: Helmut Preißler) Michail Issakowski Wer kann mir sagen . . .? (1938) Sinkt die Sonne, geht ein Bursche immer um mein Haus herum, blinzelt zu mir mit den Augen, aber sonst — sonst bleibt er stumm. Was hat, muß ich fragen, dies Blinzeln zu sagen? Auf dem Anger mit den andern tanzt und singt er laut und keck, nehmen Abschied wir beim Pförtchen, seufzt er tief und dreht sich weg. Was hat, muß ich fragen, dies Seufzen zu sagen? Frag ich ihn: „Was bist du traurig, freut dich denn das Leben nicht?“ Spricht er: „Hab mein armes Herz verloren, ach, mein armes Herz!“ Was hat, muß ich fragen, dieses „Ach“ wohl zu sagen? Mit der Post schickt er mir gestern rätselhafte Briefe zwei: Jede Zeile nichts als Punkte. „Rate!“ und sonst nichts dabei. Was hat, muß ich fragen, dies Rätsel zu sagen? Nein, ich fing nicht an zu raten, hofft’ und wartete nicht sehr; nur mein Herz, ich weiß den Grund nicht, in der Brust pocht süß und schwer. Was hat, muß ich fragen, dies Pochen zu sagen? (Deutsche Nachdichtung: Hedda Zinner) V orankündigung: 13. Oktober 1964, 19.30 Uhr 4. Außerordentliches Konzert (Im Rahmen der Sozialistischen Musikfesttage 19G4) Werke von Schostakowitsch, Beethoven und F. X. Dressier Dirigenten: Franz Xaver Dressier, VR Rumänien Gerhard Rolf Bauer Solisten: Christa Maria Ziese Annelies Burmeister, Alt Karl-Heinz Naumann, Klavier <7/ DRESDNER 1. KAM MER MUSIKABEND 1 9 6 4 / 6 5 III 9 14 EMZ 964 2 It-G 009/52/64