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Berlin berufen, deren musikwissenschaftliches Institut er heulte mit Georg Knepler leitet. Professor Meyer ist u. a. Mitglied der Deutschen Akademie der Künste und des Zentralvorstandes des Verbandes deutscher Kompo nisten und Musikwissenschaftler. 1950 und 1952 erhielt er für seine Vokal kompositionen, auf denen das Hauptgewicht seines kompositorischen Schaffens liegt (u. a. das ,,Mansfelder Oratorium“) und für das wegwei sende wissenschaftliche Werk „Musik im Zeitgeschehen“ den Nationalpreis unserer Republik, anläßlich seines 50. Geburtstages den Vaterländischen Verdienstorden verliehen. Das künstlerische und wissenschaftliche Wirken verschmelzen bei E. H. Meyer zur Einheit; er genießt Achtung und- Ver ehrung als bedeutender Komponist und Gelehrter, der einen maßgebenden Einfluß auf das (Kulturleben der DDR ausübt. Sein Lebensziel ist es, seine ganze Kraft für die Erhaltung des Friedens, den Aufbau des Sozialismus und eine neue deutsche Musikkultur einzusetzen. Neben grundlegenden Beiträgen zur marxistischen Musikwissenschaft hat E. H. Meyer eine Fülle vielfältiger und kontrastreicher Kompositionen vorgelegt, darunter Stan dardwerke der sozialistischen Vokalsinfonik, Oratorien, Kantaten, Massen- und Sololieder, Chöre, Filmmusiken, aber auch bedeutende Kammermusi ken' und Werke für Orchester (Suite für zwei Trompeten, zwei Klaviere und Schlagzeug, Streichersinfonie, Sinfonischer Prolog). Die Musik der Klassiker und der großen sowjetischen Komponisten (wie des ihm in Freundschaft verbundenen Dmitri Schostakowitsch) betrachtet er als er strebenswerte Vorbilder. Er bemüht sich darum, wirklich volkstümlich zu sein, einen klaren und verständlichen Gefühlsausdruck zu gestalten. Dabei sind in E. H. Meyers Stil die verschiedensten Nuancen von zarter 'Lyrik bis zur grellen Dissonanz und Härte dramatischer Höhepunkte vereinigt. Der Komponist äußerte zu seinem heute erklingenden Poem für Viola und Orchester, das kürzlich auch in Moskau zur Aufführung gelangte und dem nächst von der Solistin der Weimarer Uraufführung, Davia Binder (Paris), für Radio Hilversum ('Niederlande) gespielt werden soll, folgendes: „Das ,Poem für Viola und Orchester 1 entstand um die Mitte des Jahres 1962. Da ich selbst als Violaspieler aufgewachsen bin, folgte ich gern den Anregun gen, ein Werk für Solo-Viola und Orchester zu komponieren. Wie in ande ren meiner Arbeiten für Soloinstrumente oder Solostimme und Orchester nimmt auch hier das Orchester neben dem führenden Solisten an der Ge staltung des Werkes in sehr beträchtlichem Maße teil. Der Grundzug des ,Poem‘: in den schnellen Partien fröhlich, ja ausgelassen, in den ruhigeren eher elegisch oder leidenschaftlich; im ganzen solldie Aus sage des Werkes in seiner Intimität eine lebensbejahende sein. Ein langsames Violasolo eröffnet das Stück; es wird abgelöst von einem bewegten Allegro. Wenn sich dieses beruhigt, leitet es in einen Mittelteil über, der zunächst die Larghetto-Nachdenklichkeit des Anfangs wieder aufnimmt. Doch führt er, allmählich intensiver und erregter werdend, zum Höhepunkt des Werkes, um dann abermals zur verhaltenen Stimmung des Anfangs zurückzukehren. Dann wechseln mehrmals in rascher Folge die lustig-übermütigen mit den verträumt-dunkleren Momenten bis zu einem kurzen, energischen Abschluß.“ Richard Strauss, dessen 100. Geburtstages wir in diesem Jahre ge denken, mied in seiner frühen 'Schaffensperiode zunächst die Opernkom position, mit der er sich später Weltgeltung verschaffte, und widmete sich mit großer Hingabe — in der Nachfolge Franz Liszts, doch bald über diesen hinauswachsend — der sinfonischen Dichtung, wofür er bald einen Orche sterapparat forderte, der das Wagnersche Instrumentarium weit übertraf. Straussens sinfonischen Dichtungen liegen stets „konkrete Programme“ zu grunde: „Aus Italien“, „Don Juan“, „Macbeth“, „Tod und Verklärung“, „Till Eulenspiegel“, „Also sprach Zarathustra“, „Don Quichote“, „Ein Hel denleben“, „Sinfonia domestica“, „Eine Alpensinfonie“. Einen künstleri schen Höhepunkt innerhalb dieser an sich höchst ungleichwertigen Werk reihe erreichte der Komponist mit der genialen sinfonischen Dichtung „Till Eulenspiegels lustige Streiche“ (nach alter Schelmenweise in Rondoform) op. 28, die 1895 in Köln uraufgeführt wurde. Für die außerordentliche mu sikalische Substanz des Werkes ist bezeichnend, daß es durchaus ohne Programm als reine Musik völlig überzeugen kann. Insgesamt ist der „Till“ wohl Straussens liebenswürdigstes, heiterstes und amüsantestes Stück. Mit Recht sind der geistreiche Humor, der prickelnde Witz, die Ironie, aber auch die Gefühlskraft dieser Musik so berühmt. Bei aller für Strauss typi schen handwerklichen Artistik strahlt der „Till“ fast Mozartsche Leich tigkeit, aber auch Wärme aus. Einmalig ist die Art, wie der Komponist alle Nuancen der großen Orchesterpalette in diesem musikalischen „Schelmen stück“ ausnützt. Die beiden wichtigsten Motive des Werkes sind Tills gemächliche „Schel- menweis“, vom Horn .angestimmt, die in allerlei Verwandlungen — je nach den Erlebnissen des „Helden“ — refrainartig wiederkehrt, und ein prä gnantes, nie überhörbares Klarinettenmotiv, die „Pointe“ zu jedem Aben teuer Tills. Und wer Fantasie hat, hört unschwer heraus, was Meister Strauss seinen Till erleben läßt: wie er das Geschirr der Marktweiber von den Hufen seines Pferdes zerschlagen läßt, wie er in Priesterverkleidung vor dem Volke spricht, wie er sich verliebt, schmachtet und einen Korb erhält, wie er sich in „gelahrte“ Disputationen einläßt und brave Wissen schaftler mit einem Gassenhauer zum Narren hält. Aber damit haben Tills Streiche ein Ende gefunden. Vor Gericht gebracht, wird er nach viermaliger Befragung zum Tode verurteilt (Posaunen und Hörner). Und schon wird Till am Galgen aufgeknüpft (das zerflatternde Klarinettenmotiv deutet die letzten kläglichen Seufzer Tills an). Das Nachspiel, das den volksliedhaften Ton des Beginns wieder aufnimmt, vermittelt die trostreiche Gewißheit, daß der närrische Geist Till Eulenspiegels unsterblich ist und in den Erzäh lungen des Volkes weiterleben wird. Urte Härtwig / Dr. Dieter Hartwig