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Rabenauer Anzeiger : 17.10.1908
- Erscheinungsdatum
- 1908-10-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Deutsches Stuhlbaumuseum Rabenau
- Digitalisat
- Deutsches Stuhlbaumuseum Rabenau
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id178001192X-190810179
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id178001192X-19081017
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-178001192X-19081017
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände des Deutschen Stuhlbaumuseums Rabenau
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Rabenauer Anzeiger
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-10
- Tag 1908-10-17
-
Monat
1908-10
-
Jahr
1908
- Titel
- Rabenauer Anzeiger : 17.10.1908
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Politische Rundschau. Deutschland. Zu dem Gesetzentwurf über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen erfährt die „Tagt. Nnndsch.": Der Entwurf enthält außer den zivil- und strafrechtlichen Bestimmungen auch solche polizeilicher Art, von denen die seitens der Bnudesregierungen festzusetzenden Normen für die Befähigungszeuo nisse der Chauffeure zweifellos das wichtigste ist. Dieser Punkt soll gleichmäßig in allen Bundesstaaten ge regelt werden, um ungeeignete Personen nicht nur durchweg von der Führerschaft auszu schließen, sondern ihnen auch allgemein das Befähigungszeugnis aberkennen zu können, falls sie keine ausreichenden Garantien für ihren Beruf bieten. Es kommen hierbei nicht nur Fahrsicherheit und Geistesgegenwart, son dern auch die moralische Qualifikation in Be tracht. Mit der Verbesserung des Chauffeur- Personals werden sicherlich viele Klagen über die Automobilgefahr verschwinden. Der Besuch des englischen Königspaares in Berlin wird amtlichen Mitteilungen Lon doner Blätter zufolge vom 22. Februar nächsten Jahres bis zum Ende des Monats stattfinden. Die Ankündigung dieses Besuches in der gegenwärtigen Krise soll wohl auf gute deutsch-englische Beziehungen Hinweisen. Die Ncichsvermögenssteuer scheint alle Aussichtzuhabenander Stelleder Nachlaßsteuer Gesetz zu werden. Die konservative Kreuz- Ztg. bemerkt noch: Von konservativer Seite ist niemals bestritten worden, daß das Ka pital-Vermögen zur Reichseinnahme mehr beitragen muß. Die Konservativen haben nur die Unmöglichkeit konstatiert, die ganzen 400 Millionen durch Vermögenssteuern auf zubringen, wenn man nicht zu Maßregeln expropriierenden Charakters greifen will. Den größten Teil des Mehrbedarfs wird das Reich durch Steuern auf Genußmittel des Massenkonsums aufbringen müssen. Das Recht auf direkte Besteuerung darf dem Reiche nicht zugestanden werden. Soll das Reich in den Genuß von Vermögenssteuern gesetzt werden, so muß es sich diese von den Einzelstaaten entrichten lassen, nicht von den Steuerzahlern. Es wäre so zu machen, daß die verbündeten Negierungen sich den durch die indirekten Steuern nicht zu beschaffenden Mehrbedarf auf die Matrikularbeiträge schla gen lassen, mit der Maßgabe, daß dieser fcstzustellende Betrag nur durch eine Ver mögenssteuer (nach der Leistungsfähigkeit der Eiuzelstaaten) aufzubringen wäre. Das wäre keine eigentliche Reichsvermögenssteuer, son dern eine besondere Art von Matrikular umlage. Diese werden wir also erhalten. „Alles Schlechte kommt aus Berlin", so hatte auf der zu Frankfurt a. M- abgehalte nen Sittlichkeitskonfereuz deren Vorsitzender, Lizentiat Weber, gesagt. Das Wort hat die Berliner gewaltig in den Harnisch gebracht und eine Menge Abwehrartikel zur Folge gehabt. Man hat auch den Spieß umzu- kchren versucht und behauptet, es seien gerade die Provinzler, die nach Berlin kämen und das Laster aller Art finanzierten, um sich in der Großstadt ungeniert auszutoben. Damit gibt man indessen schon zu, daß es in Berlin Möglichkeiten gibt, die in der Provinz fehlen. Wir wollen garnicht so weit gehen und be haupten, daß alles Schlechte aus Berlin käme; viel Schlechtes aber ganz gewiß. Dieses Schlechte liegt jedoch weniger auf dem Gebiete des Unsittlichen als des Geistlosen und Flachen. ! Es ist ganz unglaublich, wie anspruchslos der ! Berliner inbezug auf geistige Genüsse ist. j Platte Späße, dte überall anders abgewiesen ! würden, belustigen den eingesessenen Berliner im höchsten Maße. Seichte Schwänke, die auf den Bühnen Berliner Volksgärten und Som mertheater unglaublichen Beifall ernten, bilden j eine Gefahr, den natürlichen und guten Ge schmack des Provinzpublikums zu verderben. Zote und Laster stehen in Berlin nicht in allzu hoher Gunst, wenngleich es auch die Verhältnisse der Großstadt mit sich bringen, daß sie nicht ganz fehlen. Nur soll man sich hüten, in der Reichshauptstadt etwa das geistige Licht Deutschlands erblicken zu wollen. Die Sparsamkeitsvorschäge des freikonser- vativen Abgeordneten v. Kamp haben weder im Reiche noch in Preußen eine besonders ! günstige Aufnahme gefunden. Die Antworten ! einer Reihe von Ministerien und Reichsämtern auf den Sparsamkeitserlaß des Reichskanzlers, dem die Gampsche Denkschrift als Anlage bei- ! gegeben war, stehen noch aus. Besonders ! zahlreich sind die Einsprüche gegen die Spar- samkeitsvorschläge auf den Gebieten des Post- und Eisenbahnwesens. Frankreich. Die Wiederaufnahme der Parlaments Ver handlungen erfolgte inmitten tiefer Ruhe. Anfragen über die Auswärtige Politik wer den vorläufig nicht beantwortet werden, lieber die allgemeine Politik Rechenschaft zu for dern, hat niemand Neigung. Die nächsten Arbeiten gelten der Einkommensteuer. Während sich alle Aufmerksamkeit auf den Orient richtet, suchen die Franzosen in Ma rokko ihr Schäfchen ins Trockene zu bringen. Wenigstens sagte laut „Tägl. Rundsch." der spanische Minister des Auswärtigen, er habe durch seine Unterredung mit Clemenceau den Eindruck gewonnen, daß die Marokkofrage gelöst sei- — Den Uebergriffen der Franzosen in Marokko gegen deutsche Legionäre hat sich eine Unfreundlichkeit des österreichischen Bot schafters in Paris zugesellt. Der Botschafter erstattete dem Ministerdes Auswärtigen Pichon Bericht über die beiden österreichischen Legio näre, die sich unter den 6 Deserteuren be funden hatten, die der deutsche Konsul in Casablanca nach Deutschland hatte einschiffen wollen. Der Botschafter erklärte, der deutsche Konsul, der wohl den Auftrag hatte, die österreichischen Interessen in Casablanca zu vertreten, habe bei der Beschützung der beiden Deserteure im Uebereifer gehandelt. Die öster reichische Regierung überlasse die beiden Deser teure ihrem Schicksal. Ver serbische M. Georg Karageorgewitsch, der ältere Sohn Königs Peter I. von Serbien und da rum bis auf weiteres der Erbe der serbischen Krone, ist bei den kriegerischen Kundgebungen gegen Oesterreich-Ungarn, deren Schauplatz in den letzten Tagen Belgrad war, in einer Weise hcrvorgetreten, die dem Rufe, den sich dieser abenteuerlichste aller lebenden Kron prinzen in wenigen Jahren zu erwerben ver standen hat, durchaus entspricht. Tolle Sachen erzählt mau sich von dim serbischen Thrcn-^ folger. So manches mag ihm von politischen! Gegnern oder von phantasiebegabten Bericht erstattern angedichtet worden sein, aber wenn man dies auch vollauf berücksichtigt, bleibt doch noch genug uugemein Bezeichnendes übrig. Kronprinz Georg, ein körperlich bestens entwickelter Jüngling, Anfang der Zwanziger, ist ein leidenschaftlicher Reiter, Jäger, Schwim mer und Automobilist. Neben dem Sport betreibt er die Schlosserei. Zu diesem Zwecke hat er sich in seiner Behausung, er wohnt nicht im königlichen Palais, sondern in einem Gebäude an der Kronenstraße in Belgrad, eine vollständige Werkstatt einrichten lassen ; den Haushofmeister, der in den früheren Jahren die Aufgabe hatte, ihm in die Sitten und Gebräuche des Abendlandes einzuführen, hat er wiederholt die Kraft seiner Fäuste fühlen lassen. Durch die gleiche Behandlung sucht er seine Diener zu der Höhe ihrer Auf gabe zu erziehen. König Peter duldet unter der Dienerschaft seines Hofes keine Aus länder, und die wackeren Serben haben an geblich kein Bediententalent. Da hilft Ritter Georg durch Tritte in die Schattenseite ihres fleischgewordenen Daseins nach. Ein vor trefflicher Schütze, soll er sich ab und zu in den bekannten Tricks der Kunstschützen ge fallen, einem Soldaten die Zigarette vom Munde wegznschießen und dergleichen. Ans seinem Herzen macht er keine Mördergrube. Die Verschwörer, die den König Alexander I. und dessen Gattin Draga vom Leben zum Tode beförderten und dadurch seinem Vater den Weg zum Throne bahnten, haßt er glühend. Bei einem Bankett sagte er einer Gruppe von ihnen rundweg: „Ich kenne euch; ich weiß, wie ihr über mich denkt und was ihr gegen mich beabsichtigt. Aber war tet nur, sobald ich an der Regierung bin . . .!" Eine Anzahl Liebschaften hat er auch schon hinter sich. Einmal hatte er sein Herz an eine niedliche Schauspielerin, die auf den Vornamen Dezanka hörte, verloren. Damit er seinem zukünftigen Herrscherberufe nicht ganz untreu wurde, mußte die kleine Dezanka auf höchsten Befehl die serbische Hauptstadt schleunigst verlassen. Kronprinz Georg, stark wie er ist, hat sich darüber ge tröstet. Sein jüngerer Bruder, Prinz Alexander, ist das gerade Gegenteil von ihm: zart, schwächlich, den Wissenschaften zugetan. Aehnlich geartet ist die Schwester der beiden Brüder, Prinzessin Helene. Sie hatte zarte Nerven. Jede Erinnerung an die Ermordung des serbischen Köuigspaares verursacht ihr Beklemmungen und erpreßt ihr Tränen. Namentlich der Anblick des Gebäudes in dem das Schauerdrama von: 11. Juni 1903 sich vollzogen hatte, war ihr aufs höchste wider wärtig. Um sie wenigstens in dieser Hin sicht zu beruhigen, ließ der König dieses Ge bäude, den „Konak", abbrechen. Auch ein Neffe des Königs, der Sohu seines Bruders Arseu, Prinz Paul hält sich häufig in Belgrad auf. Er verdiente, be liebter als der Kronprinz zu sein, ist es aber nicht. Aus aller Welt. Beim Abstieg von der 2100 Meter hohen Zindelsspitze in 'den Schwyzer Alpen glitt ein Lehrer aus und stürzte vor den Augen seines Bruders zu Tode. TodeSsturz vom Straßburger Münster. Au schauerliche Art nahm sich in Straßburg im Elsaß ein älterer, den besseren Ständen angehörender Herr, dessen Personalien noch nicht festgestellt werden konnten, das Leben. Er stürzte sich hoch oben von der Plattform des Münsters hinab und schlug auf das Pflaster auf, wo er mit zer schmetterten Gliedern, eine unkenntliche, blutige Fleischmasse, tot liegen blieb. Ein vorübergehender Herr wäre beinahe von dem herabfallenden Körper erschlagen worden. Nm Bettelwurf i« Tirol verunglückten vier Innsbrucker Mittelschüler, die, ohne entsprechend ausgerüstet zu sein, eine schwierige Klettertour unternahmen. Die Rettungs-Expedition brachte die Verunglückten, von denen einer erhebliche Ver letzungen erlitten hatte, und die die Nacht im Freien zubringen mußten, ins Tal. Geheimnisvolles Verschwinden eines Neu vermählte«. Aus Berlin ist der 22 jährige Sohn des Kontreadmirals z D. Aschmann, Ernst Aschmann, auf geheimnisvolle Weise verschwun den. Herr Ernst Aschmann hatte vor einiger Zeit gegen den väterlichen Willen die geschiedene Frau eines Oberleutnants geheiratet, die etwa 60000 Mk. mit in die Ehe brachte. Das Paar reiste nach Monte Carlo und soll dort das Ver mögen beinahe vollständig verloren haben. Nach dem es nach Berlin zurückgekehrt war, soll der junge Ehemann mit seinem Bruder, einem Kand. jur., eine Zusammenkunft gehabt haben und seit dem (30. September) spurlos verschwunden sein. Wie cs heißt, hat der Kandidat keine Ahnung über dem Verbleib des Bruders. Zwölf Kinder von einem tollen Hunde ge bissen. In Lengefeld i. E. wurden zwölf Kinder von einem tollwütigen Hunde zum Teil in das Gesicht, zum Teil in dte Beine gebissen. Die Kinder, die im Alter von 3 bis 12 Jahren ste hen, wurden sofort in das Pasteursche Institut nach Berlin gebracht. Auch mußten sofort acht Hunde erschossen werden. BootSunglück durch eine« flüchtigen Hirsch- Am Dolgensee hat sich ein merkwürdiges Jagd- unglllck ereignet. Der Jagdpächter Blankenburg aus Klein-Küdde hatte einen Hirsch augeschosse«, der in den See rannte. Um den Flüchtling cin- zufangen, bestiegen dte Eigentümer Engfer und Fischer einen Kahn und ruderten nach. Im Wasser wandte sich der Hirsch gegen das Fahr zeug und brachte es zum Kentern. Beide Insassen ertranken. Juternatiouale Banknotenfälscher. In Katto- witz verhaftete die Kriminalpolizei auf dem Bahn höfe vier internationale Banknotenfälscher aus Rußland, die vor kurzem aus Amerika gekommen waren und jetzt über Berlin wieder die Ueberfahrt nach Amerika machen wollten. In den beschlag nahmten Reisekoffern wurden große Mengen ge' fälschter 20-Rubelscheine, litographische und g«l- vanoplastischc Apparate zur Herstellung von Note« gefunden. Von Kattowitz aus, wo die Fälscher s«d seit 14 Tagen verborgen gehalten hatten, stände» sie mit ihren Spießgesellen in allen europäische« Hauptstädten in Verbindung. AliÄisdsNe. Das Erbe des alten Renz. Ein Prozeß »»' das Erbe des in Berlin einst so populären ver storbenen Ztrkusdirekrors und Kommissionsrate» Ernst Jakob Renz beschäftigte das Wiener Ziv«' landesgericht. Direktor Renz, der seinen Erben e» Vermögen von 15 Millionen hinterließ, hatte >« seinem Testament die Bestimmung getroffen, da» sein Zirkusgebäude in Wien, das ein unverM' nismäßig hohes Kapital repräsentiere, so bald «M möglich veräußert und der Erlös unter seine Kw' der und Enkel, die er als Erben eingesetzt hatte, verteilt werde. Von dem Verkaufe solle aber Ab- stand genommen werden, wenn die Konjunktm sich ungünstig zeige. Der Verkauf ist bis heutb sechzehn Jahre nach dem Tode des Erblasser», Um des Kindes Glück. Novelle von Fritz Gantzer. (Nachdruck verboten.) War das nicht ihre Pflicht? Gewiß! Sie halte ihn eingeladen in das Haus des Vaters und der Vater hatte ihn abgcwicsen, schroff, beleidigend, ohne die Be rechtigung seiner Handlungsweise zu doku mentieren. Was mußte der Fremde von ihr denken? Hätte sie ihm nicht gestern Abend schon ein Wort der Entschuldigung sagen müssen? "Aber da war kein Laut über ihre Lippen gekommen. Und heute? Ja, würde es heute nicht schon zu spät sein, um Ver säumtes wieder gut zu macheu? Wenn nun Fritz Doruberg längst Jensens Hütte verlassen hätte? — — Sie fühlte ihre Seele mit einer Ameren Schuld belastet. O, möchte sie ihn doch noch finden! — Aufschauend blieb sie stehen. — Sie war so schnell gelaufen, hatte auf deu Weg so wenig acht gegeben, daß sie sich wunderte, scholl in geringerer Entfernung die bescheideneBehausung Jensens zu erblicken. Dieselbe lag in einer flachen Talmulde und wurde von allerlei Gebüsch idyllisch eingeschlvssen. Aus dem weiß- . getünchten Schornstein kräuselte sich eine leichte, i blaue Rauchwolke empor, — Jeusen war also daheim. — Mit hochklopfendem Herzen legte sie die letzte kurze Strecke zurück. Sic wußte, daß Jensen jetzt sicher bei seinem Bienenstände zu finden ivar. — Darum ging sie gär nicht c st ins Haus, sondern eilte den ausgetretenen, schmalen' Fußpfad entlang, der zu der hinter dem Hause gelegenen, windschiefen, strohge deckten Bienenhütte führte. — Richtig, da stand Jensen, blies mächtige Rauchwolken aus seiner alten, deckellosen Holz pfeife und schaute mit zusriedenem Augen blinzeln den fleißig ein- und anssummeuden Bienen zu. — Hei! das gab Heuer eine Houig- ernte wie seit langem nicht! — „Guten Morgen Jensen," hörte er da die zitternde, ungewisse Stimme Doras hinter sich. Er nahm erschrocken die Pfeife aus dem Munde; denn er hatte jetzt mit keinem Ge danken daran gedacht, daß er Besuch bekommen könnte und drehte sich schwerfällig um. „I, da ist ja unser Fräulein," sagte er erfreut, „i, da soll doch gleich Guten Morgen Fräulein Dora!" Er schritt so rasch es die in den großen, mit Stroh ausgestopfteu Holzschuhcn steckenden Füße erlaubten, Dora entgegen und streckte ihr die schwielige Hand entgegen, nachdem er sie vorher au seiner Hose aus englischem Leder abgcwischt Halle. „Ich will Honig holen, Jensen," sagte Dora, „wir können doch welchen bekommen?" „Naaber natürlich, ganz frischen; kommen's nur mit rein, Fräuleu Dorachcn, sollen mal sehen, wie prächtig der aussieht. — Mit Verlaub, was macht der Herr Vater?" Tora gab beim Gehen Auskunft. Plötzlich blieb Jensen unvermittelt stehen und rückte die leinene Mütze mit dem abge- griffenen Schirm weit in den Nacken. „Herr meines Lebens," sagte er, „Ta fällt mir ein, daß ich etwas an Sie zu bestellen habe." Tora blieb aufhorchcnd stehen, ihre Augen hingen gespannt an den Lippen des Alten. Ihr Herz schlug bis zum Halse hinauf. „Ja, deuken's nur, Fräulein Dora, gestern Abend, so nach acht, hör' ich's draußen an der Tür rumoren. Hatte schon den Riegel vor geschoben und wollte bald zu Bett gehen. Herrjeh's dacht' ich bei mir, was kommt denn da noch. Ging also an die Tür und fragte. wer da sei. Und was glaubcn's, wcr's war? Einer aus der großen Stadt Berlin, ein feiner Herr! Fragte mich, ob ich ihn nicht Übermacht behalten wollt', kennt' nicht Weg und Steg nach Lüttenhagen. — Meinjeh's dacht' ich bei mir, nach Lüttenhagen bei Nacht und Nebel ist freilich keine angenehme Sache. — Hab' ihn halt eingelassen und ein Strohgeschütte'gemacht — in mein Bett wollt er partout nicht 'rein. Essen wollt' er auch nichts, war überhaupt ganz dnsemang, hat nicht geredt und gemeint, er sei müde. Heut morgen ist er schon in aller Herrgotts frühe auf deu Beinen gewesen. Da war er etwas redeseliger. Und dcnken's, er kenn: Sic und den Herrn Doktor. Hat viel von Ihnen erzählt und gemeint, der Herr Doktor mär' wohl ein gar böser, grimmer Herr. Fräulein Dora aber sei ein Engel. Na, wie sagte er doch, ach so, er meinte: Fräulein Dora ist eine liebliche Heideblume. Ueber Doras Wangen ergoß sich eine purpurne Röte, verwirrt sah sie auf Jeusen. „Na und dann," erzählte Jensen weiter, „hat er gemeint, er müßt' nun weiter. Ich hab' ihn aber nicht nüchtern gehen lassen, mußt' erst Kasfee trinken. Hat aber meinen schönen starken Kaffee kaum angesehen, und ich hatte ihn extra stark gekocht, so wie Hanne ihn kocht, wenn sie ihre beste Laune hat? Als er mir die Hand zum Abschied schüttelte, ganz derb und toll, da sagt' er noch : Schönen Dank, alter Freund, und wenn Sie Fräulein Dora sehen, daun bestellen Sie ihr meinen Gruß. Damit ist er auf- uud davou- gegangen. Dora seufzte tief und blickte traumver loren in die Weite. — So war sie doch zu spät gekommen. Fritz Dornberg hatte seinen Wanderstab weitergcsetzt, ohne daß Sie ihn um Verzeihung gebeten. Ueber ihr Gesicht flog ein Schatten auf richtiger Enttäuschung und in ihrem Herze« empfand sie einen herben Schmerz. — Ihr junges Leben war bis jetzt wie ei« sonniger Frühlingstag dahingeflossen, vergeb liche Hoffnungen und unerfüllte Wünsche waren ihr nicht begegnet. Darum empfand sie auch diese herbe erste Enttäuschung nm st nachhaltiger. Doch sie mußte ja heim. , „Jensen, meinen Honig möcht' ich haben, bat sie, „ich muß nachhause, Hanne hat gesagt, ich soll nicht zu lange bleiben." Der alte Imker bemerkte die Veränderung, die in ihrem ganzen Wesen vor sich gegange« war und konnte sich die Sache nicht erkläre«- „Nun, nun, so eilig wird's nicht sci«! Hanne treibt immer. Doch ich will nicht der Verführer sein, sonst köunten's doch erst au»' ruhen," lud er ein. , „Nein, nein, Jensen, ich kann nicht-. Das kani so bestimmt von ihren Lippen, da» Jensen ihre Büchse aus dem Korbe nahm nu« in's Haus ging. , , Nach wenigen Minuten kehrte er zm«"- „Hicr, Fräulein Torchen, sehen Sic, goldsim wie die sonne," sagte er mir vuwm und hielt Tora das Glas vor die Augen. „Schön! Jeusen. Hier ist das Geld u«» nun adieu!" . . , Der lies das blanke -Talerstück zustn'dci schmunzelnd in seine' Westentasche gleiten nu bot Dora die Hand zum Abschied. „Kommen's gut heim, Fräulein Tora, «m einen schönen Gruß an den Herrn Doktor u« die alte Hanne." „Tanke, dauke, Jensen," rief sie schon halb im Gehen zurück. Nur erst fort, das; dc Alte nicht die verräterischen Tropfen bemcrll,
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