Suche löschen...
Rabenauer Anzeiger : 08.10.1908
- Erscheinungsdatum
- 1908-10-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Deutsches Stuhlbaumuseum Rabenau
- Digitalisat
- Deutsches Stuhlbaumuseum Rabenau
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id178001192X-190810084
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id178001192X-19081008
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-178001192X-19081008
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände des Deutschen Stuhlbaumuseums Rabenau
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Rabenauer Anzeiger
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-10
- Tag 1908-10-08
-
Monat
1908-10
-
Jahr
1908
- Titel
- Rabenauer Anzeiger : 08.10.1908
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Politische Rundschau. Deutschland. Die neuen Steuergesetze. Die Ausschüsse des Bundesrates haben letzte Woche die neuen Steuern auf Tabak, Tabak-Fabrikate und Branntwein beraten. In dieser Woche kommen Nachlaßsteuer, Elektrizität?- und Gassteuer, Bier- und Weinsteuer zur Beratung. — Als mögliche neue Steuer wird auch noch eine solche auf Geheimmittel genannt, die in Eng land besteht nnd dort jährlich 7 Millionen cinbringt. — Die „N. A. Z." führt in einem längeren Artikel aus, daß die neue Zigarren steuer im Wesentlichen auf die Frage hinaus läuft: „Soll der bisherige 5-Pfennig-Zigar- renraucher 20 Pfg. in der Woche mehr zahlen oder soll die Finanzverwirrunz im Deutschen Reiche in Permanenz erklärt werdend" — Es bleibt aber nicht allein bei der Zigarrensteuer, und darum kann auch nicht mit Bestimmtheit gesagt werden, ob dieser Raucher die 20 Pfg. zahlen oder ob er sich cinschränken wird. — Oberregicrungsrat Ewert bekämpft die Nach- laßstcucr für die Landwirtschast, weil diese allein schon durch den gestiegenen Zinsfuß für Gruud und Boden viel schwerer, als alle anderen Gewerbsstände belastet werde. Die ländlichen Grundbesitzer Deutschlands haben nach der von diesem Herrn aufgestellten Be rechnung heute an Zinsen etwa 100 bis 120 Millionen Mark mehr aufzubringen, wie früher. Der neunte Verbandstag der deutschen Mieter-Vereine tagte in Stuttgart. Beschlossen wurde u. a. eine Eingabe an den preußischen Landtag um Beseitigung des Privilegiums der Hausbesitzer bei den Stadtverordnetenwahlen, eine Eingabe an den sächsischen Landtag um Einführung der staatlichen Wohnungs-Auf sicht, eine Aufforderung an die Regierungen und Stadtverwaltungen, daß sie den Beamten das Wohnen in benachbarten Gemeinden ge statten und eine Resolution, vom ungesunden Mietskasernen-System zum Kleinhause über zugehen. Gewiß, das ist alles sehr schön, aber was kostet heute schon ein Hausd Und daß das Bauen billiger wird, daran denkt im Ernst wohl niemand. Eine große Lehrerversammlung des rhei nisch-westfälischen Industrie-Bezirks fand in Duisburg statt. Man fordert gleiches Gehalt mit den Regierungssekretären. Während derinterparlamentarischen Friedens konferenz in Berlin tauschten bekanntlich deutsche und englische Gewerkvereine Friedensadressen aus. Der in London tagende Ausschuß der internationalen Schiedsgerichts-Liga sprach darüber seine Genugtuung, seinen Wunsch nach einer deutsch-englischen Verständigung und nach einem baldigen Gegenbesuch der deutschen Ge werkschaften an der Themse aus. Während der deutschen Gesetzgebung zu folge, so schreibt die „Kreuzztg.", der Deutsche seine Reichs-Angehörigkeit verliert, wenn er zehn Jahre im Auslande gelebt hat, ohne sich bei dem zuständigen deutschen Konsul ein tragen zu lassen, behält nach den englischen Grundsätzen der Engländer seine Staatsange hörigkeit, auch wenn er sich im Auslande dauernd angestedelt hat. Ebenso wird fast all gemein anerkannt, daß die Frau die Staats augehörigkeit ihres Mannes annimmt. Nur iu Eugland befolgt man stillschweigend die entgegengesetzte Praxis und sieht auch die Frau als Britin an, die einen Nicht-Englän ¬ der heiratete. Es liegt im Wesen der engli schen Auffassung, auch der mit einem Nicht- Engländer verheirateten Engländerin noch die Rückkehr in die Heimat offen zu lassen, wenn sie etwa Witwe oder von ihrem Manne ge schieden werden würde. In diesem Sinne wurde die Kaiserin Friedrich bis zu ihrem Tode als eine englische Staatsangehörige an gesehen. Für diese Auffassung lassen sich vom englischen Jnteressen-Standpunkt gewichtige Gründe anführen. Vor allem ermöglicht sie den ausgewanderten Engländern ihre Rückkehr selbst dann, wenn sie sich in Amerika oder sonstwo haben naturalisieren lassen. Ent schließen sie sich nach langer Abwesenheit, in England zu verbleiben, so werden sie dort ohne weiteres wieder als englische Staatsan gehörige behandelt, unbekümmert darum, ob sie anderwärts naturalisiert wurden oder nicht. Carnegie, der bekannte nordamerikanische Milli ardär, ist ein geborener Schotte, spielt sich auch gern als Schotte auf, hat sich aber längst in der Union naturalisieren lassen. Kehrt er nach England zurück, so wird er dort ohne Um stände wieder als englischer Staatsbürger an gesehen und entsprechend behandelt. — Diese englische Praxis hat ihre Vorzüge, läßt sich aber nur da durchführen, wo die beteiligten Staaten annähernd die gleiche Militär-Ver fassung haben und insbesondere die allgemeine Wehrpflicht nicht kennen. Oesterreich-Ungar«. Die österreichische Regierung hat allen Großmächten, zuerst in Paris, ein Memo randum über den Stand der Dinge im Orient überreichen lassen. Es wird darin ausführlich über Okkupation und Verwaltung von Bos nien und der Herzegowina, diesen einstigen türkischen Provinzen berichtet und die Not wendigkeit ihrer festen Vereinigung mit der habsburgischen Monarchie unter den gegen wärtigen schwierigen Verhältnissen betont. Eine förmliche Annektion wird noch nicht er folgen, aber diese vorbereitet durch die Erklä rung, daß ein Uebergang beider Provinzen an die Türkei oder soustwen ausgeschlossen sei. Nachdem Oesterreich-Ungarn in Bosnien und in der Herzegowina gesät hat, kann es auch getrost ernten. Orient. Rumänien hat sein drittes Armeekorps probeweise mobil gemacht. Es handelt sich aber nur um eine militärische Uebung, mit den politischen Schwierigkeiten hat diese Maß nahme nichts zu tun. Die deutsche Reichsregierung verspricht sich nicht viel von der russischen Anregung, den bulgarischen Eisenbahnstreik in einer Kon ferenz der Großmächte zu regeln. Die „Köln. Ztg." erklärt, ersichtlich im Auftrage des Fürsten Bülow, solche Konferenzen dauerten zu lange Zeit, während es doch gerade auf eine schnelle Erledigung ankomme. Alle Mächte müßten sofort oder direkt in Sofia Protest gegen den bulgarischen Rechtsbruch einlegen, nur damit werde etwas erzielt. Die bulga rische Negierung erklärt allerdings nach wie vor, daß sie die Bahnen nicht herausgibt. Die bulgarische Negierung wehrt Vor würfe ab, daß sie an Verspätungen auf der Orientbahn die Schuld trüge. Das ist drastisch! Die Bahnen werden wegen der Streik-Un regelmäßigkeiten beschlagnahmt, und nun geht es unter bulgarischer Verwaltungerstrechtschief. Frankreich. General d'Amadr in Casablanca hält daran fest, daß bei dem Deserteurzwischenfall ein französischer Soldat zuerst von einem deutschen Konsulats-Polizisten geschlagen sei. Deutsche Meldungen sagen das Gegenteil. Aber wenn wirklich die Dinge so lagen, hatten die Franzosen noch lange kein Recht, den deutschen Konsulats-Sekretär zu mißhandeln, wie es geschehen ist. Zum Glück ist auf Ver ständigung zu rechnen. Mulay Mohammed, der ältere Bruder des siegreichen Sultans Mulay Hafid, glaubt nicht an den dauernden Erfolg seines jün geren Bruders. Er meint, wenn die Marok kaner sähen, daß Hafid den Europäern weit entgegenkomme, würde es mit dessen Macht ebenso zu Ende gehen, wie der von Abdul Asts. Auf dem Lholerafriedhof von Petersburg. Vou eiuem Gaug durch denPreobaschcusky- Kirchhof, auf dem die uuglücklicheu Opfer der Cholera-Epidemie ihre letzte Ruhestätte finden, gibt der Petersburger Korrespondent eines großen englischen Blattes eine erschütternde Schilderung. Der Friedhof liegt eine Viertel stunde außerhalb Petersburgs auf dem Wege nach Moskau; zwei hölzerne Kirchen flan kieren das Tor der Stätte des Todes Das eine Gotteshaus ist geöffnet; noch liegen hier 47 Särge mit Toten, die zu begraben gestern die Zeit nicht ausreichte. Krächzend umkreist eine Schar Krähen den Turm der zweiten Kirche. Hier, vor der Kirchentüre liegen lässig übereinandergeschichtet 34 Särge, man sieht ihnen an, daß sie hastig und ohne Sorg falt gezimmert worden; kaum daß sie zu- sammengenagelt sind, zwischen den Brettern gähnen Risse und Löcher. Auf einigen sind mit Reißnägeln hastig inprovisierte weiße Papierkreuze angehestet; eilig mit Blaustift hingekritzelt stehen auf anderen die Namen der Verstorbenen. Die meisten aber haben weder Kreuz noch Namen. Um den Sarg haufen schreiten.Leute; sie suchen ihre Toten und heben die meist ungenagelten Sargdeckel in die Höhe, um mit von Tränen verdunkel ten Augen einen Blick auf die Leichen zu werfen. Aber im Innern der Kirche ist die Szene noch grauenvoller. 91 Särge stehen hier in langen Reihen; kaum 30 davon sind mit einiger Sorgfalt gearbeitet, sie gehören den Vermögenderen, und man hat sie darum in die Nähe des Altars aufgestellt. Auf ein zelnen sieht man einige kümmerliche Blumen spenden, auf anderen flackern unruhig brennende Wachskerzen, deren ungewisses Licht das Dunkel des Kirchenraumes phantastisch durch zuckt. An den Fußenden sind kleine Papier schilder angebracht: Die Namen der Toten. Hinter den Särgen knarren die schlürfenden Schritte gramgebeugter Angehöriger. Hier knien sie oder werfen sich gebrochen auf die Erde und in den monotonen Gesang des Geistlichen mischen sich die mühsam verhalte nen Schmerzensrufe und das Schluchzen der Frauen. Die Luft ist schwer und dumpf und getränkt von dem herben Geruch der Desinsizierungsmittel, durch die eine blaue Woge süßlichen Weihrauchs schwer hiuzieht. Draußen auf dem Kirchhof sind die Toten gräber am Werke; Arbeitslose haben das Amt übernommen, zu helfen. Am Ende des Kirchhofs ist ein kleiner Schuppen. Die Tür ist unverschlossen. Man tritt ein und ein gräßliches Bild enthüllt sich; vom Boden bis zur Decke in wirrem Durcheinander auf- geschichtet, liegen hier die Särge mit den Leichen umher, die noch nicht bestattet werden konnten, hundert, hundertzwanzig oder mehr. Man kann nicht mehr als 140 Tote am Tage beerdigen und was der Zug täglich bringt, ist fast das Doppelte Man hat den Eindruck, daß nur die Särge, die von An gehörigen begleitet sind, sofort bestattet wer den. Die anderen werden beiseite geräumt und bleiben liegen, bis man Zett für sie findet. So harren in dem schrecklichen Schuppen viele Tote seit fünf Tagen ver gebens auf ihre letzte Ruhestätte. . . . Aus aller Wett. Das Geständnis von Brandstiftern. Au! Eschwege wird gemeldet: Die Brandstiftung in der großen Dörnbergschen Weberei ist jetzt voll ständig aufgeklärt. Die unter dem Verdacht der Brandstiftung verhafteten Weber Andree und Triller haben nach anfänglichem Leugnen die Tat eingestanden. Sie haben den Brand, der sehr große Ausdehnung nahm, angelegt, weil sie fürchteten, die großen Lagerbestände, eine Folge des jetzigen ungünstigen Geschäftsganges in der Textilindustrie, könnten zu einer Einschränkung des Betriebes führen, wodurch sie zur Arbeits losigkeit gezwungen würden. An dem Sonnabend abend, an dem der Brand ausbrach, machten Andree und Triller Ueberstunden. Sie faßten den Entschluß zu ihrer Tat. Sie schütteten Benzin in ein Bündel Garn, steckten dies an und gossen auch in die Flammen noch Benzin hinein, so daß der Brand sofort große Ausdehnung an- nahm. Als sie die Flammen mächtig empor steigen sahen, da kam ihnen das Furchtbare ihrer Tat doch zum Bewußtsein, und sie halfen fleißig bei den Löscharbeiten mit. Andree hatte nach dem Brande keine Ruhe mehr; sein Wesen fiel allgemein auf. Auf ihn lenkte sich auch bald der Verdacht, da er gesehen worden war, wie er kurz vor dem Ausbruch des Brandes die Fabrik ver ließ. Bei der polizeilichen Vernehmung räumten beide die Tat ein. Dasselbe taten sie vor dein Untersuchungsrichter. Sie werden sich vor dein Schwurgericht zu verantworten haben. Liebesdrama im Automobil. — Gattenmord — Bluttat aus Eifersucht. Die Polizeichronik Berlins hatte am Sonntag, wo sommerliche Schwüle alle Welt hinauslockte, einen schwarze« Tag aufzuzeichnen. Denn drei schwere Bluttaten sind begangen worden. Der erste Fall: In einer Automobildroschke erschoß der 22 Jahre alte Buchdrucker Otto Bochle seine Braut, die lb Jahre alte Schneiderin Johanna Kruerke und verwundete sich selbst schwer. Das zweite Drama: Wegen Gattenmordes wurde der Zigarreuarbeiter Otto Pfänner aus der Chodowieckistraße 6 ver haftet. Der dritte Fall spielte sich im Zentrum der Stadt ab: Auf dem Alcxanderplatz verM der Händler Otto Leisner auf seine frühere Ge liebte ein Dolchattentat. Seit einiger Zeit waren aus einem Artiüe' riedepot in Köln Gewehre und Säbel abhanden gekommen, ohne daß die Diebe ermittelt wurdet Jetzt ist es der Kriminalpolizei gelungen, eine« Arbeiter und eine Arbeiterin aus dem Depot Z« verhaften, die die Gegenstände entwendet habe«' Ein Reservist wurde als Hehler gleichfalls vel' haftet. Die gestohlenen Sachen sind beschlag' nahmt worden. In einem Hotel in Hirschberg in Schießt vergiftete sich ein etwa 30-jähriges Liebespaar aus Berlin. Ein Kissinger Kaufman«, der nach Amern« reisen wollte, wurde in Rotterdam von Bauer«, SW Novelle von GerdHarmstorf. Nachdruck verboten. Er sagte sich aber, daß er tu mit nickt nur eme vnMctUclMt, sondern wahrscheinlich auch einen Fehler begehen würde, und daß es kein allzu schweres Opfer mehr sei, sich jetzt, wo er gewiß sein konnte, sie nicht wieder zu verlieren, noch für wenige Stunden zu gedulden. Er wartete, bis sie einen der harrenden Fiaker bestiegen hatten, und gab dann, indem er in den seinigen sprang, dem Kutscher einen Wink, dem voranfahrenden Wagen zu folgen. Eine Viertelstunde später sah er diesen vor eiuem unscheinbaren Mietshause in einem der stillsten Vorstadtvtertel von Paris halten und die beiden Damen eilig im Inner» des Ge bäudes verschwinden. Er merkte sich Straße und Nummer und befahl den Kutscher, ihn nach seiner Wohnung zu fahren. 7. Kapitel. „Fräulein Zaleski bedauert, den Herrn Marguis nicht empfangen zu können. Sie nimmt überhaupt keine Besuche au und ist zudem heute wahrend des ganzen Tages mit den Vorbereitungen zur Abreise beschäftigt, da wir Paris schon morgen früh verlassen werden. Das gnädige Fräulein bittet also den Herrn Margnis dringend, sich nicht weiter zu bemühen." Das war der Bescheid, den Gaston am anderen Tage an der Lür von Xenias Wohnung ans dem Munde der alten russischen Dienerin empfing, und da er sich doch nicht Wohl mit Gewalt den Eintritt erzwingen konnte, preßte er in heiß auswallendem Schmerz die. Lippen zusammen und ging. AVer er war nicht ent mutigt, und unerschütterlich stand der Entschluß in seiner Seele fest, diesinal das Glück nicht wieder aus seinen Händen zu lassen, welche Anstrengungen es auch immer bedürfen mochte, es festzuhalten. Er fuhr nach seiner Wohnung zurück und schrieb einen Brief an Xenia, in dem er sie in ständig anflehte, ihm Gehör zu schenken und die Freundeshand nicht zurückzuweisen, die er ihr biete. Denn nur als Freund, als Bruder wolle er ihr künftig zur Seite stehen, und mit seiner Ehre als Edelmann wolle er sich ihr dafür verbürgen, daß kein Wort der Liebe von seinen Lippen sie beunruhigen solle, so lange sie selbst das Verbot aufrecht erhalte. Mit den innigsten Ausdrücken, die seine Sehnsucht ihm eingab, beschwor er sie, ihm noch für diesen Tag eine Zusammenkunft zu bewilligen. Nach dem er so dem Papier alles anvertraut hatte was sich eben in den kalten geschriebenen Worten aussprechen ließ, schickte er seinen Kammerdiener mit dem Briefe ab, um in einer von Viertel stunde zu Viertelstunde wachsenden fieberhaften Ungeduld der Erwiderung Xenias zu harren. Aber der Nachmittag verrann, ohne ihm ein Lebenszeichen von ihr zu bringen. Er hatte sich überzeugt, daß für den heutigen Abend ihr Auftreten im Zirkus als Abschiedsvorstellung angekündigt war, und er wußte also, daß er sie jedenfalls dort Wiedersehen könne. Aber er wagte es noch immer nicht, seine Wohnung zu verlassen, iu der Furcht, daß inzwischen ihre Antwort etutreffen könnte, und das gestrige Er lebnis hatte ihn ja auch darüber belehrt, daß ihre Nummer erst die lxtzte der ganzen Auf führung war. So lief er noch gegen neun Uhr in einem Zustande höchster Erregung durch die Gemächer seines Hauses und begrüßte es im «igeutlichstetl Sinne des Wortes wie eine Er lösung, als ihm der Diener jetzt wirklich ein Billet überreichte, das nach seiner Erklärung soeben von einer ältlichen Frauensperson abge geben worden war, und in dessen Aufschrift Gaston mit dem ersten Blick die festen Feder züge der Geliebten erkannt hatte. Xenias Antwort auf seine flehentlichen Bitten lautete: „Herr Marquis! Schweren Herzens nur habe ich mich ent schlossen, nach Paris zu kommen, denn ich wußte ja, daß es die Stadt sei, in der Sie leben. Ich war sanguinisch genug, zü hoffen, daß ein gütiges Geschick uns beide vor einer nochmaligen Begegnung bewahren würde, und es ist tragisch, daß diese Hoffnung just noch im letzten Moment vernichtet werden mnßte. Aber es ist geschehen, und da ich sehe, daß es Ihnen ernst ist mit Ihren Freundschaftsanerbietungen, halte ich es für meine Pflicht, nunmehr alles törichte Ver steckspiel aufzugcben und Ihnen so freimütig zu antworte», wie Sie es um Ihrer Hochherzigkeit willen verdienen. Nein, Herr Marquis, Sie können mein Freund und mein Bruder nicht sein, weil ich nicht Ihre Freundin und Ihre Schwester sein kann. Auch wenn Sie Ihre Versprechungen halten würden — und ich zweifle nicht einen Augenblick, daß Sie stark genug wären, es zu tun — ich, ich selbst würde diese Stärke heute ebensowenig besitzen, Ivie ich sie damals aus Tereszewicze länger als für einen kurzen Tag besaß. Denn ich tat meinem Herzen Gewalt an, Ivie dem Ihrigen, als ich uns jene un natürliche Rolle znteiltc, die wir beide nur mit so geringem Geschick dnrchzuführen verstanden. Ich liebte Sie, und weil ich mir dessen bewußt geworden war, sobald ich nach jener Vallnacht erwachte, hatte ich Ihrem Eintreffen aus unserem Gute init Augst entgegengesehen. Heute brauche ich Ihnen ja nicht erst zu sagen, aus welche»' Grunde. Ich kannte die zerrütteten Vermögens Verhältnisse meines armen Vaters, und iH kannte die unselige Leidenschaft, der er mit Lei» und Seele rettungslos verfallen war. Ai» voller Bestimmtheit wußte ich, daß wir de>» Verderben entgegengingen, und daß es kci" Mittel mehr gab, die Katastrophe abzuwende»' Auch wenn ich mir nicht gelobt hätte, meim'" unglücklichen Vater niemals zu verlassen, h»^ ich unter solche» Umständen doch nicht dar»" denke» dürfe», eine» anderen dadurch, daß »» ihm meine Hand reichte, in unser traurige;' Geschick zu verstricke». Darum faßte ich, w- ich es erfuhr, daß Sie wirklich kommen würde"- den Entschluß, mich vor Ihnen zu verstech"" und flüchtete mich in einen Teil unseres Haufs-' von dem ich aunehmeu konnte, daß Sie ih' während Ihrer Anwesenheit nicht betrete» würde»' Meine Gefaugelffchaft würde, Ivie wähnte, nur vou kurzer Dauer sein, denn »'s zweifelte nicht, daß Sie noch vor Ablauf da ersten viernmdzwanzig Stunden vor dem wüste" Leben auf Tereszewicze die Flucht ergreist" würden. Aber ich hatte mich darin getärE und Sie wisse», was weiter geschah. Als Ihnen jene» Brief schrieb, den Sie aus de Händen meines Vaters empfingen, begrub » jede Hoffnung aus künftiges Glück. Es mich einen harten Kampf gekostet, meinen Wm von der Notwendigkeit dieser Handlungswehe^ überzeugen und mich seiner Mitwirkung zu »« sichern; denn er mußte Sie in meinem Auftrug belügen. Ich war nicht nach Moskau gc"»' sonder» ich befand mich nach wie vor ' Schlosse, und ich blickte vom Fenster mci» - Zimmers ans Ihrem Schlitten noch immer u»^ als er schon manche Werft Voit Tereszcuu^ entjernt war
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)