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Rabenauer Anzeiger : 03.10.1908
- Erscheinungsdatum
- 1908-10-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Deutsches Stuhlbaumuseum Rabenau
- Digitalisat
- Deutsches Stuhlbaumuseum Rabenau
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id178001192X-190810036
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id178001192X-19081003
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-178001192X-19081003
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände des Deutschen Stuhlbaumuseums Rabenau
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Rabenauer Anzeiger
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-10
- Tag 1908-10-03
-
Monat
1908-10
-
Jahr
1908
- Titel
- Rabenauer Anzeiger : 03.10.1908
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Politische Rundschau. Deutschland. Die Erhöhung der preußischen Einkommen steuer soll nur den leistungsfähigen Schultern zur Last fallen und möglichst nur eiue vor übergehende Maßnahme darstellen. Die Auf wendungen für die Gehaltserhöhung der Be amten sollen nicht blos durch die Einkommen-, sondern auch durch die Erhöhung der Ergän zungssteuer bestritten werden. Infolge der wirtschaftlichen Konjunktur bleiben die Ein nahmen aus dem Eisenbahnbetrieb hinter den Erwartungen zurück. Das macht sich um so empfindlicher bemerkbar, als die Eisenbahn- verwaltnng gerade in jüngster Zeit besonders viele Neuanschaffungen machen mußte. Hier ist eine Besserung also zu erwarten; mit ihrem Eintritt läßt man die Einkommensteuerer- höhnng vielleicht wieder lallen- Hoffen wir's! Zwei Gehcimerlasse des preußischen Kriegs ministers werden vom „B. T." veröffentlicht, in denen der Minister die Reserveoffiziere auf fordert, Kriegervereinen beizntreten und deren Bestrebungen wirksam zu fördern- — Das genannte freisinnige Blatt ist mit dem Inhalt der Erlasse nicht einverstanden und erklärt, es existiere keine gesetzliche oder verfassungs rechtliche Bestimmung, aus der die Verpflich tung eines Reserveoffiziers einem Krieger verein anzugehören, hergeleitet werden könne. Gegen die zu erwartende Erhöhung der Biersteuer erhob der in Osnabrück abgehal tene allgemeine Verbandstag deutscher Bier händler einstimmigen Widerspruch. Die Neichspost- und Telegraphenverwal tung wird im laufenden Etatsjahr voraus sichtlich ein höchst ungünstiges finanzielles Er gebnis haben. Es ist laut „Voss. Ztg." mit einem Ausfall von 35 bis 40 Millionen Mk. zu rechnen gegenüber dem Etatsanschlag, so daß sich der etatsmäßige Reinüberschuß von 100 Millionen Mark sehr wesentlich herab mindern wird. Das ist sehr schmerzlich. Unter den Steuern für die Reichsfinanz reform befindet sich auch eine Wehrsteuer, die mit der Nachlaßsteuer erhoben werden soll. Die konservativen Organe, die voller Beden ken gegen die Nachlaßsteuer sind, sprechen sich über die geplante Wehrsteuer zustimmend ans. Es ist daher nicht ausgeschlossen, daß eiue Wehrsteue" Annahme findet. Die beabsichtigte „Veredeln. derMatrikularbeiträge-Erhebung nicht mehr ausschließlich nach der Kopfzahl, sondern auch nach der wirtschaftlichen Leistungs fähigkeit unterbleibt, da sich mehrere Bundes regierungen gegen diese Veredelung ausge sprochen haben. Die Gegner sind natürlich die leistungsfähigen Bundesstaaten. Zur Neugestaltung der Reichsgewerbe ordnung haben im Neichsamt des Innern die Vorarbeiten begonnen. Auf mehreren Gebieten sind Abänderungen der bestehenden Bestimmungen zu erwarten. Auch über eine Umgestaltung des Schankkonzessionswesens zur wirksameren Bekämpfung des Alkoholmiß brauches schweben Erwägungen. Ferner dürfte, wie schon mitgeteilt, die Frage der Sonntagsruhe eine anderweitige Regelung finden. Im Dienste der Volksgesundheit. Der deutsche Medizinalbeamtenverein, der jetzt 25 Jahre besteht, ist in Berlin zu seiner Haupt versammlung zusammengetreten. Kultusminister Dr. Holle hielt die Begrüßungsansprache, in der er die Verdienste des Vereins mit warmen Worten feierte Folgende Stelle hat allge meines Interesse: „Ihr Verein hat den Schwerpunkt seiner Arbeit in die Vervoll kommnung der Volkshygiene gelegt. Auf diesem Gebiet hat er Großes geleistet. Hoffent lich wird er zum Wohle des Volkes auch weiterhin in dieser Richtung tätig sein." Italien. Ein Balkanabkommen Italiens mit Ruß land. Römischen Blättern zufolge haben Italien und Rußland ein Einvernehmen ge schlossen, das zu Italiens besonderen Verein barungen mit Oesterreich über den Balkan eine wichtige Ergänzung bildet und fortan ein isoliertes Vorgehen einer der drei Mächte unmöglich macht. — Sollte der statug quo auf dem Balkan gebrochen werden, so würde für den Frieden und das europäische Gleich gewicht nichts gefährlicher sein, als eine ver einzelte Initiative dieser oder jener Macht, die auf Kosten der anderen Sondervorteile für sich anstrebte. Gegen diese Gefahr ist das neue Abkommen die beste Bürgschaft. Rußland. In der Bndgetkommission der Dnma klagte der Finanzminister Kokowzew über das ungünstige Budget, das sich allein bei den ordentlichen Ausgaben für 1909 um 162 Millionen Rubel erhöhte. Die bevorstehende Anleihe wird in Paris abgeschlossen werden. Die russische Studentenschaft vertagte die Entscheidung über die Universitätsfrage. Dänemark. Der Alberti-Skandal- In Dänemark stehen, nachdem der Reichstag eröffnet worden ist, die großen Auseinandersetzungen wegen der Millionenschwindeleien des früheren Justiz ministers Alberti bevor. Es werden bei der Größe des Skandals heiße Kämpfe erwartet. Ueber die Neubildung der Regierung ist noch nichts bekannt, doch kann das neue Ministe rium nur ein der Mehrheit des Reichstags genehmes sein, die an der Milderung der Folgen des Betrugs Mitarbeiten will. England. Die englischen Bierbrauer und Schnaps brenner, welche gegen die Regierungsvorlage über die Schankkonzession und deren rigorose Bestimmungen Massendemonstrationen veran staltet hatten, stad böse hineingefallen. Sie hatten den von ihnen angeworbenen Demon stranten u- a. Freibier gewährt. Die gedie genen Schreier taten nun des Guten zuviel und führten in der Trunkenheit auf den Straßen der Stadt derartige Szenen auf, daß die Stimmung für die geplante Konzessi onsbeschränkung entgegen dem Demonstrati onsziele gestiegen ist. Frankreich. Der Zwischenfall von Casablanca ist zwar noch nicht erledigt, doch hofft man, bei dem auf beiden Seiten vorhandenen Bemühen, auf einen friedlichen Ausgleich. Augenblicklich fehlt es noch an einen anschaulichen Bericht über den tatsächlichen Hergang. Während General d'Amade behauptet, die deutschen Konsulatsbeamten hätten mit Tätlichkeiten gegen die französischen Soldaten begonnen, stellen die deutschen Berichte das Gegenteil fest. Im Grunde ist der Zwischenfall eine Angelegenheit, die weniger den Politiker und Diplomaten als den Juristen interessiert. Namhafte Lehrer des Völkerrechts sind zur Klarlegung der Sachlage berufen. Orient. Fürst Ferdinand von Bulgarien billigt den Gedanken der Ablösung des ostrumeltschen Telles der Orientbahn um jeden Preis, so daß die Lösung diese Frage in diesem Sinne mit Sicherheit zu erwarten ist. Unmittelbar nach der Erledigung der Bahnangelegenheit soll die Unanhängigkeitserklärung Bulgariens erfolgen. Die Proklamation Bulgariens zum Königreich wird dagegen voraussichtlich erst später stattfinden. Das Organ des türkischen Großwestrs sucht die Haltung Deutschlands in dem schwe benden Streit zu beeinflussen. Es erinnert daran, daß Deutschland der treue Freund der absolutistisch regierten Türkei war, und spricht die Hoffnung aus, daß Deutschland diese Freundschaft auch auf die Türket mit konstitutioneller Regierung übertragen werde, um seine wirtschaftlichen Interessen im Orient zu erhalten, in dem es politische Ziele nicht verfolgt. Persun. Die dreitägige Beschießung der persischen Stadt Täbris ist ohne Ergebnis verlaufen, da sich die Strafexpedition aus Mannschaften wilder, ungeschulter Stämme zusammensetzte. Beide Parteien haben die Vermittelung des russischen Konsulats angerufen. In der Stadt herrscht bedrohlicher Lebensmittelmangel. CerlchtZvatte. DaS Schwurgericht in Kiel verurteilte den jugendlichen Dienstknecht Petersen aus Groß kummerfeld bei Neumünster, der beschuldigt war, am 19. März auf der Feldmark Husberg seinem künftigen Schwiegervater Eichler die Gurgel durch schnitten zu haben, züm Tode. Kölner Finanziers vor Gericht. Aus Köln wird gemeldet: Wegen Gewerbekontravention hatten sich drei Inhaber des Bankhauses Oppen heim jr. u. Co. in Köln, Ferdinand Rinkel, Freiherr S. A. und Dr. Emil v. Oppenheim zu verantworten. Die Stadt Köln verlangte von der Firma eine genaue Aufstellung des Betriebs kapitals zwecks Versteuerung. Die Beschuldigten fertigten sie aber nicht aus, worauf sie unter Anklage gestellt wurden. Vor dem Schöffenge richt erklärten sie, zu genauer Aufstellung nicht verpflichtet zu sein, zumal nur schätzungsweise eine derartige Kalkulation möglich sei. Das Schöffengericht verurteilte die Angeklagten zu je 30 Mark Geldstrafe. In der Berufungsinstanz trat nun der Justitiar des Bankhauses, der als Verteidiger zugelassen war, für die Freisprechung ein, und die Strafkammer erkannte dement sprechend^ Aus aller Welt. 24 Morde in Berlin. Seit Anfang dieses Jahres wird in Berlin eine erschreckende Zu nahme der Kapitalverbrechen beobachtet. Die Steigerung scheint im zweiten Vierteljahr am größten gewesen zu sein, denn nach der amtlichen Ueberficht kamen in diesem Zeitraum in Groß- Berlin 24 Morde und Totschläge gegen 10 im Vorjahre vor. Hingerichtet wurden 3 Personen gegen 0 im Vorjahre. Heiße Liebe. Wegen eines Karussellmädchens brach in dem postschen Dorfe Jaskolski zwischen vier jungen Polen eine Schlägerei aus, bei der ein Häuslersohn getötet und ein Zimmermann tödlich verletzt wurde. Die halsbrecherische Kletterei, die reinem Uebermut entspringt, hat wieder zwei Opfer ge fordert. Von dem Mönchstein in der Nähe der Bastei in der Sächsischen Schweiz stürzte ein Dresdener ab und war sofort tot. Ein anderer tollkühner Dresdener, der die Barbarine beim Pfaffenstein erklimmen wollte, stürzte gleichfalls ab und brach ein Bein. In erschreckender Weise mehrt sich in der Provinz Hannover die Zahl der Brandstiftungen in den ländlichen Kreisen. Seit Mitte August sind 186 ländliche Gehöfte oder Scheunen nieder gebrannt. Bei den allermeisten Brandunfällen konnte Brandstiftung festgestellt werden. In viele« Fällen war die Ernte noch nicht versichert und io entsteht den Betroffenen schwerer Verlust. In keinem der letzten 80 Jahre sind so viele Hauk- und Gebäudebrände auf dem Lande in Hannover vorgekommen wie in diesem Jahre, zumal auch die Zahl der durch Blitzschlag eingeäscherten Ge bäude und Gehöfte sich auf mehrere hundert beläuft. Ein Millionär ermordet. In der griechischen Gemeinde Epidauros wurden ein Millionär Grammatika und sein Diener ermordet und be raubt. Da sie ein Einsiedlerleben führten, wurde das Verbrechen erst nach mehreren Tagen ent deckt. Von den Mördern fehlt bis jetzt noch jede Spur. Ein Reiterstück. Beim Neunen in Dresden kam das Pferd „Wer weiß" zu Fall und sein Reiter Cuda brach das linke Schlüsselbein. Trotz dem stieg er wieder in den Sattel und beendete das Rennen siegreich. Verzweiflungstat. Der angesehene Industrielle Ciani in Florenz entdeckte durch Zufall, daß seine junge Frau ihn in seiner Abwesenheit in schmäh licher Weise betrogen hatte. In Verzweiflung eilte er nach Hause und gab auf sie einen Re volverschuß ab, der sie in den Unterleib traf. Dann stürzte er auf die Straße, um sich unter einen Wagen der elektrischen Straßenbahn z« werfen, konnte aber von Vorübergehenden gerettet werden. Die schwerverletzte Frau ist Mutter von vier Kindern. In Brooklyn bei New-Jork ereignete sich ei« sensationeller Selbstmord. Bewohner des HauseS bemerkten, daß durch Risse der Decke Blut herab träufelte. Man öffnete die darüber liegende Wohnung gewaltsam und fand drei Personen, die augenscheinlich Selbstmord begangen hatten, nebeneinander in einer großen Blutlache liegen. Große Uebcrschwemmuugen in Indien. Be deutende Regenfälle haben in den letzten Tagen in Haiderabad und Deccan in Indien große Ucberschwemmungen angerichtet. Der Fluß Must ist uni etwa 20 Bieter (?) gestiegen und hat mehrere Brücken mit fortgerissen. Tausende uo« Häusern sind weggeschwemmt worden. Der Ver lust an Menschen ist groß, ileberall liegen Tote und Verwundete verstreut. Das Land soll aus Meilen hin verwüstet sein. Die Regenhöhe be trug 15 Zoll. Vermischtes. Frankreich und das Hochbahnunglück. Der französische Botschafter in Berlin drückte dein Unterstaatssekretär im deutschen Auswärtigen Mt das Beileid des Präsidenten der Republik und der französischen Regierung zu dem Berliner Hochbahnunglück aus. Die britische Gruppe der interparlamentarischen Union ließ ihr Beileid dein Oberbürgermeister von Berlin aussprechen. — Den bei dem Unglück Verwundeten geht es ver hältnismäßig wohl. — Das Publikum beginnt die Hochbahn wieder lebhafter zu benutzen. Der Schaden wird auf 50- bis 60000 M- ge schätzt. Gegen Haftpflicht ist die Gesellschaft bis zur Höhe von 300000 M. versichert. , Nach dem Berliner Hochbahunglöck. Ans der Berliner Hochbahn ist nicht alles, wie es sein sollte. Schon vor dem Unglück vom 2b' September, das nach endgültiger Feststellung 16 Anker den Löwen. Novelle von Gerd Harmstorf. (Nachdruck verdottu.) Die Erwähnung Xenias, die in merklich verlegener Weise geschah, hatte auch den letzten Rest der Schlaftrunkenheit von dem Marquis genommen. „Es bedarf keiner Entschuldigung, Herr Graf. Wenn Sie mir nicht die Ehre erwiesen hätten, mich hier aufzusuchen, würde ich mich aoch in dieser Stunde bei Ihnen gemeldet haben. Da Komtesse Xenia, wie ich nach Ihren Worten vermuten muß, Sie schon vorbereitet hat, werden Sie ja begreifen, daß ich keinen dringenderen Wunsch hegen konnte, als " Graf Saburow ließ ihn den begonnenen Satz nicht vollenden. „Meine Tochter sprach mir allerdings von gewissen Vorkommnissen, Herr Marquis, die Ihnen, wie sie fürchtet, eine — eine falsche Vorstellung von — ihren Empfindungen für Sie beigebracht haben könnten; und indem sie mich beauftragte, Ihnen ihresreund- schaftlichcn Abschiedsgrüße zu übermitteln " Gaston, der ihm mit wachsendem Befremden zugehort hatte, fuhr heftig empor. „Ihre Ab- schiedsgrüße? Wie soll ich das verstehen, Herr Graf? Die Komtesse schickt mich also fort?« „Nicht doch, mein verehrter junger Freund, nicht doch! Sie können sich denken, daß ich zu einem solchen Verstoß gegen die Gesetze der Gastfreundschaft niemals meine Zustimmung gegeben haben würde, selbst wenn Xenia eine derartige Absicht gehegt Hütte. Nein, Herr Mar quis, ich für meine Person mache Ihnen aus dem Geschehenen durchaus keinen Vorwurf. Ich betrachte Ihr ff ere e für meine Tochter als eine Ehre für m^aus,.und. ich.hoste, Sir werden mir noch länger oie Freude bereiten, unter meinem bescheidenen Dache zu verweilen, obwohl, — nun, obwohl ich leider genötigt bin, Ihnen zu sageu, daß Xenia Ihre Zuneigung nicht mit den gleichen Gefühlen zu erwidern vermag." „Wie! Und die Komtesse selbst wäre es gewesen, die Ihnen aus freien Stücken einen solchen Auftrag für mich gegeben?" „Es ging ihr sehr nahe, daß sie es tun mußte. Sie dürfen mir's glauben Herr Mar quis. Aber Sie begreifen, daß man in solchen Angelegenheiten keine Mißverständnisse bestehen lassen darf, und ich bitte Sie nochmals, ver sichert zu sein, daß ich für meine Person " Aber die persönlichen Ansichten des Grafen hatten für Gaston durchaus kein Interesse. Er lief mit stürmischen Schritten im Zimmer auf und nieder. Alle Einzelheiten jener kurzen nächt lichen Szene, die ihn zu dem glücklichsten aller Menschen gemacht hatte, standen greifbar lebendig vor seiner Seele. Er glaubte noch den be seligenden Druck der jungen Lippen auf seinem Munde zu fühlen, glaubte noch den ungestümen Schlag ihres Herzens an seiner Brust zu spüren — und dies alles sollte eine Täuschung, sollte nur ein Trugbild seiner Phantasie gewesen sein? Nein, das war unmöglich! Wenn Graf Saburow wirklich einen Auftrag seiner Tochter erfüllte, so konnte sie ihn doch nimmermehr freiwillig erteilt haben. Irgend ein fremder Einfluß, dem sie sich blutenden Herzens hatte fügen müssen, mußte dabei im Spiel sein. „Verzeihen Sie, Herr Graf," fiel er dem anderen in die Rede, „ich setze keinen Zweifel in die Wahrhaftigkeit Ihrer Worte, aber ich habe ein Recht darauf, die Erklärung, die mich eines so seltsamen Irrtums überführen soll, aus dem eigenen Munde dec Komtesse zu vernehmen. Sie dürfen mir die Gunst einer kurzen Unter redung, mit Ihrer Tochter nicht herjagen.' „Ich würde nicht das geringste dagegen einzuwenden haben, wenn es nicht leider un möglich wäre. Xenia hat Tereszewicze schm vor mehreren Stunden verlassen, um sich zu einer befreundeten Familie in der Nähe von Moskau zu begeben, und ich vermute, daß sie es getan hat, um sich und Ihnen die peinliche Notwendigkeit einer persönlichen Auseinandersetzung zu er sparen." Jetzt wallte das heiße Blut des jungen Franzosen in leidenschaftlichem Zorne auf. „Ein bequemes Auskunstsmittel — in der Tat! Und vielleicht ist Ihnen anch verboten worden, mir den gegenwärtigen Aufenthalt des Fräuleins näher zu bezeichnen?" „Allerdings, ich mußte meiner Tochter fei erlich versprechen, ihn nicht zu nennen. Aber sie hat mir vor ihrer Abreise einen Brief für Sie übergeben. Hier ist er. Ich kenne seinen Inhalt nicht, aber ich hoffe, daß Ihnen die Er klärungen ausreichend scheinen werden, die er enthält" Er hatte in die Brusttasche gegriffen, und Gaston sah, wie seine Hand zitterte, als er ihm das zierliche Billet überreichte. Aber das mochte viel mehr eine Folge der durchschwärmtcn Nächte, als ein Zeichen starker seelischer Bewegung sein, und der Marquis war jedenfalls nicht aufge legt, sich darum zu kümmern. Er trat ein paar Schritte zur Seite, riß deu Umschlag herab und entfaltete das mit festen, beinahe männlichen Schriftzügen bedeckte Blatt. Der Brief war in französischer Sprache geschrieben und lautete: „Mein Freund, vergönnen Sie mir noch einmal, Ihnen diesen -Namen zu geben, obwohl ich gut genug fühle, daß ich kein Recht mehr dazu besitze. Das Unrecht, dessen ich mich gegen Sie schuldig ge macht habe, ist zu schwer, als daß Sie es nur Vergeben könnten, und doch würden Sie meine Schuld vielleicht in einem milderen Lichte sehen, wenn Sie sich vorstellen könnten, in welcher GcmütSstimmung ich mich befand. Das Ver sprechen, das Sie mir am Morgen gegeben hatten, Ihre zartfühlende Zurückhaltung während des gemeinsam verlebten Tages, die edle Ritter lichkeit, mit der Sie für meinen bedrängte« Vater eintraten — dies alles hatte mich in die Illusion gewiegt, daß ich endlich den brüderlich gesinnten, uneigennützigen Freund gefunden, nach dem ich mich im Gefühl meiner traurige« Vereinsamung so oft gesehnt hatte. Jetzt weiß ich wohl, daß es etwas Törichtes, etwas Un mögliches war, das ich damit erträumte, aber all meine heiße Neue vermag nichts mehr cm der traurigen Tatsache zu ändern, daß mir diese Erkenntnis zu spät gekommen ist. Ich hatte fürwahr keinen Augenblick die Absicht, Erwar tungen und Hoffnungen in Ihnen zu wecken, die sich doch niemals verwirklichen können, aber ich räume ein, daß es einzig meine Schuld ge wesen ist, wenn es dennoch geschah. Jetzt bleibt mir nichts mehr als die schmerz liche Pflicht, Ihnen zu sagen, daß Sie meinem Benehmen eine falsche Deutung gegeben und daß es keine anderen als freundschaftliche Mw schwesterliche Empfindungen sind, die ich , st«- Sie hege. Daß Ihnen diese nicht genüge« können, scheint mir ebenso gewiß, als daß ich nimmermehr imstande sein würde, mich einem Manne zu eigen zu geben, für den ich mclM anderes als Achtung und Freundschaft fühü'- Wohl wäre es meine Pflicht gewesen, Jh«e« dies Auge in Auge zu sagen, aber ich weiß, dag Sie zn edel denken, um eine noch liefere Demütigung von mir zu fordern. Unsere Lebens wege hätten sich niemals berühren sollen; m dem Augenblick aber, da sie sich nun für immer trennen ruse ich. Jhil.cn, da ich. nicht den.Mm
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