Volltext Seite (XML)
KONGRESS-SAAL DEUTSCHES HYGIENE-MUSEUM Sonnabend, den 5. September 1964, 19.30 Uhr Sonntag, den 6. September 1964, 11 Uhr Sonntag, den 6. September 1964, 19.30 Uhr 1. Aullerordenllidies Konzerl Dirigent: Horst Förster Solist: Ruggiero Ricci, USA Georg Friedrich Händel 1685-1759 Concerto grosso op. 6 Nr. 2 Andante larghetto Allegro Largo Allegro, ma non troppo Sergej Prokofjew 1891 - 1953 Violinkonzert Nr. 2 g-Moll Allegro moderato Andante Allegro ben marcato — Pause — Nicolo Paganini 1782-1840 Violinkonzert Nr. 2 h-Moll Allegro maestoso Adagio Rondo Ruggiero Ricci, USA Zur Einführung Georg Friedrich Händel, der Meister der Oper und des Oratoriums, hat auch als Instrumentalkomponist Bedeutsames geleistet. Auf seiner Italien reise in den Jahren 1706-1710 lernte er Arcangelo Corelli kennen, den führenden italienischen Instrumentalmeister, und er wurde durch dessen Schaffen angeregt, sich selbst in den damals modernen Instrumentalformen der Triosonate und des Concerto grosse zu versuchen und zu bewähren. Beim Concerto grosso handelt es sich um eine in der Barockmusik beliebte Form des Orchesterkonzerts, bei der das volle Orchester (Tutti) mit einem Ensemble von Soloinstrumenten (Con certino) im Konzertieren abwechselt. Während sich Johann Sebastian Bach in seinen „Brandenburgischen Konzerten" einem ebenfalls in Italien entwickelten Formtyp anschloß, nämlich der Dreisätzigkeit Antonio Vivaldis, wählte Händel in seinen Concerti grossi zumeist die Mehrsätzigkeit, die er bereits in den Schöpfungen Corellis (op. 6) angetroffen hatte. Was Händel einst in Italien ausprobierte, brachte er in den dreißiger Jahren des 18. Jahrhunderts in London zur Reife und Vollendung: Das in Jugendtagen Erlebte und Gestaltete, durch die Erfahrung des Alters bereichert und vervollkommnet, wurde nun zusammen gefaßt und veröffentlicht. So erschienen um das Jahr 1734 in London im Druck sechs Concerti grossi, op. 3, die neben dem Streichorchester auch Oboen ein setzen und darum häufig „Oboenkonzerte" genannt werden. Fünf Jahre später folgten zwölf Concerti grossi, op. 6, die 1739 ebenfalls gedruckt vorlagen. In diesen Werken zeigt sich Händels Orchesterkunst in ihrer gültigsten Ausprägung. Wärmster Ausdruck, edelste Thematik charakterisieren die Concerti, die der Meister wohl selbst als etwas Besonderes in seinem Schaffen empfand, da er sie, gegen seine sonstige Gewohnheit, sehr sorgfältig veröffentlichte. Das heute erklingende Concerto grosso op. 6, Nr. 2 in F-Dur, viersätzig, nach Art der alten Kirchensonate angelegt, ist ein Meisterwerk. Eine pastorale Idyllik kennzeichnet den ruhigen Eingangssatz (Andante larghetto), während sich im sofort anschließenden zweiten Satz (Allegro) eine gewisse virtuose Haltung durchsetzt. Vom dritten Satz des Concertos, einem typischen Händelschen Largo- satz von starkem Ethos- und Ausdrucksgehalt, hat Romain Rolland gesagt, er gehöre zu jenen Orchesterstücken des Meisters, in die der Komponist am meisten von sich selbst hineingelegt habe. Den Ausklang des Werkes bildet eine aus einer Corellischen Vorlage herausgewachsene Doppelfuge. Sergej Prokofjew, der große sowjetische Meister, schrieb zwei Violin konzerte. Das erste, op. 19, D-Dur, entstand bereits in den Jahren 1915—1917 — die in Petrograd vorgesehene Uraufführung mußte wegen der Revolutions ereignisse abgesagt werden -, das zweite, op. 63, g-Moll, wurde 1935 - als Auftragswerk für den Geiger Robert Seutance, den er 1934 in Paris kennen gelernt hatte — vollendet. Während einer Konzerttournee mit dem Geiger Seutance im Winter 1935/36 durch Spanien, Portugal, Marokko, Algier, Tunis gelangte das zweite Violinkonzert, das aus dem ursprünglichen Plan einer Violinsonate erwachsen war, am 1. Dezember 1935 im revolutionär bewegten Madrid zur erfolgreichen Uraufführung — am Vorabend des Sieges der repu blikanischen Volksfront. „Fast im Gegensatz zu der gärenden Umwelt, in der das Konzert zum erstenmal erklang, gibt sich das Werk selbst lyrisch und zurück haltend - bis auf den an aggressiven Elementen reichen und im Klang etwas harten Finalsatz. Ein amerikanischer Kritiker (Gerald Abraham, .Prokofjew als Sowjetbürger') stellte fest: das Wesen des Konzerts liege in der .Betonung der lyrischen Seite seines Wesens unter Verzicht auf seine humorvollen, grotesken und brillanten Wesenszüge'. Damit ist das zweite Konzert deutlich vom ersten Konzert geschieden, das vom Kontrast zwischen lytischen und grotesken Elemen ten lebte. Dazwischen lagen beinahe zwanzig Jahre. Prokofjew hatte die Revo lution erlebt, war ins Ausland gegangen, nach Jahren heimgekehrt und erfuhr eine innere Revolution, die Neues gebar. Das Neue war das Erlebnis der Frei heit und der Zukunftsfreude in einem Sechstel der Erde, das Prokofjew zur stärkeren Beachtung seiner lyrisch-melodischen Begabung anregte, die er in der Pariser Zeit wenig hatte zu Wort kommen lassen . . . Wie in kleinen Formen