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880 Stahl und Eisen. 27. Jahrg. Nr. 25. Gießerei - Mitteilungen. nach Abbildung 45 trägt diesen Bedingungen Rechnung. Der obere Teil ist wie das normale Scheibenwalzwerk konstruiert, doch kann an dieses jederzeit ein Bandagen walz werk, dessen Antrieb unter Hüttensohle liegt, angeschlossen werden. Wenn Scheiben oder Räder gewalzt werden sollen, wird einfach die vertikale An triebswelle auf die Seite gelegt oder nach oben durch die Oeffnung 0 ausgehoben. Die seitlichen zwei vertikalen Reifenformwalzen werden an das äußerste Ende gestellt und geben so Raum für den Frontschlitten zum Einsetzen des Scheibenrades. Anderseits werden für das Walzen von Bandagen die beiden horizontalen Seitenwalzen ausgefahren und die rückwärtige Stellwalze gleichfalls ausgehoben. Auf alle Fälle kann die Umwandlung von einem Walz verfahren zum andern am Samstag Nachmittag oder Sonn tags vorgenommen werden; es sind nur Walz teile umzuwechseln, sämtliche Stellwerksantriebe bleiben unberührt. Das gesamte Gewicht einer derartigen Maschine beträgt ungefähr 120 t. Das Bandagenwalzwerk kann 12 bis 15 Bandagen i. d. Stunde machen, also ungefähr die Hälfte der Erzeugung des Scheibenwalzwerkes; wenn beide auf Tag- und Nachtschicht arbeiten, kann letzteres in der Nachtschicht auf fertige Räder arbeiten, denn die Tagesproduktion an Scheiben deckt sich mit der Doppelschicht auf Bandagen. Die walzbaren Dimensionen für Räder sind von d, dem kleineren Durchmesser, zu groß D entsprechend 550 bis 1100 mm und für Ban dagen von r bis R entsprechend 600 bis 3500 mm Durchmesser. Gießerei-Mitteilungen. Neuere Arbeiten über die Metallurgie des Gußeisens. Auch in der Englisch sprechenden Gießereifach- •weit macht die Kenntnis der Metallurgie des Gußeisens in jüngster Zeit gute Fortschritte. Es erscheint kaum mehr ein Heft einer englischen oder amerikanischen Fachzeitschrift, das nicht einen mehr oder weniger interessanten Beitrag über diesen Zweig des Eisen hüttenwesens brächte. Forderten diese Arbeiten im allgemeinen entgegen der bisher üblichen Praxis, das Roheisen nach dem Bruchaussehen zu beurteilen und nach althergebrachten Rezepten zu gattieren, eine größere Berücksichtigung der chemischen Analyse, so macht sich jetzt eine neuere Richtung geltend, die neben der angewandten Chemie auch das Studium der Mikrostruktur verlangt und überhaupt allgemeine metallurgische Grundsätze beachtet haben will. Unter diesen Gesichtspunkten sind einige Arbeiten bemerkens wert, die im folgenden kurz besprochen werden sollen: In einem Vortrage vor dem Zweigverein Birming ham der British Foundrymen’s Association am 19. Januar 1907 * über „die charakteristischen Eigen schaften des Gußeisens“ behandelt George Hailstone kurz die Bedeutung der Mikrostruktur des Gußeisens. Als Gefügebestandteile des Gußeisens kommen haupt sächlich in Betracht Ferrit, Zementit, Perlit und Graphit. Ferrit, das reine weiche Eisen, findet sich manchmal als deutlich erkennbare Kristalle, zumeist aber als weißer Grund der Aetzprobe. Oft treten an Stelle der Ferritkristalle isomorphe Gebilde von Si lizium und Mangan. Zementit, chemisch Karbid, FesC, ist der härteste Bestandteil der Eisenkohlen- stoff-Legierung. Er ist oft ersetzt durch Doppel karbide von Eisen und Mangan. Wie Ferrit wird Zementit von der Aetzflüssigkeit nicht angegriffen, tritt aber als härterer Bestandteil reliefartig hervor. Perlit, das Gemisch von Ferrit und Zementit, wird von der Aetzflüssigkeit dunkel gefärbt, was daher kommt, daß die Erhöhungen des Zementits auf den hellen Ferritgrund Schatten werfen, bezw. daß von der Aetzflüssigkeit kleine Teilchen in den Höhlungen Zurückbleiben. Guter Perlit hat Perlmutterglanz. Außer diesen Bestandteilen zeigt ein Aetzschliff noch Graphitflocken und dunkle Punkte von Phosphor legierungen im Zementit. * Veröffentlicht in „The Foundry", Märzheft 1907, S. 20/30. Ueber die mikroskopische Lage und die Be deutung der anderen Nebenbestandteile gibt Tabelle I Aufschluß. Hailstone bespricht dann weiter die ein zelnen Gußeisensorten unter Vorschlägen für die Untersuchung und das Gattieren, ferner die Reaktionen in der Pfanne sowie einzelne Ursachen von Fehl güssen und macht schließlich den Vorschlag, Roheisen und Brucheisen auf Grund der Gehalte an Neben bestandteilen zu gattieren und die Zusammensetzung des Gusses zu regeln nach den Wandstärken des Guß stückes,* wobei seine Vorschläge schwanken zwischen den Zahlen: Wandstärke Si 8 P Mn 6 mm 2,7 0,05 1,0 0,4 0/o und 65 bis 75 mm . . . 1,25 0,12 0,6 0,8 °/o Der Hailstonesche Aufsatz kommt also im Grunde auch auf eine Betonung der Klassifikation des Ein satzes nach der Analyse, insbesondere gleichfalls nach dem Siliziumgehalt hinaus. Auch Bradley Stoughton bezeichnet in einer Arbeit über Gießereimischungen** das Gußeisen als hochprozentigen Siliziumstahl mit mechanischen Beimengungen von Graphitkristallen; seine weiteren Ausführungen legen aber schon weniger den Siliziumgehalt des Gußstückes zugrunde. Er untersucht in erster Linie die Frage der Erzielung dichter Güsse und den Einfluß der einzelnen Bei mengungen darauf, in zweiter Linie auch die Festig keit und die Bearbeitungsfähigkeit des Gußeisens. Der Dichtigkeit des Gußstückes wirken hauptsächlich ent gegen die Schrumpfung, Seigerungen und Gasblasen. Unter Schrumpfung (shrinkage) ist hier nicht zu ver stehen die Differenz zwischen der Form und dem Gußstück, sondern die vor dem Erstarren entstehende Volumverminderung, die eine Neigung zum Lunkern in sich schließt. Sie ist bei grauem Eisen nur ver hältnismäßig gering, weil der sich ausscheidende Gra phit beim Erstarren entstehende Höhlungen ausfüllt; alle Körper, welche die Ausscheidung von Graphit fördern, vermindern damit also auch die Schrumpfung. Die größte Dichtigkeit des Eisens wird erzielt bei * Vergl. die Ausführungen von Wüst, „Stahl und Eisen“ 1897 Nr. 20, S. 848 bis 856, die in bezug auf den Siliziumgehalt der Gußstücke sich mit diesem Vorschlag decken. ** Vortrag, gehalten am 5. November 1906 vor der Pittsburg Foundrymen’s Association, veröffentlicht in „The Foundry“, Januarheft 1907, S. 309 bis 316.