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12. Juni 1907. Berichte über Versammlungen aus Fachvereinen. Stahl und Eisen. 849 Berichte über Versammlungen aus Fachvereinen. Iron and Steel Institute. (Schluß von Seite 820.) C. E. Stromeyer in Manchester, welcher sich schon über 20 Jahren mit Untersuchungen von Fluß eisenblechen und sonstigem Material beschäftigt und wiederholt dankenswerte Anregungen bezüglich der Herstellung und Verarbeitung von Kesselmaterialien gegeben hat, hat dem Institute eine Arbeit über das Altern des Flußeisens vorgelegt, welche, obwohl nicht abgeschlossen, doch das Interesse des Hüttenmannes finden dürfte. Er versucht die Frage zu beantworten, ob Fluß eisen durch einfaches Lagern, d. h. mit der Zeit der Lagerung, in seinen Eigenschaften beeinflußt bezw. be sonders seine Zähigkeit herabgemindert wird, und nennt den Vorgang „ageing of mild Steel“. Er wurde 1889 zur Untersuchung der Frage durch folgendes Vorkommnis angeregt: Ein Thomasblech mit etwa 0,145°/ Kohlenstoff, 0,57 bis 0,950/0 Phosphor und 0,600/0 Mangan ergab sofort nach der Walzung und darauf erfolgender Er probung durch Biegeversuche gute Resultate. Fünf Tage später zeigten sich bei einer Wiederholung der Proben starke Anbrüche an den Biegestellen, an scheinend soweit der Einfluß des Scherenschnittes in das Blech eingedrungen war. Die mittleren Teile der Probestreifen waren noch zähe. Sechs Wochen nach der ersten Erprobung waren die Proben so spröde, daß sie, ohne sich zu biegen, zersprangen. Seine damalige Ansicht, daß das Eisen altern könne, sei verlacht worden, aber weitere Erfahrungen hätten seine Ansicht bestärkt. Z. B. habe ein Kessel fabrikant, welcher vor Jahren aus vorzüglichem Low- moor-Eisen einen Kessel gebaut habe, denselben zu rückgekauft, um die Bleche wieder zu verwenden und dann gefunden, daß dieselben im Laufe der Zeit ganz spröde geworden seien. Auch ein Blech, das 50 Jahre in einem Kessel gesessen habe, habe nur noch 30,6 kg Festigkeit und 3,1 °/o Dehnung gehabt. Um zu beweisen, daß nicht der Einfluß der Feuer gase die Verschlechterung herbeiführe, habe er zahl reiche Proben verschiedener Härte zwei Monate lang an verschiedenen Stellen in Kesseln und Oefen auf gehängt und keine Verschlechterung bei der Vor nahme von Biegeproben feststellen können. Es sei also nicht der Kesselbetrieb, sondern die Zeit, welche die Verschlechterung herbeigeführt habe. Er habe auch beobachtet, daß eiserne Panzer platten ausrangierter Kriegsschiffe wie Gußeisen ge brochen seien, was angesichts der durch die Admiralität erfolgten Abnahme nur durch ein hochgradiges Altern des Eisens zu erklären gewesen sei. Das Aufspalten von gezogenen Messingrohren und das Sprödewerden derselben sei ihm auch aufgefallen. Diesen Beobachtungen widerspreche, daß Mangan stahl nach einer Beanspruchung seine Fließgrenze mit der Zeit erniedrige, daß Federn ihre Spannung ver lören und Stahldraht seine Widerstandskraft einbüße. Auch lehre die Erfahrung von Stahlfabrikanten in Sheffield, daß Stahl durch Lagerung besser werde und viele derselben ließen den Stahl lange Zeit zur Er langung besserer Qualität vor der Weiterverarbeitung lagern. Es sei jedoch die Möglichkeit vorhanden, daß Stahl, welcher nach dem Gießen als Block abkühle, eich besser erweise als solcher, welcher in einer Hitze fertiggewalzt würde. Die molekularen Ver änderungen, welche bei dem Abkühlen und Wieder erhitzen einträten, seien jedenfalls von denen ver schieden, welche im zweiten Falle eintreten würden. Das Altern müsse daher im guten oder schlechten Sinne aufgefaßt werden können, d. h. würde ein Ma schinenstück spröde, so sei es schlechter geworden, würde eine Feder weich, so sei auch sie schlechter ge worden, obwohl im einen Falle die Zähigkeit ab-, im andern Falle zugenommen habe. Man kann also wohl von einem positiven und negativen Altern sprechen. Es sei nun zwar nicht erwiesen, aber möglich, daß Sprödigkeit durch die Einführung (soll wohl heißen Entstehung) eines Kristalles oder durch Einwirkung einer Kraft, wie z. B. bei dem Beschneiden der Bleche die Messer auf die Kanten einwirkten, ent stehen könne. Die Natur biete für diese Erscheinungen Beispiele. Schwefel werde plastisch, wenn man ihn in Wasser gieße, und bleibe flüssig, wenn die ihn aufnehmende Flüssigkeit sehr kalt sei. Durch die Einwirkung der Zeit werde er aber wieder spröde. Eine völlig homo gene übersättigte Lösung von schwefelsaurem Natron werde durch Einwerfen eines Kristalles, wodurch ent weder eine Kraft oder Spannung ausgelöst oder ge schaffen werde, zum Kristallisieren gebracht. Die langsamen Veränderungen, welche in Lösungen von kohlensaurem Natron mit der Zeit entständen, und ähnliche eutektische Erscheinungen in festen Me tallen könnten behilflich sein, das „Altern“ zu ver stehen. 100 g Wasser von 10° C lösen z. B. 37 g Soda mit 7 Aequivalenten Wasser, wenn es rhomboedrisch, und nur 26,3 g, wenn es rhombisch kristallisiert ge wesen sei. Aus ersterer Lösung schieden sich aber mit der „Zeit“ die 26,3 °/o übersteigenden Salzteile aus. Soda in Lösung könne sich auch in solche mit weiteren 3 Aequivalenten Wasser verändern und dann seien nur 12,6 g löslich. Derart langsam scheide sich immer mehr Salz aus. Gleiche Vorgänge seien be züglich des Alterns des Stahles denkbar. Weiches Flußeisen, welches doch eine Lösung von Ferrit, Perlit usw. sei, und welches langsame molekulare Veränderungen durchmache, dürfe nicht wie bisher als unveränderlich bei gewöhnlichen Tem peraturen betrachtet werden, denn große Beanspru chungen verursachten dauernde Formveränderungen. Zum Beispiel geben beschossene Panzerplatten lange nachher noch singende Töne von sich und springen dann zuweilen noch plötzlich; Granaten springen oft Monate nach dem Härten, geflanschte Bleche reißen anscheinend ohne Ursache, Biegeproben springen oft lange Zeit nach der vorgenommenen Biegung. Nach dieser Abschweifung gibt Stromeyer weitere Erfahrungsbeispiele, welche seine Ansicht stützen sollen. Ein 25 mm - Schiffskesselmantelblech riß im Jahre 1891 bei der Druckprobe. Es wurde ein Stück desselben auf 3/s"=91/2mm ausgewalzt und von demselben zahlreiche Biegeproben entnommen, welche nach verschieden langen Zeiten geprüft wurden und immer schlechtere Resultate ergaben. Derartige Ver schlechterungen ließen sich in einem weiteren Fall, bei Zimmertemperatur, erst nach vielen Jahren nach weisen, während sie bei Vornahme von Biegeproben in gefrorenem Zustand sich schon nach Wochen und Monaten bemerkbar machten. Ein kurzes Kochen der Proben in Wasser bei 100° C. befördere auch sehr das Altern des Eisens und könne das monate- und jahrelange Warten ersetzen. Infolge der geschilderten Beobachtungen beschloß Stromeyer, während eines Zeitraumes von etwa 15 Jahren Proben und Blechstücke, welche sich im