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836 Stahl und Eisen. Chemische u. metallographische Untersuchungen des Hartgusses. 27. Jahrg. Nr. 24. vorkommt. Heyn* hat 1904 weißes und graues Roheisen in gleicher Weise unterschieden. Er unterscheidet das stabile System Eisen — Graphit von dem weniger stabilen System Eisen — Karbid. Das stabile System neigt nach seiner Auffassung zur Unterkühlung. Der stabile Gleichgewichts zustand, der den äußersten Phasen Eisen (Ferrit) und Graphit entspricht, wird nur ganz allmäh lich erreicht. Es scheiden sich aus der flüssigen Schmelze Mischkristalle von Eisen und Karbid aus. Es bildet sich nicht das Eutektikum, son dern durch Unterkühlung vermag die Legierung unterhalb des eutektischen Punktes flüssig zu bleiben. Die Graphitbildung wird unterdrückt. Die unterkühlte Legierung tritt bei weiterer Abkühlung in einen Bereich ein, in dem Karbid metastabil bestehen kann. Als weitere Begrün dung dieser Auffassung führt Heyn den be kannten Tempervorgang an. Hierbei wird weißes Roheisen auf höhere Temperatur erhitzt; es zersetzt sich das Karbid; es scheidet sich Temperkohle aus, die Heyn für identisch mit dem Graphit erklärt, da beide weder metallo- graphisch noch chemisch zu unterscheiden sind. Da bei mikroskopischer Untersuchung die Temper kohle sich stets in Berührung mit Ferrit findet, so schließt Heyn, daß an diesen Stellen der stabile Zustand erreicht sei. Daß stabile Gleichgewichte zur Erklärung metallurgischer Vorgänge herangezogen werden müssen, ist auch von Charpy und Grenet** hervorgehoben worden. Sie unterscheiden gleich falls die beiden Systeme und haben unabhängig von den schon genannten Forschern durch Ab kühlungskurven das Diagramm der Eisen-Kohlen stoff-Legierungen zu bestimmen gesucht und ferner den Einfluß, den Silizium ausübt. Die Abkühlungskurven zeigen, daß die Temperatur 1130° als der Erstarrungspunkt für die eutek tische Mischung von Mischkristallen — Karbid anzusehen ist. Nur aus vielen Bestimmungen scheint sich nach ihrer Angabe durchschnittlich zu ergeben, daß Graphitausscheidung aus der Schmelze grauen Eisens bei einer vielleicht 10° höheren Temperatur stattfindet. Silizium be günstigt die Graphitbildung und die Entstehung der Temperkohle. Wüst*** weist durch Abkühlungskurven nach, daß auch für graphitfreies Eisen mit ungefähr 3 °/o Kohlenstoff das Ende der Erstarrung ganz nahe bei 1132° stattfindet. Für die Umwand lung bei 1000° besteht auch nach ihm kein Anhalt. Das sind im allgemeinen die experi mentellen Grundlagen, die zur Konstruktion * Heyn: »Labile und metastabile Gleichgewichte in Eisen-Kohlenstoff-Legierungen«. „Zeitschr.f. Elektro chemie“, X, 30, 8. 489. ** „Bull. soc. d’enc.“ 1902 S. 399: »Sur l’Equi- libre des systemes fer-carbone«. *** Wüst: „Metallurgie“ 1906 Nr. 1. nachstehenden Diagramms (Abbildung 2) ge führt haben.* Es unterscheiden sich danach die beiden oben gekennzeichneten Systeme durch die Lage der eutektischen Linie. Das instabile System a‘ c‘ hat einen etwa 10° niedriger eutek tischen Punkt als das stabile a c. Bei B haben wir das Gleichgewicht Mischkristalle a — Graphit 2 Schmelze, bei B' Mischkristalle a‘ — Ze mentit 2 unterkühlter Schmelze. Ferner unter scheiden sich die beiden Systeme durch den Kohlenstoffgehalt der mit Kohlenstoff gesättigten Mischkristalle. Für das instabile System ist eine Linie A a‘ zu ziehen, deren Endpunkt a‘ etwa bei 2,7 °/o Kohlenstoff liegt. Es ist noch nicht ganz zweifelsfrei nach thermischen Me thoden die Lage der eutektischen Punkte auf den Linien a c und a c‘ festgestellt. Schmelze 1400 1300 1200 1100 1000 900 800 700 600 Perlit 500 Perlit Zementit 400. Zementit Ferrit Graphit 6 Proz. C 8t.o.E. 205 Abbildung 2. 1600 1500 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 5 300 Fe 0,5 Misch Schmelze u Mischkristalle kristalle i Martensit) Durch metallographische Untersuchungen sind nun die durch Abkühlungskurven ge wonnenen Diagramme ergänzt worden. Hier lenkte sich bei den hochgekohlten Eisenlegie rungen das Interesse auf die Struktur und Zu sammensetzung des eutektischen Punktes. Nach den metallographischen Untersuchungen von Goerens und Benedicks ist man ohne Zweifel berechtigt, bei dem instabilen System die Le gierung mit 4,2 bis 4,3 °/o Kohlenstoff als die eutektische zu bezeichnen. Bei dem stabilen System ist die eutektische Legierung noch nicht scharf bestimmt. Die Annahme ist wahrschein lich, daß die eutektische Legierung hier etwa bei 4,0 bis 4,2 °/o Kohlenstoff liege. Heyn** hat 1904 die Existenz der Struktur einer eutek tischen Legierung noch bezweifelt. Er be hauptete, daß wahrscheinlich die Entstehung des Graphits sich über ein Temperaturintervall er strecken würde. Nur wenn die Unterkühlung zwischen a c und a' c' plötzlich aufgehoben würde, und die Temperatur von a' c' auf a c * Ein ähnliches Diagramm ist von Benedicks entworfen. „Metallurgie“ 1906. * * a. a. O. S. 15.