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664 Stahl und Eisen. Ueber den Erhärtungsprozeß der hydraulischen Bindemittel. 27. Jahrg. Nr. 19. Wichtigkeit, weil durch ihn kolloidale Kiesel säure und Tonerdehydrat abgespalten und dann koaguliert werden. Durch den pyrochemischen Prozeß, das Brennen, werden bei den Romanzementen der Hydrolyse zugängliche Verbindungen gebildet, indem der Kalk in den Zustand der festen Lösung mit der Kieselsäure, Tonerde, Eisenoxyd über geführt wird. Die Erhitzung der Romanzemente soll bis an die Dissoziationstemperatur des Kalk steines und bis knapp an die Sinterung heran reichen, sie aber nicht überschreiten; nach neue ren Messungen betragen die Brenntemperaturen etwa 1170° bis 1210°, etwa Segerkegel 3 bis 4. Die Sinterung ist keine oberflächliche Schmelzung, als welche sie meistens auf gefaßt wird, sondern sie ist dadurch charakteri siert, daß Bestandteile eines nicht homogenen Gemenges, wie es das Rohmaterial der Roman zemente darstellt, sich bereits im geschmolze nen Aggregatzustand befinden, während andere Teile noch in der festen Formart verharren und von den flüssigen durchtränkt werden; der bereits flüssige Bestandteil vermag von dem festen unter Schmelzpunkt-Erniedrigung aufzunehmen. Die Entfernung des Sinterungs punktes von den verschiedenen Schmelzpunkten des Gemenges ist je nach der Natur der Stoffe bald größer, bald kleiner. Keinesfalls darf die Brenntemperatur alle Schmelzpunkte des Stoff- gemisches überschreiten; die so gebrannten Romanzemente sind technisch wertlos und be sitzen keine hydraulischen Funktionen mehr. Die Schwierigkeit beim Brennen der Roman zemente liegt also darin, daß die Temperatur skala, innerhalb welcher tadellose Romanzemente hergestellt werden können, ziemlich eng begrenzt ist; ein zu niedriger wie zu hoher Hitzegrad ist gleich schädlich. Ferner stehen Zusammen setzung der Rohmaterialien und Höhe der Brenn temperatur bezw. Dauer derselben in enger Beziehung. Ist schwer aufschließbarer Ton in größerer Menge vorhanden, so darf die Brenn temperatur höher sein; überwiegt dagegen Sili- ziumdioxyd in der Form von Sand, Quarz usw., so muß letztere niedriger gehalten werden. Denn es liegt die Gefahr vor, daß bei stärkerer Erhitzung Silikate im geschmolzenen Zu stande gebildet werden. Im übrigen ist auch hier die Zeit, während welcher das Brennen stattfindet, eine Funktion der Temperatur; die Brenndauer muß innerhalb der festgesetzten Grenzen um so länger sein, je niedriger die Temperatur ist. Dazu kommt ferner, daß die Mischung der Rohmaterialien der Romanzemente meistens nicht gleichmäßig ist, da die Steine selbst aus demselben Bruche wech selnde Zusammensetzung haben, und auch darauf bei der Einstellung der Höhe und Dauer der Brenn temperatur Rücksicht genommen werden muß. Die Abbindungsgeschwindigkeit der Roman zemente ist größer als bei den Puzzuolanen, Trassen und Portlandzementen; zum Teil rührt das daher, daß das im Zustande des Aetzkalkes befindliche Kalziumoxyd sie beschleunigt ; infolge dieses Gehaltes ist auch die Erstarrungswärme, die beim Portlandzement etwa 70 W.-E. beträgt, größer; die Festigkeitszahlen in bezug auf Druck und Zug sind wechselnd, und hängen von der Zusammensetzung der Roh materialien und der Brenntemperatur ab. In bezug auf den Eisenportlandzement* möge schon hier bemerkt werden, daß voraus sichtlich eine Reihe analoger Substanzen, wie ich sie beim Portlandzement namhaft gemacht habe, wie Kalziumchlorid, Kalidichromat, Natron- karbonat, Borax usw.,** seine Hydratations geschwindigkeit ändern, teils verzögern, teils beschleunigen wird. Die Tatsache, daß Hochofenschlacken bei langsamer Abkühlung zerfallen, dagegen rasch abgekühlt hydraulische Funktionen erhalten, weist auf eine Analogie mit dem Härtungsprozeß des Eisens hin. Diese wird insofern bemerkbar, als das im Zustande der festen Lösung befindliche Kalziumoxyd bezw. Hydroxyd dieselbe Rolle wie bei dem letzteren Vorgänge die Härtungskohle spielt. Nach den Untersuchungen von C. Benedicks*** besitzt der Stahl, der 1 v. H. Kohlenstoff hat find nach langsamer Abkühlung 0,27 v. H. gelösten Kohlenstoff enthält, einen geringen Härtegrad; wird aber ein rascher Temperaturabfall von 700° bis 800° auf Zimmertemperatur hergestellt, so bleibt der größte Teil des überhaupt vor handenen Kohlenstoffes gelöst, so daß nunmehr die Härtung sehr kräftig geworden ist. Es ist demnach die Existenz dieser Lösung bei ge wöhnlicher Temperatur als Ursache des Härtens anzusehen. Auch bei dem Zement ist die Menge des ungebundenen, gelösten Kalziumoxyds bezw. Hydroxyds für den Härtegrad bedingend; und zwar muß eine bestimmte Menge Kalk in dieser Modifikation vorhanden sein, der wiederum von seinem Gehalt an Tonerde und Kieselsäure ab hängig ist. Das Mehr oder Weniger über diese notwendige Menge hinaus bedingen die hydrauli schen und sonstigen Eigenschaften des Zementes. + Auch CI. Richardson zieht jetzt wiederholt Parallelen zwischen dem Erhärtungsvorgang des Stahls und des Portlandzementes,ff auch * Wie der Verfasser uns mitteilt, beabsichtigt er in einer besonderen Abhandlung auf den Eisenport landzement zurückzukommen. Die Red. ** Vergl.: »Der Portlandzement vom phys.-chem. Standpunkt». Abschnitt II. *** „Zeitschr. phys. Chern.“ 1901, 36, 529. f Vergl.: »Der Portlandzement vom phys.-chem. Standpunkt« 1903. Kapitel V. ff „Baumaterialienkunde“ 1905, 10, 24.