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Rabenauer Anzeiger : 03.03.1908
- Erscheinungsdatum
- 1908-03-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Deutsches Stuhlbaumuseum Rabenau
- Digitalisat
- Deutsches Stuhlbaumuseum Rabenau
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id178001192X-190803038
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id178001192X-19080303
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-178001192X-19080303
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände des Deutschen Stuhlbaumuseums Rabenau
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Rabenauer Anzeiger
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Jahr
1908
-
Monat
1908-03
- Tag 1908-03-03
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Monat
1908-03
-
Jahr
1908
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politische Rundschau. Deutschland. Der Bundesrat genehmigte in seiner jüngsten Plenarsitzung die Zivilprozeßnovelle, die in der Hauptsache eine Beschleunigung des amtsgerichtlichen Verfahrens bringen soll. Die oldenburgische Regierung, die die Ilebcrtragung des Reichstagswahlrechts ans die Landtagswahlen des Kroßherzogtnms gefordert hat und verfassungsmäßig durch setzen wird, erklärte sich mit der Aufhebung der geistlichen Schulaufsicht einverstanden. — Die Klagen über vermeintliche Rücksichts losigkeiten seitens der Neichsregierung sotten im Reichstage zur Sprache gebracht werde». Beratungen der Reichstagskommissionen. Die Budgetkommissiou des Reichstages be endigte dx Generaldebatte des Etats für Ostafrika und erledigte einen Teil des Spe- zialctats, um die Verhandlungen in der näch sten Sitzung fortzusetzcu. Es wurde ein Köm- promißautrag der freisinnigen Volkspartei angenommen, wonach die Hüttc»ste»er von IH auf 2 Millionen Mark erhöht wird. Ein Antrag Liebert (Rp.), der eine Erhöhung ans 2,2 Mibivucu forderte, wurde abgelchut. — In der Debatte sprach sich der Staats sekretär, der dafür allerdings nur die Zu stimmung des sozialdemokratischen Redners fand, für Beibehaltung der Hüttensteuer in Höhe von 1,8 Millionen aus sowie gegen die Selbstverwaltung der Kolonien, die dem Reichstage die nötige Einsicht und den uö tigeu Einfluß entziehe. Die Vercinsrechtskommissiou des Reichs tages behandelte den Stein des Anstoßes, den ss 7 der Vorlage, der für öffentliche Versammlungen den Gebrauch der deutschen Sprache fordert und Ausnahmen von der Genehmigung der Landeszeutralbehörde ab hängig macht. Zentrum, Polen und So zialdemokraten beantrage» Streichung des ganzen Paragraphen; die Polen verlangen in ciiiem Eventualantrag, daß alle Sprachen, die de» Reichsaugchörigcu als Muttersprache diene», als deutsche Sprache» zu behandel» sind. Ein Kompromißautrag der Freisinnigen endlich witt den Gebrauch einer fremden Sprache von der Bedingung abhängig ma che», daß solche Versammlmigen dreimal 24 Stande» bei der Polizei mit Angabe der Sprache, mit der verhandelt werden toll, an gemeldet werde». Der freisinnige Redner er klärte, daß seine Frcnndc eventuell noch zu weiterem Entgegenkommen bereit seien. Da mehrere Mitglieder sich zum Herrenhaus be- gebcu mußten, so verschob der Staatssekretär seine Antwort auf die vorliegenden Anträge ans die nächste Sitzung Die Börsenkommission des Reichstages einigte sich beim 8 52 der Vorlage, der von den Verbindlichkeiten gegenüber einem Aör- seutermiugcschäit handelt, auf einen Kom promißautrag. Zu, Reichsanzeiger wurde das Gesetz veröffentlicht, wonach die Ma- iestätsbeleidigung nur strafbar ist, »venu sie in der Absicht der Ehrcnvcrletznng, böswillig und mit Ilcberlegnng begangen wird. Die Verfolgung verjährt in «> Monaten. Die zweitägige Schlacht im preußischen Hcrrcnhause um die Enteignungsvorlage hat mit einem Siege der Negierung geendigt. Mit 143 gegen ilt Stimmen wurde der das Enteignungsrecht betreffende 8 in der Fassung des Abgeordnetenhauses angenom men. An diesen von nationalem Standpunkte so erfreulichen Ausgang der Debatten hatten die berufsmäßigen Vogelschauer und Zeichen deuter nicht uiehr zn glauben gewagt. Die Entscheidung war eine Ueberraschung, die sich uni so weniger vorhersehen ließ, als das Herrenhaus ja nicht gleich dem Reichstage in bestimmte Parteien abgegrenzt ist, sondern weil dort jedes Mitglied selbständig handelt. Auch nm zweiten Beratungstage waren Saal und Tribünen dicht gefüllt; es war aber glücklicherweise eine lleberfüllung der Jour- nalistcnplätze, wie am Tage zuvor, vermieden worden. Auch der Kronprinz war wieder erschienen. Wie man sich im Saale erzählte, war das Hcrreuhausmitglied Herzog Ernst Günther, der Bruder unserer Kaiserin, einer der entschiedensten Gegner der Polenvorlage. Mehr Gleichgültigkeit gegenüber dem Auslande und dafür mehr Nationalgefühl und Selbständigkeit! So lautete die eindring liche Mahnung, die der Reichskanzler Fürst Bülow im preußischen Herrenhause gleich der Debatte über die Polenvorlagt erhob. Und Fürst Bülow wies dabei auf die scharfen Angriffe hin, denen Deutschland wie kein anderes Land ausgesetzt sei. Der Fürst dachte dabei zunächst an die Angriffe, die seitens der Galizier und selbst im österreichischen Reichsrat gegen die preußische Polenpolitik gerichtet worden sind. Nicht »linder aber auch au die Kritiken, die in Rußland laut geworden sind. Als er seine Worte im Herrenhause sprach, koimte der Reichskanzler noch nicht wisse», daß »m die gleiche Stande sogar der Zar einen Stein auf die preußische Polciivorlage warf, indem er betonte, eine Verletzung der Eigentumsrechte werde nie mals seine Sanktion erhalten Das war ein Tadel ; aber er war doch verständ lich Deutlicher macht man es bekanntlich in England, wo man sich anscheinend für be rechtigt hält, den deutschen Michel für jedes Schiff das er baut, am Ohre zu gan- se». Derartige Einmischungen und Kritiken, wie sie Deutschland bezüglich seiner inneren Angelegenheiten vom Auslande hiunimmt, läßt sich kein anderer Staat gefallen. Das wird erst anders werden, wenn wir, um mit dem Fürsten Bülow zu reden, aufhören, alles Fremde zn bewundern und vor dem Fremden glatt auf dem Bauche zu liegen. Oesterreich-Ungarn. Ein schönes Wort von der Gleichheit aller Stände hat der ehrwürdige Kaiser Franz Joseph gesprochen. Auf dem zu Ehre» der Delegationen gegebene» Hofdiuer sagte der Mouarch zn dem dem Bürgertume angehörigen Präsidenten der ungarischen Delegation, den Abgeordneten Borabas,-der seme» Platz »eben dem Kaiser hatte: Es freut mich sehr, daß heute ciu dem bürgerlichen Staude An gehöreuder als Präsident der ungarischen Delegation neben mir sitzt. Es gibt'Nw mjr keinen Unterschied der Stände zwMch -tDstÄi. Staatsbürgern, und ich trete sehrHwü mit allen Bürgern meiner Länder iir'.Mnchrung,. — Der vorstehende Ausspruch besitzt Doublette in einer ganz ähnliche» Aeußemng, die der Fürst von Lippe-Detmold fast gleich zeitig für sein kleines Ländchen abgab. Italien. Die Nasi-Kundgebungen auf Sizilien nehmen ihren Fortgang. In Messina kam es zu ernsten Zusammenstößen mit Truppen, wobei zwei Personen durch Bajonettstiche ver wundet wurden. Auch mehrere Polizisten trugen Wunden davon. Zahlreiche Leute wurden verhaftet. Raßland. Der Empfang der russischen Reichsduma durch den Zaren gestaltete sich sehr feierlich. Kaiser Nikolaus, der stürmisch begrüßt wurde, richte an die „von ihm berufenen" Abgeord neten eine Ansprache, in der er an das russi sche Nationalgefuhl der Erschienenen appellierte; auch die Zarin, mit dem bildhübschen Kron prinzen an der Hand, schritt die Reihen der Dumamitglieder ab. Diese waren über die Audienz so entzückt, daß sie sich nach ihrer Rückkehr nach Petersburg einen Dankgottes dienst zelebrieren ließen. An den wegen der Uebergabe Port Arthurs zum Tode verurteilten General Stössel, dessen Begnadigung m-ehrenvoller Form anch die „Kreuz-Ztg." erwartet, haben russische Frauen eine Sympathie-Adresse ge richtet' Au5 Sen psr«s»enfen. Deutscher Reichstaq. Im Reichstage wurde der Justizetat verab schiedet uud wurden Wahlprüfuugen vorgcnom- men. lieber die Wahl des Abg. Enders (freis. Volksp.) kam cs zn lebhaften Auseinandersetzun gen. In dem Streit spielte die Unterzeichnung eines Wahlaufrufs durch einen Bürgermeister die Hauptrolle. Vom Zentrum uud Sozialdemo kraten wurde die Wahl vorläufig nicht beanstan det, sondern mir Beweiserhebung beschlossen. In der folgenden Sitzung wnrdc die Vorlage über den sogenannten kleinen Befähigungsnach weis in erster Lesung beraten. Staatssekretär v. Bethmann betonte, daß sie einem Wunsche des Handwerks entspreche, und bat, sie nicht weiter zu belasten. Weder znnftlcrischc noch politische Momente sprächen bei der Vorlage mit, die den Grundsatz ausspreche, daß nur der lehren dürfe, der selbst gelernt habe. Malkewitz (kons.) stimmte mit dem Staatssekretär überein, hoffte aber für die Zukunft auf umfassendere Regelung. Euler (Ztr.) vertrat denselben Standpunkt. Linck (natlib.) war wohl für den kleinen, aber gegen den allgemeinen Befähigungsnachweis. Albrecht (Soz.) lehnte die Vorlage ab, weil er sich von ihr keinen Vorteil für das Handwerk versprach. Carstens (freis. Volksp.) schloß sich dem national- liberalen Redner an. Geh. Rat Caspar teilte mit, daß eine Vorlage über die Frage, ob Hand werk oder Fabrik, nicht in Vorbereitung sei. Preußisches Abgeordnetenhaus. Etat des Mittisteriums des Innern. Abg- Kölle (b. k. Part.) bittet den Minister, dafür zu sorgen, die kommunale Polizei ebenso leistungs fähig zu machen, wie die königliche. Strosser (kons.) fordert die Polizei zu energischem Ein schreiten gegen die Verbrcitnng unsittlicher Bilder und Schriften und gegen die Auswüchse des Automobilismus auf. Die Autorennbahn im ,Taunus hätte besser nach der Lüneburger Heide gelegt werden sollen. Minister von Moltke: Die Mkämpfnng der unsittlichen Literatur ist der Po lizei zur.ernstesten Pflicht gemacht. 22 sogenannte WitzWtler haben in letzter Zeit ihr Erscheinen Mfftel^K. müssen. (Beifall.) Da die unsittlichen wilder' ihren Ursprung meist im Auslande ha ben, so sind wir zn einem engeren Zusammen arbeiten mit den Zollbehörden gekommen. Die Nachtkonzcssionen werden möglichst beschränkt. (Beifall.) Schmedding (Ztr.) weist auf Mängel )er Armenpflege hin. Bedauerlich sei die ver miedene Rechtsprechung in Bezug auf irre Ver- irecher. Das Feuerlöschwesen müsse einheitlich ge regelt werden. Fritsch (natlib.) empfiehlt eine Reorganisation der inneren Verwaltung an Haupt und Gliedern. Bedauerlich sei der Mangel an Zucht und Anstand, das Publikum müsse aber selbst erziehen. Die Sensationspresse müsse bekämpft werden. Die Polizeiaufsicht ehemaliger Sträflinge sei zu mileern. (Beifall.) Abg. von Zedlitz (frkons.) fordert Verbesserung der Woh nungsverhältnisse in den großen Städten, und eine Vereinfachung der Verwaltung, sowie ferner mehr Ellbogenfreiheit für die Beamten, aber auch für die Kommunen. Der Redner geht auf die Verhältnisse in Nordschleswig ein. Minister von Moltke: Die zahlreichen Anregungen werden Berücksichtigung finden. Ich habe viele Be rührungspunkte mit dem Vorredner. Die Zu stände in Nordschleswig haben sich durch den Vertrag mit Dänemark sehr gebessert.'Wir wer den immer für Nordschleswig sorgen, von dem es heißt:"Up ewig ungedeckt! (Beifall.) Abg. Dr. Minzerski (Pole) klagt über die Verdeutschung pol nischer Ortsnamen. Münstcrbcrg lfrcis. Verg.) bespricht die Gefahren der Prostitution und be dauert, daß viele Männer bereits die Achtung vor den Frauen verloren haben. Aus aller Welt. Geheimnisse eines Restaurants. Ans Ham burg wird der „Berl. Volksztg." geschrieben: Im Juni v. Js. tauchten in Hamburg Gerüchte auf, daß in dem Mcnzelschen Restaurant in der Hermannstraße Bierpantschcrei und unsaubere Manipulationen an Speisen in größerem Um fange vorgckommen seien. Das Restaurant wurde von Kaufleuten nnd-Börsenbcsuchcrn zu Früh stücken vor der Börscnzcit sowie abends von dcu Theaterbesuchern stark besucht. Der Inhaber des Restaurants, Menzel, hat das Vertrauen seiner Gäste schnöde mißbraucht. Die Polizei forschte nach und schloß das Restaurant, als sich die Ge rüchte voll bewahrheiteten. Menzel verschwand ans Hamburg, aber die Untersuchung gegen ilm nahm ihren Fortgang. Gegen 500 Zeugen: Kellner, Bierzapfer, Bntterbrotschncider, Büffett- damen, Köchinnen, Dienstmädchen, Scheuerfrauen usw., die in den letzten fünf Jahren im Men- zelschen Restaurant angcstcllt waren, sind ver nommen worden. Die Polizei stellte fest, daß die von den Gästen bei der Mahlzeit zurückge- lassenen Speisereste in dem von Schmutz starren den Keller oder in der schmutzigen Küche aufbc- wahrt wurden, wo sie von Mäusen angefressen und mit Schimmel bedeckt wnrden. Diese Spei sereste sowie halbverfanlte Flcischstückc, beispiels weise angcfaultc Küken, wurden wieder zn Ra gouts und Saucen verwandt. Zerkaute Krebs- schalen wurden zur Hcrstcllnug „feiner" Krebs suppen verwandt. Wenn die Köchinnen oder an dere Angestellte sich weigerten derartige Schmutze reien mitzumachcn, so erklärte Menzel: „Ach was, stellen Sie sich nicht so an! Der größte Pantsch schmeckt am besten!" oder auch: „Meine feinen Gäste essen so appetitlich, daß sich ein anderer nicht zn genieren braucht, die von ihneu übrig ge lassenen Neste zn verzehren. Kalte Steaks wur den mit der von Mäusen angeftcssencn Seite nach nuten gelegt, mit einer Glasur überzogen und in dieser Form den Gästen vorgesetzt. Ver faulte grüue Heringe mußten trotz der Einrede der Köchinnen für das Büffett gebraten werden. Als einmal die Köchinnen sich weigerten, in Fäulnis übergegangcnc Küken zu braten, hat Menzel die Küken mit Cherrp begossen und sic dann in gebratenem Zustande den Gästen ser vieren lassen. Als die Gäste sie als ungenießbar zurückschickten, hat Menzel die Küken nach der Darstellung der Zeugen in der Küche in den Zweifelnde ^ieöe. Koman von M. Kneschke-Schönau. 11 Während Adelheid noch so grübelt und sich in ZukunstS« träumen wiegt, taucht plötzlich der braunlockige Kops des kom- merzienätlichen Backfisches dicht neben ihr auf. Ericka ist von außen an der steinernen Brüstung lautlos emporgeklettert und freut sich königlich über den Schreck, den sie Adelheid durch ihr unvermutetes Erscheinen eingejagt. „Guten Tag, Frau Ada!" ruft sie lachend. „Was machen Sie für ein entsetztes Gesicht? Hu, und wie fein! Wohl alles dem Herrn Professor zu Ehren?" Adelheid zieht unmutig die Stirne kraus. -Obwohl sie mit dem schelmischen jungen Ding auf sehr freundschaftlichem Fuße steht, verdrießt sie die Überrumpelung, noch mehr die naseweise Frage, und schon schwebt eine scharfe Erwiderung auf ihren Lippen. Doch sie bezwingt sich und sagt scherzend: „Erchen, Sie kleiner Unhold, wie können Sie mich so er schrecken? Ich war just ein wenig eingeschlummert, es war so heiß". „Das stimmt", nickte Erika ernsthaft. „Aber seit wann schläft man mit offenen Augen?" „Ungezogenes Gör!" denkt Adelheid ärgerlich. „Wißen Sie auch, Frau Ada, daß ich Sie glühend che- neide?" fragte Erika pathetisch und schwingt sich gewandt auf die schmale Brüstung des Balkons. „Beneiden? Mich?" fragt diese erstaunt." „Etwa um die vorjährige Seidenbluse, die Ihnen vorhin so e.egant er schien?" „Um diese auch, aber mehr, vielmehr um Ihren ^schönen schönen Vetter. Heiliger Barotscheck, was ist das für em reizender Mensch!" Sie steckt wie in Verzückung die Arme gen Himme., wo bei sie, die Balance verlierend, bei einem Haar hinabge stürzt wäre, wenn Frau Adelheid sie nicht- rssch beim Arm «ZriU«» hätte. , „Jetzt aber entweder herein oder heraus!" gebiete: sie streng. „Die gymnastischen Übungen fallen mir auf die Nerven!" „Ach bitte, nur noch fünf Minuten", fleht Erchen! „Es lohnt sich nicht erst hereinzukommen, ich muß ins Bad, die Mama ist gleich fertig, ich nmß Ihnen nur noch mein Herz ausschütten. Denken Sie nur, welches Glück! Ich habe ihn heu.e schon gesehen!" „Ihn?" fragte Adelheid verwundert. „Ach, tun Sie nur nicht so", schmollte Erika Ihren Vetter natürlich. Ach, ich finde ihn zu entzückend Und wie nett er sich mit mir unterha ten hat. Gnädiges Fräulein hat er mich t tuliert. Ach, jetzt habe wh doch endlich auch einen Schwarm". „Es ist auch hohe Zeit mit Ihre» 16 Jahren", spottet Adelheid, , doch nun seien Sie mal vernünftig und agen Sie mir, wo und wann haben Sie „ihn" heute schon ge sehen?" „Vor einer Stunde im Kurgarten. Er stand vor dem Musikpavillon und studierte das Programm. Natürlich ver spürte ich sofort denselben Wissensdurst und stellte mich di rekt daneben. Aber, Prosit Mahlzeit, der gestrenge Herr Professor geruhte meine Wenigkeit nicht zu bemerken. Da sagte ich halt sehr freundlich „Guten Morgen" und da er kannte er m-ch endlich. Er erwies mir dann die Gnade, mich zweimal die Promenade auf- jund ab zu begleiten — Frau Ada, wie ich mich glücklich lühle. Und dann fragte er mich plötzlich nach dem nächsten Weg nach Münster am Stem". „Nach Münster?" fragte Adelheid erstaunt. „Ja, was will er denn dort?" „Weiß ich nicht', meint achselzuckend das schwärmende Backfischchen. „Jedenfalls ist er hingegangen und kommt zwölf Uhr zwanzig Minuten per E lzug zurück". „Erchen! Kmd, wo steckst Du?" ließ sich das jette Organ Ler KomrtiLkneürLtlü vervMtert. „Komm schon, Mama! Adieu, Frau Ada!" Mit einem Sprung ist sie unten und verschwindet um die Hausecke. Nachdenklich schaut ihr Adelheid nach. Diese Schwärmerei der Kleinen komm: ihr wie gerufen. Auf diese eise kann sie manches über das Tun und Lassen des Profes ors in Er ahrung bringen, ohne selbst zu spionieren. Noch fünfmal mußte sie es im. Lauf des Vormittags hören, daß ihr Vetter ein reizender Mensch sei, sämtliche Damen der Villa Quisuania fühlten sich veranlaßt, ihr das zu versichern. „Wie ''ehr muß er sich verändert haben', denkt sie bei sich und sieht mit doppelter Spannung dem Wiedersehen entgegen. Seit ihrem Treubruch bat sie ihn nicht mehr gesehen und in ihrer Erinnerung steht er noch als der hochaufgeschossencJüngling mit dem schmalen, blaffen Gesicht, den schüchtern prossenden Flaum auf der Oberlippe und — den treuen blauen Augen da. Die Augen waren das Schönste an ihm gewesen und wenn sie daran denkt, wirds ihr warm und weh ums Herz und das Schuldgefühl ihm gegenüber wächst riesengroß. Sein Ausflug nach Münster befremdet und beunruhigt sie. Sehr groß lonnte demnach die Sehnsucht nach ihr nicht sein. Ein Gefühl herber Ent täuschung befällt sie, doch sie ist eine Optimistin und sie findet bald einen Grund für die Extratour des Geliebten. Er tut es sicher mit Absicht, um sie zu reizen. Auch er spielt Komödie. Also fort mit den mutlosen Gedanken. Es muß und soll alles gu. werden. V. Nach dem ausgedehnten Spaziergang hat der Professor ausgezeichnet geschlafen. Klaren Auges und he teren Ge mütes ichreitet er in den schönen Morgen hinaus. Die Be gegnung mit Erika am Musikpavillon hat ihn belustigt. Di« braunen Schelmenaugen des kecken Mädchens verrieten den neuen Schwarm nur allzu deutlich. Der Gedanke an diese Eroberung entlockt dem ernsten Gelehrten nocb jetzt ein "ächeln, als er aitt dem von ihr bezeichneten Wegs munter geaen Münffer wandert.
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