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auf Stein zu einem musikalischen Weltbild, nicht nur im geographischen Sinne, sondern auch im geistigen, und an alle Freunde ergeht der Ruf (an alte und mit diesen Klängen schon vertraute, aber auch an neue, die sich erst in diese Welt hineinhören wollen), in dieser Welt ein Zuhause zu suchen.“ Was Du damals versprochen hast, lieber Freund, hast Du auch gehalten. Was wir uns von Dir versprochen haben, wurde erfüllt. Siebzehn Jahre ist es nun her. Wir sind — übrigens beide, Wahldresdner, und zwar (das stimmt doch wohl auch von Dir?) begeisterte — den Weg miteinander gegangen. Es ist nicht das geringste Verdienst, das Dich Auszeichnende, daß Du Dresden treu geblieben bist, allen Verlockungen Dich versagtest, daß Du nicht auf Grund Deiner internationalen Erfolge ein Zugvogel wurdest, daß Du vielmehr, einer alten, heute leider nicht mehr geltenden Dresdner Tradition folgend, Dresden treu geblieben bist. Üfiid was hast Du alles in diesen siebzehn Jahren geleistet! Die Dresdner Philharmoniker sind unter Deiner Leitung zu einem Orchester von Welt geltung herangereift. Die großen Erfolge, die Du teils als Gastdirigent, teils zusammen mit ihnen in der Bundesrepublik und im Ausland, in Italien, in Frankreich, in der CSSR, in Polen, in Rumänien und in China erringen konntest, beweisen es. Damit hast Du zugleich, der Du auch den Weg in die Partei der Arbeiterklasse gefunden hast, eminent "nächtige politische Arbeit geleistet, das Ansehen unserer Deutschen Demokratischen Republik gestärkt und viele Vorurteile gegen unseren Arbeiter-und- Bauern-Staat zerschlagen. Geradezu Berühmtheit haben die Programme gefunden, die Du zusammen gestellt hast. Immer anregend, immer originell (nicht um der Sensation willen), immer neuartig, immer abwechslungsreich. Du hast Dich dabei an den Spruch von Theodor Fontane gehalten, den ich meinem Buch „Musik und Musiker der Gegenwart“ vorangestellt habe: „Alles Alte, soweit es Anspruch darauf hat, sollen wir lieben, aber für das Neue sollen wir recht eigentlich leben.“ Die Klassiker hast Du in exemplarischen Auf führungen herausgestellt, darunter auch solche, die nicht zur Alltagskost gehören, ich denke etwa an Max Reger. Daneben hast Du uns mit vielen Werken zeitgenössischer Komponisten bekanntgemacht, wozu ich auch die noch rechne, die um die Jahrhundertwende gelebt und gewirkt haben, auch wenn sie nun schon der Rasen deckt. In immer neuen geistvollen Zusammenstellungen hast Du diese Werke aufgereiht und dem Publikum schmackhaft gemacht. Das war schon bald nicht mehr nötig. Denn die Dresdner Musikfreunde wußten: was uns Heinz Bongartz bietet, ist wert, gehört zu werden. Deine letzte Großtat war der Gustav-Mahler-Zyklus, ein einmaliges Ereignis für ganz Deutschland. Ich schreibe diese Zeilen unter dem Eindruck des letztzen Mahler-Abends mit den „Kindertotenliedern“ und der Dritten Sinfonie. Da standest Du, der bald Siebzigjährige bei einer Außentemperatur von 30 Grad, wie ein Junger am Pult. Schon die physische Leistung war bewundernswert, aber noch mehr zu bewundern war, wie Du dieses Riesenwerk anpacktest, wie Du es bezwungen hast, treu gefolgt von Deinen Philharmonikern, die sich wieder einmal selbst übertrafen. Und da sollen wir Abschied nehmen, lieber Heinz Bongartz? Nein, dieser Abschied ist die Hoffnung auf gelegentliches Wiedersehen, das Du ja auch schon versprochen hast. In Gedanken werden wir auch dabei sein, wenn Du als vielbegehrter Gastdirigent die Welt bereisen wirst. Wir werden immer mit Dir verbunden bleiben, wir, Deine Philharmoniker und wir, die Dresdner Musikfreunde, die Dir noch kein Otium cum dignitate, sondern zunächst noch weitere große Erfolge wünschen, in ihrem Namen Dein Karl Laux