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24. April 1907. Die Eisenerzlagerstätten und die Eisenindustrie Württembergs. Stahl und Eisen. 595 Die gesamten Anlagen des Werkes beschäftigen zurzeit etwa 1300 Arbeiter. Nach den Ausführungen des Bergratsdirektors Dr. v. K lüpf el in der vor einigen Jahren verfaßten Denkschrift betreffend die Organi sation der Berg-, Hütten- und Salinenverwaltung Württembergs und das Hüttenwerk Wasser alfingen, arbeiten Hochofen und Erzgrube mit Schaden und zehren teilweise die Erträgnisse der mit Vorteil arbeitenden Gießerei auf. Vom Standpunkte des Hochöfners müsse in der Tat jeder Hochofenbetrieb, welcher in so kleinem Maßstabe geführt wird wie in Wasseralfingen, mit Mißtrauen betrachtet werden, nachdem im übrigen Deutschland derartige Hochöfen, auch wenn sie mit Gießerei verbunden waren, nahezu verschwunden sind. Dennoch sei in Wasser alfingen eine wesentliche Steigerung der Er zeugung des Hochofens nicht mit Vorteil durch führbar, da es nur bei diesem schwachen Be triebe möglich ist, den Leistungen der Kupol öfen nahezukommen und etwa die Hälfte des erzeugten flüssigen Roheisens direkt in Guß waren umzuwandeln. Die letztere Möglichkeit sei bis jetzt stets als Voraussetzung der Renta bilität des Hochofenbetriebes in Wasseralfingen betrachtet worden. Sobald die Roheisenerzeugung über diesen Punkt hinaus gesteigert würde, müßte der Schwerpunkt des Betriebes nicht mehr in die Gießerei, sondern in die Roheisenproduktion für den Verkauf gelegt werden. Eine solche könnte jedoch nur Aussicht auf Erfolg haben, wenn mittels großer moderner Hochöfen auf die Massenproduktion übergegangen würde. Sobald aber diese Frage aufgeworfen würde, müsse die Entscheidung dahin lauten, daß überhaupt das württembergische Eisenerz derzeit äußerst ge ringe Aussicht habe, den Wettbewerb der ähn lich gearteten, aber für eine billige Produktion günstiger zusammengesetzten luxemburgisch lothringischen Minette auszuhalten. Selbst dann, wenn sich diese Aussicht dereinst, d. h. wenn die besseren dortigen Erzlager erschöpft sein werden, bessern sollte, wäre der Betrieb der schon mehr als 200 Jahre bestehenden Wasser- alfinger Grube weit unlohnender als z. B. der einer Neuanlage in der Nähe von Geislingen- Hausen. Ein moderner Hochofenbetrieb mit Aus nutzung aller neuesten technischen Fortschritte verbiete sich also in Wasseralfingen von selbst. Was nun die Frage betrifft, ob es überhaupt gerechtfertigt werden konnte, diesen Betrieb fort zusetzen, als vor kurzer Zeit die Notwendigkeit herantrat, den 15 Jahre ununterbrochen betrie benen Hochofen auszublasen und mit einem Auf wand von etwa 100 000 neu herzustellen, so besagt weiterhin die angeführte Denkschrift: „Es sind derzeit am Hochofen und in der Erz grube 84 Arbeiter beschäftigt, welche im Falle des Aufgebens dieses Betriebes nicht anderwärts im Staatsbetrieb beschäftigt werden könnten. Man wird daher nicht abgeneigt sein, den Be trieb auch fernerhin fortzusetzen, solange nicht direkte Verluste bei demselben nachgewiesen werden können. Dies ist aber bisher nicht der Fall gewesen. — Eine genaue Berechnung des erzeugten Roheisens ist mangels einer un zweifelhaften Marktwertbestimmung nicht möglich, aber die annähernden Selbstkostenberechnungen, welche alljährlich gemacht werden, haben doch ergeben, daß bisher das in Wasseralfingen er zeugte Roheisen zwar ohne nennenswerten Gewinn, aber auch nicht mit Verlust dargestellt worden ist. Wenn man nun vom hüttenmännischen Standpunkt aus diesen Hochofenbetrieb als für die Zukunft rentabel ansehen muß, so rechnet man damit, daß der größte Teil des erzeugten Roheisens gleich in flüssigem Zustande zur Her stellung von Gußwaren verwendet werden kann, das Umschmelzen also erspart bleibt und daß der Umbau des Hochofens dadurch ziemliche Er sparnisse bringen wird, daß die Hochofengase für direkte Kraftgewinnung besser als seither aus genutzt und durch rationellere Einrichtung der ganze Betrieb des Hochofens und seine Bedie nung vereinfacht werden. Die Größe des Hoch ofens mit 10 bis 13 t Tagesproduktion ist ge geben durch den Umfang der Gießerei; denn die infolge der Sonntagsruhe anfallenden Masseln dürfen nur ein so großes Quantum betragen, als die Gießerei selbst verarbeiten kann. Von einer Herstellung von Roheisen für den Ver kauf kann keine Rede sein und also auch nicht von einem großen modernen Hochofen. — Diese technisch-kommerziellen Erwägungen müßten bei einer eventuellen Neuanlage eines Hochofens z. B. bei Geislingen-Hausen in Rücksicht gezogen werden. Insbesondere wäre zu unter suchen, welche Massenartikel daselbst am ehe sten mit Aussicht auf Gewinn Absatz finden könnten und welche hüttenmännischen Prozesse zur Herstellung derselben am ehesten Erfolg versprechen würden. Hierzu hätte noch die Angabe des täglichen Bahnverkehrs für Roh- und Hilfsmaterialien und für die Absatzprodukte (einschließlich etwaiger Nebenprodukte) zu kommen.“ Dr.-Ing. C. Geiger.