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Leiter des technischen Teiles Dr.-Ing. E.Schrödter, Geschäftsführer des Vereins deutscher Eisen hüttenleute. Kommissionsverlag von A. Bagel-Düsseldorf. STAHL UN EISEN ZEITSCHRIFT Leiter des wirtschaftlichen Teiles Generalsekretär Dr. W. Beumer, Geschäftsführer der Nordwestlichen Gruppe des Vereins deutscher Eisen- und Stahl- industrieller. FÜR DAS DEUTSCHE EISENHÜTTENWESEN. Nr. S. 27. Februar 1907. 27. Jahrgang. Ein Blick in die Zukunft. I st es schon im allgemeinen eine undankbare - Aufgabe, den Propheten zu spielen, so dürfte dies im besonderen dort der Fall sein, wo es sich um Voraussagungen über die Entwicklung der Eisenindustrie in den vor uns liegenden Jahren handelt. Wenn wir uns heute auf dieses Gebiet begeben, so geschieht es, wie wir von vorn herein ausdrücklich hervorheben wollen, mit der Einschränkung, daß wir versuchen wollen, eine Lehre aus der Vergangenheit für die Zukunft zu ziehen, in der Weise, daß wir die in ersterer tatsächlich erzielten Fortschritte in der Produktion rein rechnerisch auf die letztere übertragen. Als Grundlage für unsere Betrachtung nehmen wir die Entwicklung der Roheisenerzeugung, die in Deutschland seit dem Jahre 1870 bis 1906 einschließlich vor sich gegangen ist. In der dem umstehenden Schaubild 1 beigegebenen Ueber- Sichtstabelle sind die Produktionszahlen dieses Zeitabschnittes nicht nur für Roheisen, sondern auch für Rohstahl enthalten. Ein Blick auf die Schaulinien lehrt uns ohne weiteres, daß, nachdem der Ersatz des Schweißeisens durch das Flußeisen sich vollzogen hat, die Linie für Rohstahl den gleichen Verlauf wie die für Roh eisen nimmt, d. h. daß praktisch die Zunahme an Roheisen fast ausschließlich auf die Zunahme der Rohstahlerzeugung zurückzuführen ist; alle Schlußfolgerungen, die in diesen Ausführungen enthalten sind, sind daher von Roheisen ohne weiteres auf Rohstahl übertragbar. Wenn wir nun das Bild unserer Roheisenlinie verfolgen, so sehen wir, daß in dem hinter uns liegenden 37jährigen Zeitraum eine Abnahme der Jahres erzeugung an Roheisen gegen das jeweilige Vor jahr nur in 5 Jahren, nämlich im Jahre 1874 .... 14,7 °/o „ „ 1876 .... 9,1 „ , » 1886 .... 4,3 „ „ „ 1891 .... 0,4 » » » 1901 .... 7,5 » zu verzeichnen gewesen ist. Dagegen hat in allen übrigen Jahren die Erzeugung eine Zu nahme erfahren, die im Jahre 1872 bis zur einmaligen außergewöhnlichen Höhe von 29,3 °/o gestiegen ist und im Durchschnitt der gesamten 37 Jahre 6,3 % jährlich betrug. Wenn man nun rein rechnerisch vorgeht und annimmt, daß ein gleicher verhältnismäßiger Zuwachs wie in dem verflossenen Zeiträume auch in den nächsten Jahren zu erwarten ist, so kommen wir zu dem auf den ersten Blick staunenswerten Ergebnis, daß dann im Jahre 1914 unsere Roheisen erzeugung auf über 20 Millionen Tonnen an geschwollen sein, und im Jahre 19 20 sogar eine Höhe von nahezu 30 MillionenTonnen erreicht halien wird. In der Tat eine überraschende Perspektive! Wird es möglich sein, für solche Mengen die nötigen Rohstoffe zu beschaffen? Ist es möglich, daß der Verbrauch solche Anforderungen an die Eisenwerke stellt ? Diese Fragen drängen sich unwillkürlich bei dem Anblick obiger Zahlen auf, und wer vermag sie zu beantworten? Wenden wir aller unsern Blick rückwärts in die Vergangenheit, so werden wir uns sagen müssen, daß jeder, der vor acht Jahren, als unsere Roheisenerzeugung 7,3 Millionen Tonnen betrug, oder gar vor 14 Jahren, als unsere Er zeugung noch unter 5 Millionen Tonnen war, gewagt hätte zu prophezeien, daß die deutsche Roheisenerzeugung im Jahre 1906 12,5 Mil lionen Tonnen betragen würde, einfach verlacht worden wäre. An sich ist kein Grund vor handen, anzunehmen, daß die Entwicklung des deutschen Volkes und die Zunahme der Kultur und damit der Eisenverbrauch in der ganzen Welt nicht in dem Maßstabe wie bisher fortschreiten sollte. Ein Blick auf die Eisenbahn karte unserer Erde zeigt uns, daß erst der kleinere Teil davon heute mit Schienennetzen umspannt ist. Das Holz wird stets seltener, und alles drängt immer mehr darauf hin, daß es sowohl im Eisenbahnbau für Schwellen usw. wie im Hochbau durch Eisen ersetzt wird, und daß daher unserer Träger- und Stabeisenproduktion noch keine Grenzen gesetzt sind. Man mag die viel verzweigten Kanäle, durch welche das Eisen IX.« 1