Volltext Seite (XML)
27. Februar 190?. Der neue Kanadische Zolltarif. Stahl und Eisen. 313 Der neue Kanadische Zolltarif. I jer vor kurzem veröffentlichte Kanadische —— Zolltarif ist laut einer Mitteilung der vom Reichsamte des Innern herausgegebenen „Nach richten für Handel und Industrie“ am 15. De zember 1906 bereits iu Kraft gesetzt worden. Es ist ein Tarif, mit dem England als das be vorzugte Mutterland wohl zufrieden sein kann, wie es auch in einer Zuschrift an „The Iron Age“ vom 6. Dezember 1906 zum Ausdruck kommt, während an den handelspolitischen Be ziehungen Deutschlands zu Kanada wenigstens vorläufig nichts Wesentliches geändert wird. Der neue Tarif besteht aus dem autonomen General-, dem Mittel- und dem Vorzugstarife, von denen der zweite ein durchaus neuer Be standteil kanadischer Zollgesetzgebung ist. Weun auch der Generaltarif ziemlich zahlreiche Ab weichungen der neuen Zollsätze von den alten sowohl nach unten als nach oben aufweist, so sind sie doch meist so unbedeutend, daß er im wesent lichen als der alte Tarif angesprochen werden kanu. Die Veränderungen scheinen darin be gründet zu sein, daß man nicht den General-, sondern den Vorzugstarif als Ausgangspunkt wählte und den Generaltarif durch prozentuale Zuschläge schuf. Von einiger Wichtigkeit wäre nur, daß manche früher zollpflichtigen Artikel auf die Freiliste gesetzt worden sind, für sie also Deutschland nunmehr auf gleichem Fuße mit anderen Ländern im Wettbewerbe steht; zu ihnen gehören u. a. Pflugscharen in noch nicht fertiger Form. Anderseits sind auch einige früher zollfreie Waren zollpflichtig geworden; so unterliegt verzinkter Eisendraht jetzt einem Zoll von 5°/o außer bei britischer Herkunft, Stacheldraht einem solchen von 20 °/o im General tarife, von 121/2 und 10 °/o im Mittel- bezw. Vorzugstarife. Während nun Deutschland gegenüber nach wie vor ein Ueberzoll von einem Drittel des autonomen Zollsatzes erhoben wird, genießen britische Waren den Vorzugstarif, der aber jetzt nicht mehr durchweg um 331/8°/0 hinter dem Generaltarife zurückbleibt, sondern spezialisiert worden ist. Je nach den Artikeln bleiben die Zollsätze auf britische Waren um etwa 10 bis höchstens 331/3°/0 hinter denen des Generaltarifes zurück, und zwar so, daß die Waren einen um so höheren Vorzug genießen, je mehr England an ihnen interessiert ist, es sei denn, daß wichtige kanadische Interessen entgegenstünden. Daß eine ganze Reihe von Waren britischer Herkunft über haupt frei bleiben, die bei Einfuhr aus anderen Län dern zollpflichtig sind, war bisher nicht inUebung. Der mittlere Tarif nun ist ein Köder, den man denjenigen Staaten hingeworfen hat, die an einem Handelsverträge mit Kanada interessiert sind. Ob er freilich eine große Anziehungskraft besitzen wird, bleibt abzuwarten und ist zweifel haft; denn er ist wirklich ein magerer Bissen, den Kanada als Aequivalent für die geforderte Meistbegünstigung bietet. Mr. Fielding, der Vater des neuen Zolltarifes, sagte von dem Mittel tarife, als er ihn zur Annahme empfahl: „Alles, was wir durch die Annahme dieses Mitteltarifes tun, ist, daß wir ihn den fremden Staaten vorhalten und sagen: Das ist, was ihr, wenn ihr wollt, erlangen könnt, sofern ihr mit Kanada in Unter handlungen eintretet; ihr könnt den ganzen Mitteltarif für die Meistbegünstigung, ihr könnt ihn teilweise für Zollzugeständnisse erhalten. Ihr könnt ihn von Fall zu Fall auf beiderseits gesetzgeberischem Wege erlangen oder auch auf diplomatischem Wege durch Vertrag. Wir lassen also diesen Mitteltarif nicht ohne weiteres in Kraft treten, sondern wir legen ihn der Welt vor als Ausdruck der Bedingungen, auf Grund deren wir mit anderen Staaten in Verhandlungen einzutreten willens sind, und um ihnen einen Reiz zu geben, uns bessere Zollbedingungen ein zuräumen und einen größeren Teil kanadischer Erzeugnisse von uns zu beziehen.“ Ob freilich dieser Reiz besonders für die Vereinigten Staaten, für die er wohl in erster Linie berechnet sein mag, groß genug ist, bleibt sehr fraglich in An betracht dessen, daß der sogenannte Mitteltarif dem Generaltarif äußerst nahe steht, vom bri tischen Vorzugstarife um so weiter entfernt ist; z. B. beträgt der Roheisenzoll im Generaltarife 2,50 8, im Mitteltarife noch 2,25 8, im Vor zugstarife aber nur 1,50 8; im höchsten Falle bleibt der Mitteltarif um 10° /o vom Werte hinter dem Generaltarife zurück. Ganz besonders tritt nun auch an Deutsch land die Frage heran, ob es dem Zollkriege mit Kanada ein Ende machen und den dargebotenen Holzapfel im Tausche gegen den Leckerbissen seiner Meistbegünstigung annehmen wird. Die „Antitrustklausel“, das Recht der Re gierung, die Zölle bei zu hohen Syndikatspreisen zu ermäßigen, und die „Antidumpingklausel“, das Recht, einen Zollzuschlag bis zu 15 °/o vom Werte zu erheben, weun der Verkaufspreis ein geführter Waren wesentlich hinter ihrem hei mischen Marktwerte zurückbleibt, sind auch in den neuen Zolltarif aufgenommen worden. Die letzte Klausel ist sogar noch dahin erweitert worden, daß auch sonst zollfreie Waren bei der gegebenen Voraussetzung mit einem Wertzölle bis zu 15 °/o belastet werden können. Es erübrigt noch darauf hinzuweisen, daß bei besonderen Verarbeitungen im lulande Zoll-