Volltext Seite (XML)
268 Stahl und Eisen. Beitrag zur Metallurgie des Martinprozesses. 27. Jahrg. Nr. 8. Wir müssen bei allen Frischprozessen mit der Rückbildung des Phosphors rechnen. Bei Verarbeitung eines phosphorarmen Rohmaterials wird eine Rückbildung dieses Stoffes in geringem Maße erfolgen können, ganz anders gestalten sich hingegen diese Verhältnisse bei der Arbeit mit phosphorreichem Roheisen im Martinofen und insbesondere beim Windfrischen in der Thomas birne. Beim Erzfrischen mit phosphorreichem Einsätze wird der Phosphor zu Anfang der Hitze, unter Voraussetzung von eisenoxyd-kalkhaltigen Zuschlägen, stark zur Oxydation neigen, woraus eine baldige Sättigung der Schlacke mit Phos phorsäure sich ergibt. Nach Heber sehr eitung der Sättigungsgrenze wird die Rückbildung des Phos phors so lange vor sich gehen, bis das Bad und die Schlacke hinsichtlich ihres bezüglichen Phos phorgehaltes mit der Temperatur sich ins Gleich- gewicht gesetzt haben. * Dank dem Umstande, daß in den Martinofen periodisch immer wieder neue Zuschlagsmengen eingetragen werden, welche allenfalls mit Phosphor gesättigte Schlacken in entsprechender Weise zu verdünnen vermögen, wird die Entphosphorung des Metalles beim Martin frischen, kleinere Phosphor-Rückbildungsperioden außer acht lassend, im allgemeinen einen vom Anfang zum Ende der Hitze hin stetigen Verlauf nehmen, so daß hierbei von einer eigentlichen Periode der Entphosphorung nicht die Rede sein kann. Ganz anders liegen die Verhältnisse beim Thomasfrischen. Wir haben es in erster Linie hierbei mit einem sehr phosphorreichen Einsätze zu tun, wobei zur Abscheidung' des Phosphors eine große Menge von Oxydationsmitteln und Schlackenbildnern benötigt wird. Die Eisenoxyde, welchen, wie wir früher gesehen haben, eine bedeutende phosphorbindende Rolle eingeräumt werden muß, werden durch die Wirkung des ein geblasenen Windes erst gebildet; der Kalk, welcher kurz vor dem Windeinlaß in für eine vollständige Entphosphorung (10 bis 12 °/o vom Einsätze) absolut ungenügender Menge in den Konverter eingetragen wird, benötigt geraume Zeit, bevor er verschlackt, kann also, solange er kompakte auf der Metalloberfläche schwimmende Stücke bildet, für die Entphosphorung des Eisens wenig bei tragen. Der im Konverter schon im Anfang der Hitze zur Verbrennung neigende Phosphor findet daher kein Lösungsmittel für seine Oxydationspro dukte vor und wird so lange durch den im Bade vor handenen Kohlenstoff immer wieder rückgebildet, bis die Schlacke ihre richtige und geeignete Zu sammensetzung erfahren hat. Mittlerweile ist aber der Hauptteil des Kohlenstoffes aus dem Eisen ver schwunden, und die Periode der Entphosphorung * Das Verhalten des Phosphors bei phosphor reichem Einsätze ist in dieser Richtung sehr gut bei genauer Beachtung der über den Bertrand-Thiel- Prozeß in „Stahl und Eisen“ 1897 Nr. 10 S. 406 u. f. veröffentlichten Betriebsdaten zu ersehen. des Eisens mit ihren charakteristischen Er scheinungen tritt ein. Nicht also die Aenderung der Affinität der Fremdkörper des Eisens zum Sauerstoffe mit der steigenden Temperatur hat zur Folge, daß die Verbrennung des Phosphors beim Thomasieren in einer ziemlich scharf ab gegrenzten Frischperiode erfolgt, welche Er scheinung beim Martinfrischen nicht eintritt, sondern lediglich der Umstand, daß den Ver brennungsprodukten des Phosphors beim Thomas frischen im Anfänge der Frischdauer die Mög lichkeit benommen ist, die für alle metallurgischen Prozesse wichtigste und impulsivste Reaktion der Verschlackung einzugehen. Die Ergebnisse der Untersuchungen über das Verhalten des Phosphors beim Erzfrischen zu sammenfassend, gelangen wir zu nachstehenden Schlußfolgerungen: 1. Durch Steigerung der Temperatur wird die Abscheidung des Phosphors im Prinzipe gefördert. 2. Die Entphosphorung des Eisens ist nur bei Anwesenheit von Eisenoxyden oder Kalkstein möglich. 3. Die Abscheidung des Phosphors aus dem Eisen wird nur bei gleichzeitigem Eintreten zweier Reaktionen, deren bezügliche Effekte sich summieren, ermöglicht. Es ist dies die Oxydation des Phosphors zu Phosphorsäure und die Lösung der gebildeten Phosphorsäure in der Schlacke. Diese beiden Reaktionen vollziehen sich unter Wärmeabgabe. 4. Als das geeignetste Lösungsmittel für die Oxyde des Phosphors ist eine entsprechend zusammengesetzte Eisen - Kalk - Silikat - Schlacke anzusehen. Das Eisenoxyd und der Kalk sind als Basen mit Kieselsäure zu einem komplexen Molekül vereinigt und kann bei gleichbleibendem Aufnahmevermögen der Schlacke für die Phosphor säure, das Eisenoxyd durch den Kalk und um gekehrt im Rahmen des Basenkomplexes nicht ersetzt werden. Als wahrscheinlich könnte an genommen werden, daß das Eisen durch Mangan teilweise substituiert wird. 5. Im Eisen anwesendes Mangan dürfte auf die Oxydationsverhältnisse des Phosphors keinen Einfluß haben. 6. Nach Ueberschreitung der Sättigungsgrenze der Schlacke für Phosphorsäure, welche durch die chemische Zusammensetzung der Schlacke und die jeweilige Temperatur genau bestimmt ist, erfolgt unter dem Einflüsse von Kohlenstoff und Kohlenoxyd, und unter der katalytischen Wirkung des metallischen Eisens die Rückbildung des Phos phors in das Metall in endothermischer Reaktion. Wir finden also auch beim Verhalten des Phosphors unter der Einwirkung oxydierender Einflüsse alle jene typischen Erscheinungen wieder, welche im allgemeinen für alle metallurgischen Reduktions- und Oxydationsvorgänge charakte ristisch sind. Während das Silizium durch die