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258 Stahl und Eisen. Die elektrische Kraftübertragung in Hüttenwerken. 27. Jahrg. Nr. 8. liehe Auswertung der Brennstoffe und durch die rationelle Fernübertragung bietet, war diesem Kraftübertragungssystem im Hüttenwerk erst dann ein großer nachhaltiger Erfolg gesichert, als die Technik imstande war, Motoren und Apparate zu schaffen, die den eigenartigen Betriebs- und Arbeitsbedingungen der Hütten maschinen in vollem Umfange gerecht wurden. Von der Verwendung des einfachen nach einer Drehrichtung arbeitenden Transmissionsmotors bis zur Durchbildung des umkehrbaren Einzel antriebes größter Leistung und für die ver schiedenartigsten Verhältnisse war es ein ge waltiger Schritt; und die verhältnismäßig kurze Entwicklungsperiode fällt mit einer Zeit zu sammen, in welcher der Elektrizitätsindustrie auch von. anderen Absatzgebieten her eine Fülle von Aufgaben zur Lösung gestellt wurden, die wegen ihrer Mannigfaltigkeit alle verfügbaren Hilfsmittel ganz außergewöhnlich in Anspruch nahmen. So kann es nicht wundernehmen, daß bei der Einführung des elektrischen Betriebes in größerem Maßstabe vielfach Mißerfolge zu verzeichnen waren, welche gleich verlustbringend für den Auftraggeber sowohl wie für den Fabri kanten sich gestalteten, und die dem Hütten mann in der Folge eine abwartende Stellung aufnötigten. Nur mit Mißtrauen hat er dem „elektrischen Installateur“ die Energieversorgung wichtiger Betriebe überlassen, und erst die Zu sicherung, daß mindestens 100 % Reserve vor handen, vermochten den Zweifler in etwa zu beruhigen. Dem Elektriker einerseits fehlten anfänglich die Erfahrungen für den erfolgreichen Bau von Hüttenantrieben, und die Vorschriften und Unterlagen, die der Hüttenmann dem Kon strukteur lieferte, waren der bisherigen Energie versorgung, dem Dampfbetrieb oder der Hy draulik, entlehnt und berücksichtigten wenig oder gar nicht die Eigenschaften des Elektro motors und seiner Steuerapparate. Dazu kam die Unsicherheit der Bedienungsmannschaften, die dem Neuen, Ungewohnten völlig ohne jede Erfahrung gegenüberstanden. Die Einrichtungen enthielten Einzelheiten, die bei eintretender Be triebsstörung eine zeitraubende und kostspielige Reparatur erforderten; für eine rasche Selbst hilfe fehlte es an geeigneten Vorkehrungen. Das ist nun anders geworden, und heute gibt es kaum eine elektrische Großfirma, die nicht in besonderer Abteilung und unter Leitung er fahrener Praktiker den Bau von Spezialeinrich tungen für den Hüttenbetrieb aufgenommen hat. Die vielgestaltigen Aufgaben, welche für den besonderen Fall jeweilig eine eigene Lösung ver langen, zählen mit zu den schwierigsten, welche der Technik überhaupt gestellt wurden; ihre er folgreiche Lösung in maschinentechnischer und wirtschaftlicher Beziehung sind darum Leistungen ersten Ranges. Für die Lösung dieser Auf gaben ist die Frage, welche Stromart ' am sichersten und vollkommensten den speziellen Arbeitsbedingungen gerecht wird, von größter Bedeutung. Es wird sich später Gelegenheit finden, bei der Besprechung einzelner Arbeits maschinen auf die Vor- und Nachteile der einen oder andern Motorkonstruktion näher einzugehen. Hier sei nur festgestellt, daß in denjenigen An lagen, bei welchen eine Fernübertragung von höchstens 600 Volt wirtschaftlich möglich ist, dem Gleichstrom mehr und mehr der Vorzug gegeben wird auch mit Rücksicht auf die Betriebserfordernisse. Die Vorteile des Gleichstrommotors, größte Steuerfähigkeit bei sparsamem Energieaufwand haben gerade ihn zum geschaffenen Stahlwerks- und Walzwerks motor gemacht — auch schon zu einer Zeit, wo seine schlechtere mechanische Durchbildung und seine unstreitig größere Empfindlichkeit eine aufmerksame Wartung verlangten. Und die er wähnten Vorteile, die beim gut durchgebildeten modernen Gleichstrommotor erhöhte Bedeutung finden, sind dem Hüttenmann so wertvoll, daß er auch in Betrieben mit hochgespanntem Dreh strom sich zu einer Umformung in Gleichstrom leicht entschließt, wenn an die Steuerfähigkeit der Einrichtungen ganz besonders scharfe An forderungen gestellt werden. Anderseits hat sich für diejenigen Hüttenmaschinen, die eine dauernd gleiche Belastung bei periodisch gleich bleibender Tourenzahl aufweisen und geringere Steuerfähigkeit verlangen (Transmissionsantriebe jeder Art und Anordnung, Werkstätten- und Adjustagebetriebe, Ventilator- und Pumpen anlagen usw.), der Drehstromantrieb als der „Idealmotor“ bewährt, der auch schon für kleinere Leistungen unmittelbar an das Hoch spannungsnetz angeschlossen werden kann. Der konstruktive Aufbau des Drehstrommotors ist der denkbar einfachste: Mit dem Gleichstrom motor hat er gemeinsam das feststehende Feld gehäuse mit der Kupferdrahtbewicklung, den rotierenden Teil (Rotor) in den beiden Seiten schildern gelagert Dagegen ist die Stroment nahme am Drehstrommotor einfacher als beim Gleichstrombetrieb: kleinere Motoren, (bis etwa 7 P. S.) können ohne jede Anlaßvorrichtung un mittelbar an das Netz geschaltet werden, sofern die angetriebene Arbeitsmaschine keine Steuer fähigkeit verlangt. Größere Motoren und be sonders solche für umkehrbaren Betrieb und für Regulierung der Umdrehungszahlen eingerichtet, verlangen die Ausführung von drei Schleifringen am Rotor, die jedoch Wartung und Betrieb in keiner Weise erschweren. Der Gleichstrommotor, auch derjenige kleinster Leistung, verlangt die Ausführung eines Kollektors, dessen Durchbil dung an die Güte der Materialien, an deren Be arbeitung und Zusammenbau hohe Anforderungen stellt und der im Betrieb eine sachgemäße Be-