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234 Stahl und Eisen. Beitrag zur Metallurgie de» Martinprozeeses. 27. Jahrg. Nr. 7. Wenn wir als Maß der Reaktionsintensität diejenige Menge Sauerstoff in Betracht ziehen, welche in der Zeiteinheit die ganze Chargen dauer hindurch in Aktion tritt, so kommen wir zu folgenden Resultaten: Beispiel zu Tabelle 6: Eingesetzt wurden 20 303 kg flüssiges Roheisen; bezogen auf diesen Einsatz wurden in 300 Minuten verbrannt: kg Sauerstoff 921,75 kg Kohlenstoff, * diese entsprechen 1225,85 166,48 » Silizium, » » 189,78 261,90 » Mangan, „ „ - 75,95 24,36 » Phosphor, » „ 31,42 Sa. 1374,49 kg Abbrand, entsprechend 1523,00 * 1 kg Kohlenstoff 1 „ Silizium 1 „ Mangan 1 „ Phosphor . bedarf zu seiner Ver brennung kg Sauerstoff (CO) 1,133 (SiO 2 ) 1,140 (MnO) 0,290 (P:Os) 1,29 In jeder Minute als Zeiteinheit traten daher in diesem Falle 5,07 kg Sauerstoff in Reaktion. Mit Anwendung dieser Berechnung auf die vorbesprochenen Versuchsreihen ergeben sich die vorstehenden Verhältnisse (Tabelle 11 Seite 233): Bei Betrachtung der Tabellen 6 bis 10 und der dazugehörigen Verbrennungskurven ersieht man deutlich genug den Einfluß der Arbeits weise auf die Oxydation der Fremdkörper des Roheisens. Unter allen Verhältnissen ist der Kohlenstoff derjenige Körper, welcher zu seiner Verbrennung den größten Aufwand an Sauer stoff und Wärme erfordert; durch sein Verhalten ist demnach der Verlauf der Charge genau be stimmt. Unter dem Einfluß einer mit Sauerstoff angereicherten Schlacke weist der Kohlenstoff die Tendenz auf, gleichmäßig zu verbrennen. Die Verbrennungskurve wird unter dieser Voraus setzung der Diagonalen des Koordinatenvierecks folgen, wie dies das Kurvenstück III bis IV des Diagramms Nr. 1 veranschaulicht. Der steilere Einfall der Verbrennungskurve des Kohlenstoffes gegen die Zeitachse des Systems deutet auf intensivere Verbrennung hin. Die Oxydations intensität ist aber naturgemäß nicht allein von der Sauerstoffkonzentration in der Schlacke, sondern auch von der Temperatur beider Phasen abhängig, und muß letztere, von anormalen Ver hältnissen abgesehen, vom Anfang zum Ende des Prozesses eine stetige Steigerung erfahren. Wenn im Anfänge der Hitze der Kohlenstoff im Eisen und der Sauerstoff in der Schlacke in hoher Konzentration sich vorfinden, und damit die Bedingungen für den intensivsten Reaktions verlauf gegeben wären, so mangelt es zur Ermöglichung eines solchen in dieser Frisch periode an der erforderlichen Temperatur. In der Zunahme der Temperatur im Verlauf des Frischprozesses ist eine Abnahme des Kohlen stoffgehaltes im Bade begründet, und muß sich demnach, theoretisch genommen, in der Aende- rung dieser beiden Werte ein Punkt ergeben, welcher als Funktion der beiden Veränderlichen für die Reaktionsgeschwindigkeit den höchsten Wert liefert. In der Tat wird es dem mit dem Prozesse vertrauten Fachmanne nicht schwer fallen, die Periode der intensivsten Ent kohlung genau zu beobachten. Bei der Ein wirkung von kaltem Erz auf flüssiges Roheisen (Tabelle 6 und 7) tritt erfahrungsgemäß die maximale Entkohlung dann ein, wenn das Bad die Hälfte seines Kohlenstoffgehaltes bereits aus geschieden hat, und hält sich für gewöhnlich in der gleichen Stärke konstant, bis der Kohlen- stoffgehalt unter 1 °/o gesunken ist. Die Schlacke ist infolge des stärken Kohlenoxydauftriebes schaumig und hat ihr Volumen stark vergrößert; nach dem oben angegebenen Punkte beginnt die Schlacke zu fallen, und bei etwa 0,5 °/o Kohlen stoff im Eisen haben wir nunmehr eine kochende Schlacke vor uns. Der Erscheinung einer schaumigen Schlacke hat Talbot* eine andere Ursache zugeschrieben, als dies tatsächlich der Fall ist. Der Verfasser sagt unter anderm: „. . . . und bildet hierbei infolge der niedrigen Temperatur des vom Hochofen kommenden Eisens die Schlacke eine sich wölbende schau mige Masse, ein Zustand, der stundenlang an dauert. Bei dieser Beschaffenheit der Schlacke geht die Entkohlung naturgemäß nur sehr langsam vor sich . . . .“ Nachdem Talbot erwähnt hat, daß die durchschnittliche Zusammen setzung des Bades 0,5 °/o Kohlenstoff nie übersteigt, sagt er weiter: „. ... die so erzielte ständig hohe Temperatur bewirkt einen ganz andern Verlauf der Reaktion, wie das Aussehen des Bades deut lich zeigt. Anstatt des schaumigen schmorenden Zustandes, der stundenlang andauert, geht hier die Reaktion unter lebhaftem Kochen vor sich, bis nach 13 bis 30 Minuten das Bad sich wieder beruhigt.“ Nach der auf Seite 684 („Stahl und Eisen“ 1903) ersichtlichen Zusammenstel lung B wurden um 12 Uhr 10 Min. 46 000 Pfund = 20 700 kg Roheisen chargiert. Um 1 Uhr 55 Minuten, also nach 105 Minuten, hatte das Bad 0,09 °/o Kohlenstoff. Die ursprünglich berechnete Zusammensetzung des Bades ergab im Mischungs verhältnis 0,55 °/o Kohlenstoff, so daß in 105 Min. 0,46 °/o oder, bezogen auf das Badgewicht, 9 5,2 2 kg Kohlenstoff oxydiert wurden, entsprechend einer Reaktionsintensität m = 0,9 kg Kohlenstoff in der Minute. Mit Berücksichtigung der vom Verfasser angegebenen hohen Temperatur und der Sättigung der Schlacke an Sauerstoff (29,59 °/o Eisen) ergibt sich im Vergleiche dieser Zahl mit der laut unserer Tabelle 6 in der maximalen Entkohlungsperiode in der Minute verbrannten Kohlenstoffmenge von annähernd 5 kg ein sehr mäßiger Reaktionsverlauf, der * „Stahl und Eisen“ 1903 Nr. 11 8. 687.